Seewölfe - Piraten der Weltmeere 357. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 357 - Frank Moorfield


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      „Vielleicht läßt er seinen Plan, auf der Schlangen-Insel eine Kneipe zu eröffnen, wieder fallen und wird Medizinmann bei den Timucuas.“

      Dan O’Flynn stöhnte.

      „Bring ihn bloß nicht auf diese Idee! Bei ihm ist man vor Überraschungen sowieso nicht sicher, und ich habe die Nase wirklich langsam voll mit all dem Wunderkram.“

      Smoky wollte noch etwas zur Verteidigung Old O’Flynns sagen, aber da wurden die Arwenacks ganz unerwartet in ihrer Diskussion unterbrochen.

      „Was sagst du da, du grüner Junge?“ tönte es vom Quarterdeck her. „Du redest verächtlich von ‚Wunderkram‘, obwohl du von diesen Dingen gar nichts verstehst? Wenn du dieses Wort noch mal gebrauchst, schnalle ich mein Holzbein ab und lasse es dir wie in alten Zeiten über den Buckel tanzen!“

      Ganz plötzlich war Old Donegal Daniel O’Flynn an der Querbalustrade aufgetaucht, die das Quarterdeck zur Kuhl hin abgrenzte. Niemand hatte bemerkt, daß er seine Kammer unter dem Achterdeck verlassen hatte und über das Quarterdeck marschiert war. Dort stand er jetzt, das granitharte, verwitterte Gesicht in tausend Falten gezogen und blickte auf die mampfende Schar hinunter, die sich wegen der frischen Morgenluft auf der Kuhl niedergelassen hatte.

      Ja, manchmal behandelte der rauhbeinige Alte seinen Sohn wie einen dummen Jungen, obwohl aus ihm längst ein erwachsener Mann geworden war. Aber Dan erschütterte das nicht weiter. Im übrigen wußte er sehr geschickt mit seinem Dad umzugehen. So entlockte ihm das plötzliche Auftauchen des Vermißten lediglich ein Grinsen.

      „Ist ja schon gut, Mister O’Flynn“, sagte er. „Willst du heute das Frühstück kalt werden lassen? Oder bist du krank, weil du so spät an Deck erscheinst?“

      „Ich und krank? Daß ich nicht lache! Und außerdem – Speck und Pfannkuchen sind noch lange nicht das Wichtigste auf der Welt, das werde ich euch beweisen, damit ihr endlich kapiert, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich der Mensch nicht träumen läßt. Die Timucuas verstehen davon tausendmal mehr als ihr!“

      Old O’Flynn deutete vielsagend auf den kleinen Lederbeutel, den er sich um den Hals gehängt hatte.

      Edwin Carberry, der bullige Profos mit dem Narbengesicht, verschluckte sich beinahe an einem Stück Speck.

      „Sag schon, was du auf dem Herzen hast, Donegal!“ rief er knurrend. „Ist dir wegen des neckischen Lederbeutels vielleicht ein Wassermann erschienen? Oder ist eine Meerjungfrau kichernd zu dir in die Koje geschlüpft, was, wie? Irgendeinen gewichtigen Grund muß es doch haben, wenn du dich freiwillig mit den Resten der Frühmahlzeit zufrieden gibst.“

      Old Donegal lächelte das Lächeln der Wissenden und präsentierte stolz sein Holzbein, indem er es so weit von sich streckte, daß alle es sehen konnten.

      „Na und?“ fragte er nach einer Schweigesekunde. „Ist das vielleicht das Werk einer Meerjungfrau?“

      Alle sahen es. Manche vergaßen das Kauen, einige, darunter Paddy Rogers, verzichteten auf einen weiteren Nachschlag, und fast allen fielen beinahe die Klüsen aus dem Kopf. Selbst Dan blickte sprachlos zum Backbordniedergang, wo der Alte sich wie ein siegreicher Feldherr in Positur gestellt hatte.

      „Du heiliger Bimbam!“ murmelte der abergläubische Smoky. „Donegals Holzbein – es – es schlägt aus – es treibt Blüten!“

      In der Tat – aus der Vorderseite des Holzbeins sproß deutlich sichtbar ein kleines Büschel Grünzeug.

      Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, setzte seine Muck ab und begann als erster schallend zu lachen.

      „Ich werd’ nicht mehr!“ japste er. „Donegals Holzbein blüht! Dabei habe ich das Ding selber geschnitzt, und zwar aus altem, abgelagertem Eichenholz. Da blüht nichts mehr, o nein, ganz gewiß nicht!“ Erneut schüttelte er sich vor Lachen.

