Seewölfe - Piraten der Weltmeere 529. Davis J.Harbord
Er hätte nicht von Wassermelonen, sondern von heißen Kanonenkugeln gesprochen, an denen sie sich sogar die Hände gewärmt hätten, weil’s seinerzeit in den türkischen Gewässern so kalt gewesen wäre, daß den „Empress“-Mannen die Bärte zu Eiszapfen gefroren wären.
Aye, aye, Sir, den ganzen Unsinn, den Old Donegal da verzapft hatte, den tischten sie ihm jetzt wieder auf und widerlegten ihn.
Aber das focht den nicht an, überhaupt nicht. Er blieb stur bei seinen Wassermelonen, griff in seine Garnkiste und erfand flugs eine neue Geschichte von der „Dingsbums-Schlacht“, in der von zerplatzenden Wassermelonen die Rede war, ja sogar von einem Türken, dem er die Wassermelone ins offene Maul geworfen habe!
„Und dann!“ verkündete Old Donegal. „Und dann hat der Ali die Melone doch glatt verschluckt und kriegte einen Bauch wie ’ne schwangere Suleika!“
„Du lieber Gott!“ Der Profos stöhnte und raufte sich die Haare. „Ist das noch zu fassen? Erst labert dieser Seifenbläser von einer Sternschnuppensause in die Hölle, weil ein Funken zwischen unsere Brandsätze fällt, und jetzt spinnt er von melonenschluckenden Alis mit schwangeren Suleikabäuchen!“ Und der Profos dröhnte: „Ich sollte dir auch ’ne Melone ins Maul stopfen, du – du Obertürke!“
Old Donegal setzte zu einer geharnischten Antwort an, doch da war Hasards Stimme zu hören.
„Na, Freunde?“ sagte er. „Seid ihr euch wieder in die Haare geraten?“ Er trat an die Achterdecksbalustrade. „Was ist los, Old Donegal?“
„Nichts“, brummelte Old Donegal.
„Ed?“
„Sir?“ fragte der Profos zurück. Er schien plötzlich maulfaul geworden zu sein.
„Ich fragte, was los sei.“
„Och, gar nichts, Sir, ehrlich.“ Der Profos zupfte an seinem rechten Ohrläppchen.
„Dann muß ich mich wohl verhört haben“, meinte Hasard. „Oder nannte da nicht jemand einen anderen einen Obertürken, dem er eine Wassermelone ins Maul stopfen wollte?“ Hasard räusperte sich. „Spielte da nicht auch eine gewisse Suleika eine Rolle, die guter Hoffnung war? Nun ja, da muß ich mich wohl wirklich geirrt haben. Und ich dachte schon, euch sei etwas aufgefallen.“
„Uns? Nein, Sir“, sagte der Profos. „Ist dir was aufgefallen, Old Donegal?“
Der schüttelte den Kopf. „Überhaupt nichts.“
„Was soll uns denn aufgefallen sein, Sir?“ fragte der Profos.
„Ihr seid mir so die richtigen Seeleute“, erwiderte Hasard. „Wir segeln Südkurs. Ist das nichts?“
„Na ja, wir laufen von der Küste ab“, sagte Carberry.
„Ach ja?“ Hasard grinste. „Das täten wir auch, wenn wir Ostkurs segeln würden.“
„Sir, du hast was auf der Pfanne“, sagte Carberry mißtrauisch.
„Stimmt, Ed“, sagte Hasard. „Jetzt bist du mal der Hellseher. Also, Freunde, jetzt wird’s ernst. Und es ist wieder eine Abstimmung fällig. Wir haben das, was wir wollten: die Brandsätze. In Ordnung. Aber hat schon mal jemand von euch darüber nachgedacht, auf welcher Route wir in die Karibik zurücksegeln? Nehmen wir die Ostroute, oder nehmen wir die Westroute? Segeln wir um Kap Hoorn oder ums Kap der Guten Hoffnung? Oder nehmen wir den kürzesten Weg, nämlich wieder über den Isthmus von Tehuantepec, was bedeuten würde, daß wir die gesamte Ladung an Brandsätzen und Gewürzen über Land schleppen und auf der Karibikseite wieder ein Schiff beschaffen müßten? So, jetzt seid ihr dran, ich habe euch die drei Möglichkeiten genannt.“
Da ging das Palaver los. Die Mannen waren auf der Kuhl versammelt, bis auf den Ausguck im Großmars – Jack Finnegan, und den Rudergänger – Stenmark. Auf dem Achterdeck befanden sich Ben Brighton, Don Juan de Alcazar und Dan O’Flynn. Aus der Mittschiffsluke stiegen Big Old Shane und Ferris Tucker, die sich noch einmal um die neue Ladung gekümmert hatten.
