Seewölfe - Piraten der Weltmeere 500. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 500 - Fred McMason


Скачать книгу

      „Es sind nicht fünfzig, sondern sechzehn“, sagte Carberry. „Und für das Verhalten von Sir John habe ich mich entschuldigt. Ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern.“

      „Hättest trotzdem besser auf ihn aufpassen sollen.“

      „Verdammt noch mal!“ rief Carberry unterdrückt. „Du hast ja mit dem ganzen Scheiß angefangen, aber das hast du inzwischen wohl vergessen. Wo ist denn dein Schiff, auf das du so gut aufgepaßt hast? Abgehauen ist der Mistkahn, weil du zu dämlich warst, um …“

      Der Kutscher berührte den aufgebrachten Profos sachte an der linken Schulter. Es sah ganz danach aus, als würde sich zwischen den beiden Dauerstreitern wieder mal ein heftiger Disput entwickeln. Aber den hatten sie im Moment nicht nötig. Es gab andere und wichtigere Dinge, nämlich die Realitäten, denen sie ins Auge sehen mußten.

      Der Kutscher war in extremen Situationen die Ruhe selbst, was er immer wieder unter Beweis gestellt hatte. Er griff auch meist schlichtend ein und schaffte es tatsächlich, die Kampfhähne wieder zu beruhigen. Der Kutscher hatte eben gute Nerven.

      „Es muß ja nicht unbedingt sein, daß ihr jetzt streitet“, mahnte er. „Wir haben zur Zeit wesentlich andere Sorgen. Da pullen sechzehn bis an die Zähne bewaffnete Kerle heran, die keine Skrupel haben, jemanden umzubringen. Angesichts dieser goldgierigen Schnapphähne wäre es doch wohl angebrachter, ein wenig über unsere keineswegs rosige Lage nachzudenken.“

      „Was gibt’s da noch zu denken?“ knurrte Carberry. „Entweder die Bastarde entdecken uns, oder sie finden uns nicht. Hast du vielleicht noch eine andere Lösung anzubieten, Kutscher?“

      „O ja, mein Lieber. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir uns jetzt verhalten, wenn die Kerle auf der Insel gelandet sind. Ergreifen wir die Initiative und greifen sie blitzartig an, oder verhalten wir uns einfach mucksmäuschenstill und rühren uns nicht?“

      „Hm“, murmelte der Profos nur.

      „Eine gute Entscheidung.“ Die Ironie im Tonfall des Kutschers war überdeutlich herauszuhören. „Wenn wir auf die Kerle einen Feuerüberfall veranstalten, verraten wir uns. Dann sind auch gleichzeitig die anderen Schnapphähne auf der Galeone gewarnt. Verhalten wir uns jedoch absolut still und ruhig, dann besteht durchaus die Möglichkeit, daß sie die Höhle gar nicht entdecken oder sie zumindest nicht beachten, denn immerhin liegt sie gut vier Yards hoch über dem Boden.“

      Edwin Carberry lenkte wieder ein.

      „Du meinst, die Kerle vermuten nicht, daß jemand in der Höhle hockt?“

      „Ja, das meine ich, eben wegen der Unzugänglichkeit der Grotte und ihrer Höhe.“

      „Andererseits“, sagte Carberry, „haben wir Waffen, Pulver und Kugeln genug, um den Bastarden kräftig einzuheizen. Wir haben Pistolen, Musketen, Tromblons und Blunderbusse.“

      „Ist mir hinlänglich bekannt“, entgegnete der Kutscher. „Aber wir werden nicht alle Kerle auf einmal erwischen, weil der Eingang zur Grotte stark eingeengt ist. Was nutzt es uns, wenn wir zehn von den Kerlen zum Teufel schicken. Dann können sich die restlichen sechs immer noch in Sicherheit bringen und zur Galeone gelangen. Dort werden sie dann weiter beraten, wie sie vorgehen.“

      Martin Correa, Stenmark und die beiden Dänen nickten.

      „Was der Kutscher sagt, klingt gut und vernünftig“, meinte Nils. „Es ist besser, sich ruhig zu verhalten. Stimmen wir doch einfach darüber ab.“

      „Ich stimme jedenfalls gegen den Profos“, sagte Old O’Flynn verbiestert. „Und das grundsätzlich aus Prinzip. Ich bin dafür, daß wir uns nicht rühren, sobald die Aasgeierbande anrückt.“

      Auch Stenmark und die Zwillinge waren dafür. Schließlich war auch der Profos überzeugt und einverstanden.

      „Gib doch zu, daß der Gedankengang des Kutschers vernünftig ist“, ereiferte sich Old O’Flynn schon wieder.