      „Willst du wohl mit deinem schaurigen Gebrüll aufhören, du rotgelockter Ochse?“ schmetterte Old Donegal. „Reiß doch deine Klüsen auf, bevor du dummes Zeug redest, dann siehst du es selber – genauso wie alle anderen! Ist das vielleicht Einbildung, he?“

      Nun ja, alle konnten das Grünzeug deutlich sehen, das Donegals Holzbein zierte. Dennoch blieb die Mehrzahl mit beiden Füßen auf den Planken, auch Hasard, der an der Schmuckbalustrade des Achterkastells nur bruchstückhaft mitkriegte, um was es ging.

      Jetzt schob Edwin Carberry sein amboßartiges Rammkinn vor.

      „Willst du anständige christliche Seeleute für dumm verkaufen?“ rief er dröhnend. „Meinst du vielleicht, dein Ansehen steigt, wenn du dich – äh – als wandelnder Gemüsegarten ausgibst, was, wie?“

      Old O’Flynn wurde wütend.

      „Was sagst du da, du ungehobelter Kinderschreck? Einen ‚wandelnden Gemüsegarten‘ nennst du mich? Sag das noch mal, und ich ziehe dir mit meinem Holzbein samt Blüten einen Scheitel über deinen hirnrissigen Schädel!“ Demonstrativ stelzte er den Niedergang hinunter.

      Da mischte sich Ferris Tucker ein, der sich wieder etwas beruhigt hatte.

      „Jetzt hört doch auf zu streiten“, sagte er. „Dazu ist die Sache doch viel zu interessant. Wann hast du denn das Wunder festgestellt, Donegal?“

      Der Alte warf sich in die Brust.

      „Heute früh“, verkündete er und zog die Nase kraus wie ein englischer Lord. „Es muß während der Nacht passiert sein, denn gestern abend, als ich das Bein abgeschnallt hatte, war noch nichts zu sehen, dafür kann ich mich verbürgen.“

      „Hast du das Bein vielleicht im Jungbrunnen-Wasser gebadet?“ wollte Will Thorne, der grauhaarige Segelmacher, wissen. „Oder hast du während der Nacht den Lederbeutel draufgelegt?“

      „Nichts da!“ erwiderte Old Donegal. „Allein die Nähe des indianischen Amuletts muß ausgereicht haben für dieses Wunder!“

      Jetzt räusperte sich der Kutscher laut und vernehmlich. Er war bisher damit beschäftigt gewesen, einige leere Pfannen und Töpfe aufeinander zu schichten und hatte sich, während die anderen laut lachten, mit gemischten Gefühlen grinsten oder aber mit ernsten Blicken Donegals Holzbein bewunderten, wenig beeindruckt gezeigt.

      „Was ist jetzt, Mister O’Flynn?“ rief er ungeduldig. „Willst du heute auf dein Frühstück verzichten?“

      „Pah!“ erwiderte Old Donegal von oben herab. „Ein Mann wie ich steht über diesen Dingen.“

      „Auch gut“, sagte der Kutscher, „dann kann Plymmie ja den Rest übernehmen. Vor allem der leckere Speck wird ihr munden.“

      Doch jetzt hatte der alte O’Flynn plötzlich Einwände.

      „Wart’s doch ab, du Kombüsenmolch!“ sagte er giftig. „Ich habe ja nicht erklärt, daß ich nichts essen will. Aber du kannst doch angesichts des wundersamen Ereignisses nicht erwarten, daß ich wie ein gefräßiger Hai über deine Töpfe herfalle. Man muß doch schließlich erst mal das, was geschehen ist, geistig verkraften, bevor man an körperliche Genüsse denkt.“

      „Schön hast du das gesagt“, erwiderte der Kutscher. „Du hast dir körperliche Genüsse also doch nicht ganz abgewöhnt. Hätte ja sein können, daß du von jetzt an nur noch mit vornehmen Bilgengespenstern speisen willst. Komm endlich her und hau dir den Bauch voll, ich werde mir bei dieser Gelegenheit dein blühendes Holzbein mal näher ansehen.“

      Old Donegal Daniel O’Flynn stelzte hocherhobenen Hauptes über die Kuhl, ließ sich auf einer Taurolle nieder und legte seine Krücke daneben. Das Holzbein streckte er dabei weit von sich, damit alle es gebührend bewundern konnten.

      Mac Pellew starrte wie gebannt auf das Grünzeug.

      „Das – das ist doch …“ Er begann zu stottern.

      „Hör auf mit dem Gestammele“, unterbrach ihn Donegal. „Gib mir lieber was auf die Kumme, mir knurrt nämlich der Magen.“

      Mac


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