Seewölfe Paket 14. Roy Palmer

Seewölfe Paket 14 - Roy Palmer


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kniff der hagere Fockmastgast beide Auge zu und schickte ein kurzes, aber inbrünstiges Dankgebet zum Himmel.

      Wenige Augenblicke später sah sich Dan O’Flynn suchend um.

      „Die Ziege!“ rief er. „Wo ist die Ziege?“

      „Was für eine Ziege?“ fragte Gary Andrews mit scheinheiligem Gesicht.

      „Idiot! Deine Ziege natürlich!“

      „Ja“, Gary Andrews zuckte bedauernd mit den Schultern, „das weiß der Himmel, wo sie abgeblieben ist. Wahrscheinlich ist ihr der Lärm hier auf die Nerven gegangen, und da hat sie sich ein ruhigeres Plätzchen gesucht. Jedenfalls ist sie weg. Oder kannst du sie irgendwo sehen?“

      Dan O’Flynn schüttelte den Kopf. „Sie scheint tatsächlich abgehauen zu sein. Schade, da wird’s wohl nichts aus unserer Gauklertruppe.“

      „Sehr schade!“ sagte Gary Andrews hinterhältig und fühlte sich von einer tonnenschweren Last befreit.

      2.

      Der große, beleibte Teppichhändler, der den zerlumpten Räuber aus seinem Laden getrieben hatte, verbeugte sich höflich vor den Seewölfen. Dabei sprach er mit seiner tiefen Stimme einige lange Sätze.

      „Was sagt er?“ fragte Hasard seine beiden Sprößlinge.

      Philip junior erwiderte: „Er heißt Ismail und bringt seine Freude darüber zum Ausdruck, daß Allah uns im Kampf gegen das Räubergesindel geholfen habe und außerdem …“ Er stockte.

      „Und außerdem?“ fragte der Seewolf.

      „Ja, und außerdem wünscht er uns allen den Segen Allahs, fleißige und gesunde Frauen und eine Menge hübscher Kinder.“

      Die Seewölfe konnten ein lautes Gelächter nur mühsam unterdrükken, aber über ihre Gesichter zog sich ein breites Grinsen.

      Der Händler, dessen braunes Gesicht ein dünner, schwarzer Oberlippenbart zierte, wertete dies wohl als günstiges Vorzeichen und versäumte nicht, sofort mit vielen Worten und Gesten auf seine kostbaren Teppiche hinzuweisen. Nachdem er kurz in die Hände geklatscht hatte, erschienen, wie aus dem Erdboden gezaubert, zwei kleine Jungen und begannen damit, Teppiche und Brükken vor den Seewölfen auszurollen.

      Philip Hasard Killigrew schüttelte jedoch bedauernd den Kopf.

      „Deine Teppiche sind sehr schön“, ließ er dem Händler Ismail dann dolmetschen, „ja, sie sind die schönsten, die ich je gesehen habe. Aber leider kann ich keine gebrauchen. Meine Männer und ich haben unser Schiff verloren und möchten zurück nach England. Schade, daß du keine Schiffe zu verkaufen hast, denn dann könnten wir gleich miteinander ins Geschäft kommen.“

      Der Teppichhändler wurde hellhörig.

      „Du möchtest ein Schiff kaufen?“ fragte er.

      Der Seewolf nickte. „Wenn es sein muß, auch zwei.“

      Wieder klatschte der beleibte Ismail in seine fleischigen Hände. Die Teppiche wurden in Windeseile zusammengerollt, und die beiden braunhäutigen Jungen verschwanden so rasch, wie sie erschienen waren.

      „Ich habe ein Schiff zu verkaufen“, fuhr der Händler eifrig fort, „eine wunderschöne Feluke, sie liegt drüben an der Pier.“

      „Eine Feluke?“ fragte Hasard verwundert. Er hatte alles erwartet, nur nicht, daß ihm ein Teppichhändler einen Segler anbieten würde.

      Ismails Augen funkelten vor Geschäftseifer. Er nickte eifrig.