Eindeutig war aus dem Palaver herauszuhören, daß die kürzeste Route – die über den Isthmus – den Arwenacks nicht genehm war. Die steckte ihnen noch in den Knochen, weil sie kurz vor dem Ziel – nachdem sie den Isthmus mühsam überquert hatten – von den Dons zur Zwangsarbeit kassiert worden waren.
Carberrys Stimme übertönte grollend das Palaver.
„Bin ich ein verdammter Sandfloh? Lieber segele ich dreimal im Handstand und mit angelegten Ohren um Kap Hoorn als noch einmal wie ein Packesel durch den Urwald zu trotteln und den Mücken als Jungbrunnen zu dienen!“
Old Donegal war ganz seiner Meinung. So weit kam’s noch, daß er den Mücken als Quell ewiger Jugend zur Verfügung stand! Das hatte der Profos trefflich formuliert.
„Nicht mit mir!“ verkündete er und blickte sich wild um, als sei bereits ein Geschwader von Stechmücken im Anflug. „Die Biester sollen gefälligst woanders nuckeln, aber nicht an meinem Jungborn!“
Na, das waren mal wieder Argumente, daß es einem die Schuhe ausziehen konnte. Hasard verschränkte die Arme vor der Brust, denn Carberry legte wieder los, aber nicht wegen des Routenproblems, sondern weil er sich darüber ereiferte, daß Old Donegals Blut ein „Jungborn“ sein sollte.
„Jungborn?“ donnerte der Profos. „Ich höre wohl nicht richtig? An dem gehen die Mücken doch vor Altersschwäche ein!“
„Und bei dir“, schrie Old Donegal, „sehen sie grüne Mäuse, weil du nur noch Schnaps in den Adern hast!“
„Rum ist Lebenssaft!“ wetterte der Profos mit unerschütterlicher Logik. „Außerdem gibt’s keine grünen Mäuse, da kannst du den Kutscher fragen! Nicht wahr, Kutscher?“
Der Kutscher kehrte indigniert auf den Punkt zurück: „Unterhalten wir uns hier über Blut als den Quell ewiger Jugend, oder beraten wir darüber, welche Route wir nehmen sollen?“
„Danke, Kutscher“, sagte Hasard und hatte so ein gewisses Zucken um die Mundwinkel. „Ich darf also aus den bisherigen, sehr interessanten Gedankengängen schließen, daß die kürzere Route über den Isthmus allgemein abgelehnt wird. Oder irre ich? Darf ich um das Handzeichen bitten? Wer ist für diese Route?“
Keine Hand hob sich. Hasard blickte sich um – das gleiche Bild bei Ben, Dan, Stenmark und Don Juan. Auch Jack Finnegan im Großmars hatte keine Ambitionen auf den Trip über den Isthmus.
„Also gut, Freunde“, sagte Hasard, „damit ist die Route über den Isthmus abgehakt. Ihr scheint es nicht sehr eilig zu haben, zum Stützpunkt zurückzukehren, wie?“
„Segeln macht Spaß“, erklärte Carberry für alle, denn sie nickten dazu.
„So? War da nicht ein gewisser Mister Carberry, der vor nicht allzulanger Zeit sagte, es gäbe nur eine Sorte von Verrückten, und das seien jene, die auf Holzeimern übers Wasser schaukelten?“
„Sagte ich das?“ Der Profos kratzte sich hinter dem Ohr und erklärte treuherzig: „Das war nicht so gemeint, Sir, und bezog sich nur darauf, als wir mal bekalmt wurden.“
„Auf den beiden anderen Routen um die jeweiligen Kaps werden wir jede Menge Gelegenheit haben, in Kalmen zu geraten“, erwiderte Hasard.
„Da zieh’ ich die Señorita Barbara mit der Jolle hinter mir her“, erklärte der Profos, „und auch das hundertmal lieber als zu Fuß über den Isthmus.“
„Jaja, ich weiß, auch wenn die Trinkwasserfässer so ausgetrocknet sind, daß du den Finger zwischen die Dauben stecken kannst.“
„Sir“, sagte der Profos gemessen, „ich schlage vor, wir nehmen von den beiden Routen die kürzere, und das ist zweifellos die Westroute ums Kap der Guten Hoffnung, nicht wahr?“
„Das ist richtig, Ed“, erwiderte Hasard, „diese Route würde auch ich vorziehen.“ Er drehte sich zu Dan O’Flynn um. „Was meinst du?“
„Westroute“,