Seewölfe - Piraten der Weltmeere 541. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 541 - Roy Palmer


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Trupp marschierte weiter. Mac Pellew murmelte eine Verwünschung und schloß sich den Kameraden wieder an. Was blieb ihm anderes übrig? Hier konnte gewiß keiner Englisch. Überhaupt, nirgends war auch nur ein Mensch zu entdecken, der annähernd wie ein Europäer wirkte. Seltsam. Gab es hier nicht einmal Spanier, Portugiesen oder Franzosen?

      Carberry betrachtete ein paar Stände, vor denen sich schnatternde Araber stritten.

      „Mist, hier gibt es nur Klamotten“, sagte er vernehmlich.

      Die Araber verstummten und blickten ihn nachdenklich und mißtrauisch an. Dann nahmen sie ihr Palaver wieder auf.

      Plötzlich trat aus einem schmalen, dunklen Gang ein feister kleiner Mann auf den Trupp zu. Er trug ein angeschmutztes weißes Gewand und einen grünen Turban. Er lächelte und verneigte sich.

      „Sidi“, sagte er zu Carberry. „Du Spanien? Portugal?“

      „Nein, England“, knurrte der Profos.

      „Schade“, flüsterte der Mann auf Portugiesisch. „Du nicht verstehen. Ich weg.“

      „Ich doch verstehen“, entgegnete Carberry. „Ich kann Spanisch.“

      „Oh, auch ich. Ein bißchen“, sagte der Araber.

      „Wunderschön“, sagte Don Juan de Alcazar. „Vielleicht kannst du uns weiterhelfen. Wir suchen etwas.“

      Der Kerl verbeugte sich wieder. „Oh, gut. Ich haben. Du Frau?“ Er blinzelte Carberry zu. „Nett, fett? Ich führen.“

      „Wir haben was zu erledigen“, erwiderte der Profos.

      „He, Moment mal“, mischte sich Higgy ein. „Kannst du uns nicht für ’ne halbe Stunde beurlauben, Ed?“

      „Ausgeschlossen. Und arabische Frauenzimmerwollen mit Kerlen, die wie Affen stinken, nichts zu tun haben.“

      Higgys Miene war zerknirscht. „Daß man dauernd in der Richtung verarscht werden muß!“ Er schüttelte Arwenacks Hand ab. „Los, lauf mal allein ein Stück weiter.“

      Arwenack senkte den Kopf und sonderte sich einen halben Yard ab. Er war nun mal ein sensibler Affe und verkroch sich am liebsten ganz, wenn seine Leute schlechte Laune hatten oder sich ein Bordgewitter anbahnte.

      „Sidi“, sagte der Araber vergnügt und zupfte an Carberrys Hemdsärmel. „Du Sklavin kaufen? Ein Zauber, sauber. Nicht teuer.“

      „Wir brauchen Proviant“, sagte der Profos mit einem Gesicht, als wolle er den Kerl auf der Stelle mit Haut und Haaren verschlingen.

      „Brot, Mehl, Fleisch und Fisch?“ fragte der Araber.

      „Ja.“

      „Ich haben. Ich führen.“

      „Na endlich.“ Carberry atmete auf, und sogar sein Gesicht wurde etwas freundlicher. „Das wurde aber auch Zeit. Los beeil dich, wir wollen den Kram endlich hinter uns bringen.“

      Der Araber setzte sich an die Spitze der Gruppe. Man tauchte in dem Gang unter, marschierte etwa fünfzig Schritte weit und stieg dann Treppenstufen hinunter, die in gähnende schwarze Finsternis führten.

      „Hoffentlich ist das keine Falle“, sagte Don Juan.

      „Ausplündern lassen wir uns nicht, keine Sorge“, brummte der Profos. Aber ganz geheuer war auch ihm die Sache nicht.

      „Wo ist Arwenack?“ fragte Paddy Rogers den Iren.

      „Weggelaufen“, erwiderte Higgy. „Aber der findet sich schon wieder an.

      Sir John hatte von der Profos-Schulter abgehoben und flatterte hinter dem beleidigten Affen her. Es war nicht das erste Mal, daß die Maskottchen der Seewolf-Crew ihre eigenen Wege gingen – beziehungsweise flogen. Man brauchte sich deswegen nicht zu sorgen. Sie fanden immer wieder zum Schiff zurück.