      „Es ist ein Prachtschiff“, fuhr er fort, „aber ich brauche es nicht mehr. Früher habe ich an der gesamten Küste entlang Handel mit Waren aller Art getrieben, jetzt aber beschränke ich mich auf das Teppichgeschäft hier in der Stadt.“

      „Allah möge deine Bescheidenheit segnen“, sagte der Seewolf. „Dürfen wir uns die Feluke einmal ansehen?“

      „Aber natürlich, Herr. Du wirst begeistert sein“, schwärmte Ismail. Doch dann warf er einen skeptischen Blick auf den Rest der Seewölfe, der gerade von seinem Stadtbummel zurückkehrte und sich zu ihnen gesellte. Für einen Augenblick zeigte er ein Gesicht, als drohe ihm ein gutes Geschäft durch die Lappen zu gehen. Dann sagte er: „Ich fürchte nur, Herr, daß meine Feluke, die ein gutes und schnelles Schiff ist, etwas klein sein wird für so viele Männer …“

      „Vielleicht finden wir noch ein zweites Schiff“, erklärte Hasard. „Wir werden uns deine Feluke auf jeden Fall einmal ansehen.“

      Das Gesicht des Händlers strahlte wieder Zufriedenheit aus. Nachdem er den beiden Jungen, die im Laden verschwunden waren, die Verantwortung für sein Geschäft übertragen hatte, führte er die Seewölfe zu den Piers hinüber. Dabei ließ er keine Gelegenheit aus, seine Feluke anzupreisen. Doch die Seewölfe wollten sich lieber selbst ein Urteil bilden.

      Sie waren angenehm überrascht, der Segler war tatsächlich in einem ausgezeichneten Zustand. Das zweimastige Gefährt war mit neuen Lateinersegeln ausgestattet, hatte einen teilweise eingedeckten Rumpf, einen geraden Vorsteven und ein Spiegelheck. Die Länge betrug etwa sechzehn Yards, die Breite schätzte der Seewolf auf ungefähr fünf Yards. Die Feluke schien gerade erst überholt worden zu sein. Zumindest einer Gruppe seiner Besatzung würde sie genügend Raum bieten.

      Im Handumdrehen war unter den Seewölfen eine rege Debatte über die Feluke im Gange. Alle waren damit einverstanden, daß der Segler gekauft wurde.

      „Im Moment bestehen wir noch aus zwei Gruppen“, betonte Hasard. „Vielleicht gelingt es uns, einen weiteren Segler aufzutreiben. Wir werden uns auf jeden Fall darum bemühen. Damit jedoch keine Gruppe benachteiligt wird, schlage ich vor, daß wir losen, welche Gruppe die Feluke übernehmen wird. Vorausgesetzt, wir einigen uns mit Ismail über die Preisvorstellungen.“

      Die Crew der ehemaligen „Isabella VIII.“ fand den Vorschlag gut, und sofort begann Philip Hasard Killigrew mit Unterstützung der Zwillinge mit dem Händler Ismail zu feilschen.

      Und das dauerte.

      Während den Seewölfen längst der Schweiß auf den Stirnen glänzte, schien das Tauziehen um den Preis der Feluke Ismail größtes Vergnügen zu bereiten. Er beherrschte das dazugehörige Mienenspiel perfekt. Einmal schien er beleidigt zu sein, ein andermal sah er durch das Angebot des Seewolfs die Ernährung seiner Frauen und Kinder ernsthaft gefährdet, und schließlich meinte er, überlegen zu müssen, ob er den „besten Segler Ägyptens“ nicht doch behalten wolle.

      Aber auch Hasard und Old O’Flinn verstanden etwas vom Feilschen, und die beiden „Rübenschweinchen“, Philip junior und Hasard junior, hatten bereits hochrote Gesichter. Schließlich war das Dolmetschen keine leichte Aufgabe. Die arabische Sprache bereitete ihnen wesentlich mehr Schwierigkeiten als die türkische.

      Doch schließlich und endlich einigte man sich und Hasard zählte dem Teppichhändler die vereinbarte Anzahl Perlen auf die Hand.

      Ismail strahlte und rief mit jeder Perle den Segen Allahs auf die „Giaurs“ herab, die gar nicht kleinlich gewesen waren und ihm einen mehr als anständigen Preis zahlten.

      „Bei allen Wassermännern“, knurrte Old Donegal Daniel O’Flynn und stampfte mit seinem Holzbein auf den Lehmboden des Hafengeländes. „Dieses Gefeilsche war ja schlimmer als ein Seegefecht. Unser Techtelmechtel mit dem ganzen Gesocks von Nilpiraten und Grabräubern war dagegen ein Kinderspiel.“

      Hasard lächelte. „Die Feluke gehört nun uns. Am besten, wir werfen gleich das Los, damit wir alle wissen, wie wir dran sind.“

      Bereits nach wenigen Sekunden hatte das in die Luft geworfene Geldstück entschieden.

      Die Feluke war der Gruppe Hasards zugefallen. Dazu zählten außer den Zwillingen und dem Schimpansen Arwenack Dan O’Flynn, Big Old Shane, Gary Andrews, Batuti und Matt Davies.

      Auf den Gesichtern der Gruppe Ben Brightons spiegelte sich für einen


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