Seewölfe - Piraten der Weltmeere 290. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 290 - Frank Moorfield


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jetzt begriff man, warum Blacky für einige Minuten verschwunden war. Ohne ein Wort zu sagen, hatte er weitere Schußwaffen herbeigeschleppt, die er unter Deck gefunden hatte.

      Von den Piratenschiffen drang bereits lautes Geschrei herüber. Augenblicke später begann der Feuerzauber.

      Zunächst dröhnten Musketenschüsse durch die Nacht, dann mischte sich das Wummern der Tromblons dazwischen – jener gefürchteten Flinten, deren trichterförmig erweiterte Mündungen Blei und Eisen ausstreuten. Grelle Blitze zuckten durch die Nacht, rasch verbreitete sich der beißende Geruch des Pulverqualms über der Wasserfläche.

      Auch die Seewölfe blieben nicht untätig.

      „Feuer!“ befahl Ben Brighton.

      Und im selben Augenblick begannen auch auf der Schaluppe die Schußwaffen zu dröhnen. Ben, Ferris, Shane und Blacky hatten zuerst die Tromblons abgefeuert, weil deren fürchterliche Streuwirkung die Gegner am ersten in Deckung zwang. Gerade das war zunächst ihr Hauptanliegen – zumindest so lange, bis das Segel gesetzt war.

      Mehrfach versuchte Ben Brighton die vier Männer, die in den Wanten aufgeentert waren, angesichts des unerwartet massiven Angriffs zurückzupfeifen. Aber sie konnten ihn durch das Donnern und Fauchen der Waffen nicht hören. Außerdem dachten sie auch nicht daran, die Köpfe einzuziehen, denn sie waren sich darüber im klaren, daß sehr viel auf dem Spiel stand. Wenn sie sich nicht möglichst rasch von den Piratenschiffen trennten, würde man sie in Stücke schießen. Deshalb brachten sie ihre Arbeit trotz des hohen Risikos, von gehacktem Blei und Eisen getroffen zu werden, zu Ende.

      Ben, der mit den restlichen Männern hinter dem Steuerbordschanzkleid in Deckung gegangen war, stellte mit Erleichterung fest, daß die Schaluppe, deren Anker man bereits hochgehievt hatte, langsam abgetrieben wurde. In wenigen Augenblicken würde sie der „Louise“ und der „Coquille“ nur noch das Heck zuwenden und den Piraten damit zwangsläufig weniger Angriffsfläche bieten. Die Männer verzogen sich deshalb eiligst auf das Achterdeck. Von dort aus nahmen sie die Karavelle und das Flaggschiff weiter unter Beschuß.

      Als Jack, Paddy und Batuti damit begannen, die nötigen Segelmanöver auszuführen – Dan hatte die Ruderpinne übernommen –, atmete Ben Brighton fast hörbar auf. In erster Linie deshalb, weil keiner von dem waghalsigen Quartett einen Treffer abgekriegt hatte.

      Geschickt brachten die vier Männer die Schaluppe vor den rauhen Wind, der jetzt das Tuch füllte. Jedem an Bord fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, als der Einmaster raumschots auf den Ausgang der Bucht zusegelte – begleitet von einem Inferno aus Feuer und Musketendonner.

      Aber es sollte noch viel dicker kommen.

      Auf der „Louise“ und auf der „Coquille“ hatte man inzwischen die Stückpforten geöffnet und einige der schweren Culverinen ausgerannt. Schon kurze Zeit später rasten die ersten Geschosse fauchend und brüllend durch die mondhelle Nacht und klatschten in unmittelbarer Nähe der Schaluppe ins Wasser. Dabei rissen sie gischtende Fontänen auf.

      „Jetzt wollen sie’s wissen“, sagte Ferris Tucker mit Galgenhumor. „Und der Lärm wird das ganze Gesindel, das sich an Land herumtreibt, anlocken. Hoffentlich fällt unseren Leuten was Passendes ein, sonst haben wir in kurzer Zeit die ganze Meute am Hals.“

      „Ja, das kann lustig werden – sehr lustig“, meinte Big Old Shane. „Im Moment verholen wir uns zwar, aber wenn Grammonts Galgenvögel erst die Anker gelichtet haben, müssen wir echt die Köpfe einziehen, sonst gibt’s harte Beulen.“

      Batuti, der schwarze Mann aus Gambia, winkte geringschätzig ab, nachdem er sein Tromblon abgefeuert hatte.

      „Soll Batuti Eisenkugeln auffangen und Piraten an die Affenärsche donnern, Sir?“ fragte er zu Ben Brighton gewandt.

      Dieser fand trotz der brenzligen Situation Zeit für ein kurzes Lächeln.

      „Wenn uns gar nichts anderes mehr einfällt, Batuti, kannst du uns in dieser Kunst unterweisen. Zunächst aber schlage ich vor, daß wir die vier Minions, die wir an Bord haben, auf Vordermann bringen. Vielleicht gelingt es uns, den Kerlen ein wenig einzuheizen, bevor wir außer Schußweite sind.“

      Kaum hatte Ben ausgesprochen, da schlug eine Kanonenkugel in die Back. Die Schaluppe wurde durchgeschüttelt, als habe eine Gigantenfaust sie gepackt, dann flogen die Fetzen über das Deck. Noch einige Atemzüge später ging ein Splitterregen über den Seewölfen nieder.

      „Noch so ein paar eiserne Grüße“, meinte Dan O’Flynn, „und wir können selber ans Ufer schwimmen.“

      Nur wenig später wurde mit den Minions geantwortet. Die leichten Geschütze trugen Tod und Verderben zu den Piratenschiffen hinüber, zumindest ließen die Aufschreie, die dem Krachen und Bersten folgten, darauf schließen.

      Rasch luden die Seewölfe ihre Waffen nach, dann leckten erneut gierige Feuerzungen über das Schanzkleid der Schaluppe. Der rollende Donner der Geschütze pflanzte sich weit über die nachtschwarze Wasserfläche fort. Manchmal erinnerte er die Seewölfe an die heftigen Tropengewitter, die sie, vorwiegend im Gebiet der Amazonasmündung, weit weg am südamerikanischen Kontinent, kennengelernt hatten.

      „Feuer vorerst einstellen!“ befahl nun Ben Brighton. „Sie können uns kaum noch sehen. Deshalb sollten wir unseren Standort nicht weiter durch das Mündungsfeuer verraten.“

      Allen war aufgefallen, daß die Kanonenkugeln, die man ihnen nachschickte, immer weiter von dem kleinen Einmaster entfernt das Wasser aufspritzen ließen.

      Bis zur Ausfahrt aus der versteckten Bucht war es nicht mehr weit. Trotzdem waren sich Ben Brighton und die wenigen Männer seiner Einsatzgruppe darüber im klaren, daß die Sache noch lange nicht ausgestanden war.

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