      Öllampen wiesen den Mannen der „Santa Barbara“ den Weg in die Tiefe. Sie blieben stehen und stellten fest, daß sie sich in einem riesigen Kellergewölbe befanden.

      Carberry hielt den Araber an der Schulter fest.

      „Was ist das hier?“ fragte er drohend. „Eine Kaschemme?“

      „Eine Markthalle, Sidi“, versicherte der Kerl treuherzig.

      „Wenn das nicht stimmt, kannst du schon jetzt dein letztes Gebet sprechen“, sagte der Profos.

      „Ich ehrlich“, sagte der kleine Dicke.

      Im dämmrigen Licht der Lampen schritten die Männer durch das Gewölbe und bogen um eine Ecke. Wieder verharrten sie unwillkürlich. Vor ihnen türmten sich Fässer, Kisten und Säcke. In einem schier unüberschaubaren Durcheinander von Waren standen weiße Männer und Araber.

      Es duftete nach Pökelfisch und Rosinen, nach Tee und Gewürzen. Einer der Männer – ein vollbärtiger Hüne wandte sich zu ihnen um und blickte den kleinen Dicken fragend an.

      Als dieser ihm ein beschwichtigendes Zeichen gab, lächelte der Mann und sagte: „Willkommen in Masquat.“ Er sprach portugiesisch.

      Sultan Quabus bin Said war ein großer, gutaussehender Mann um die Mitte der Vierzig, mit glattem Gesicht und durchdringend blickenden dunklen Augen. Wie versteinert war seine Miene an diesem Morgen, als er durch den Park seines Palastes schritt.

      Mustafa, sein wichtigster Berater, folgte ihm auf dem Fuß. Entsetzen und Bestürzung herrschten im Haus. Lähmende Furcht hatte die Haremsfrauen, die Eunuchen und Bediensteten gepackt. Keiner vermochte sich das Verbrechen zu erklären, das in der Nacht geschehen war.

      Schweigend betraten die beiden Männer das Frauenhaus. Mustafa hatte Sonderrechte – er war außer dem Sultan der einzige Mann, der hier ein- und ausgehen durfte. Quabus bin Saids Vertrauen in den hageren, wendigen Mann war absolut. Vor Jahren hatte er Mustafa das Leben gerettet. Mustafa war ihm dafür ewig dankbar.

      Weinen und klagende Laute erfüllten die Haremsgänge. Quabus bin Said schritt durch den Perlschnürenvorhang in eins der Gemächer und blieb vor der Frau stehen, die gekrümmt auf einem Kissenlager hockte. Sie hielt die Hände vors Gesicht gepreßt und schluchzte.

      „Zaira“, sagte der Sultan. „Du solltest endlich aufhören. Von deinem Weinen wird Lamia nicht wieder lebendig.“

      Zaira, eine vollbusige Brünette, stöhnte verzweifelt auf. Sie war es gewesen, die in der Nacht Lamia gefunden hatte – tot, in einer Blutlache, von mehreren Messerstichen durchbohrt. Zaira gehörte ebenfalls zu den Lieblingsfrauen des Sultans.

      Gemeinsam mit Lamia hatte sie in der Nacht ihren Herrn aufsuchen und beglücken sollen. Doch alles war ganz anders gekommen. Schreiend hatte Zaira Alarm geschlagen.

      Die Eunuchen hatten den Täter überall gesucht. Vergebens. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Es fehlte jegliche Spur von ihm.

      Mit tränenüberströmtem Gesicht sah die Frau zu ihrem Herrn auf.

      „Wer hat es getan?“ fragte sie mit bebender Stimme. „Wer kann so grenzenlos grausam und gemein sein?“

      „Ich werde den Mörder finden“, erwiderte der Sultan.

      „Wir werden ihn stellen“, sagte Mustafa.

      Zaira atmete tief durch. „Du hast uns alle verhört, o Herr“, sagte sie. „Aber es kann keiner von uns gewesen sein.“

      „Wer sonst?“ fragte der Sultan mit ruhiger Stimme. „Kein Mensch kann diesen Palast betreten, ohne daß er mir gemeldet wird. Sämtliche Ein- und Ausgänge werden Tag und Nacht bewacht.“

      „Trotzdem muß sich jemand eingeschlichen haben“, sagte Zaira.

      „Wie?“ wollte Mustafa wissen.

      Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

      „Wir werden Lamia bestatten“, sagte Quabus bin Said. „Dann werde


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