      „Sag’ ich doch die ganze Zeit. Verdammt noch mal, geh jetzt endlich von der Kiste runter, Donegal. Du hockst wie ein Aasgeier darauf. Nicht mehr lange, und Sir John wird jämmerlich ersticken.“

      „Ich bleibe auf der Kiste sitzen, sonst kriegt der Entenarsch es fertig und verrät uns ein zweites Mal. Der braucht nur einen seiner berüchtigten Flüche auszustoßen, wenn die Kerle in der Nähe sind. Zudem sind in der Kiste Löcher drin. Ihm passiert gar nichts.“

      „Plymmie wird uns auch nicht verraten“, sagte Hasard junior voller Überzeugung. „Ein Wort zur richtigen Zeit, und sie hüllt sich in vornehmes Schweigen.“

      „Ich wünschte, Sir John könnte auch vornehm schweigen“, sagte Old O’Flynn wieder, „aber der zieht es ja grundsätzlich vor, lieber unflätig zu krakeelen oder zu fluchen.“

      Sie waren sich jetzt alle einig. Sobald die Kerle hier vorbeischlichen, würden sie keinen Mucks von sich geben.

      „Sehr gut“, meinte der Kutscher. „Wir warten einfach ab, aber nur so lange, bis die Kerle tatsächlich Anstalten treffen, die Höhle zu untersuchen. Das können sie nicht ohne weiteres, denn dazu brauchen sie zumindest ein längeres Tau mit Enterhaken oder eine Jakobsleiter. Sie werden ganz sicher keine dabeihaben. Sollten sie aber Tauwerk oder Ähnliches holen, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihnen kräftig einzuheizen.“

      „Das ist ein Wort“, sagte Carberry. „Du bist doch ein kluges Kerlchen, Kutscher, und Nerven hast du wie Ankertrossen. Immer einen kühlen Kopf bewahren, was, wie?“

      „Aber immer“, versicherte der schmalbrüstige Mann mit der hohen Stirn. „Du solltest auch öfter mal daran denken und nicht immer so hitzig sein.“

      Der Kutscher warf wieder einen Blick durch den Spalt. Die Kerle waren jetzt sehr deutlich zu erkennen. Die meisten hatten die typischen Galgenvogelvisagen und waren unrasiert. Das war ein bunt zusammengewürfelter Schwefelhaufen. Manche, trugen nur Fetzen am Körper. Einer hatte eine turbanähnliche Kopfbedeckung auf, die er sich offenbar aus einem alten, vormals grünen Unterrock zusammengedreht hatte.

      Der größte Teil der Kerle war barfuß. Manche trugen nur eine Hose, die ihnen bis an die Knie reichte. Aber dafür waren sie bewaffnet, als wollten sie gleich in den Krieg ziehen.

      „Da ist noch etwas“, sagte Stenmark nachdenklich. „Sollten wir entdeckt werden und gezwungen sein, das Feuer zu eröffnen, dann sollten wir auch die beiden Jollen durchlöchern. Damit nehmen wir ihnen die Möglichkeit, eine Verbindung zur Galeone herzustellen. Sie können nicht mehr zurück, aber Unterstützung durch die anderen Halunken werden sie dann ebenfalls nicht erhalten. Das müssen wir mit der größten Gründlichkeit besorgen.“

      Martin Correa, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, stand von den Goldbarren auf und näherte sich ebenfalls dem verbarrikadierten Eingang der Höhle.

      „Sie haben noch eine weitere, allerdings kleine Jolle an Bord“, sagte er. „Sten hat aber recht: Wenn wir die beiden Jollen zerschießen, kriegen die Kerle eine Menge Schwierigkeiten, denn ich glaube kaum, daß sie schwimmen werden. Bei den Riffen wimmelt es von Haien, die sehr angriffslustig sind. Mit der kleinen Jolle können sie nicht viele Kerle auf einmal befördern. Wir hätten sie dann einigermaßen im Griff und unter Kontrolle. Also müssen sie von der Verbindung abgeschnitten werden.“

      Das fanden alle durchaus richtig, logisch und völlig in Ordnung.

      Wenn es zwischen der Galeone und den Kerlen am Strand keine Verbindung mehr gab, dann waren sie abgeschnitten und somit hilflos.

      „Dann ist ja alles klar“, sagte Carberry. „Wir mucksen uns nicht, und falls wir doch entdeckt werden, geben wir den Kerlen Zunder und durchlöchern ihre Jollen. Dann können wir sie uns schnappen, vorausgesetzt, es bleiben noch welche übrig.“

      Die Zwillinge, Hasard und Philip, hockten dicht am Eingang und hörten der Diskussion zu. Sie hatten bisher geschwiegen, überlegten und dachten mit, was ihre Situation betraf.

      „Darf ich mal etwas sagen?“


Скачать книгу