Seewölfe - Piraten der Weltmeere 407. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 407 - Frank Moorfield


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      „Ich bin gespannt, wie lange sich die Kerle noch in den Felswänden halten“, sagte Barba und verzog das wüste Gesicht zu einem Grinsen. Dem Aussehen nach glich er einem Schläger der übelsten Sorte, doch das täuschte, denn er war ein grundehrlicher und anständiger Kerl.

      „Sie müssen auf jeden Fall daran gehindert werden, noch weiter auf die Insel vorzudringen“, sagte Siri-Tong. „Wenn sie nämlich erfolgreich sind, werden sich noch weitere Dons zum Landen ermutigen lassen.“

      Ein kurzer Schrei ließ die Rote Korsarin herumwirbeln. Einer der Männer an den Culverinen war durch Steinsplitter verletzt worden. Er wand sich auf den Planken, sein zerfetztes Hemd verfärbte sich mit Blut.

      „Ich werde mich darum kümmern, Madam“, sagte Barba. Schon sprang der hünenhafte Mann über den Niedergang auf die Kuhl.

      Vom Felsentunnel her drohte zur Zeit keine Gefahr, denn er war immer noch unpassierbar wegen der beiden spanischen Kriegsgaleonen, die dort kollidiert und dann von der „Caribian Queen“ systematisch zusammengeschossen worden waren.

      Die Rote Korsarin ließ die gelandeten Soldaten nicht aus den Augen. Die Kerle hatten sich wie Katzen im Gestein verkrallt. Wie sie mit Genugtuung feststellte, gelangten sie im Augenblick nicht weiter. Das Drehbassenfeuer, für das Henry Scrutton vorbildlich sorgte, zwang sie immer wieder in Deckung.

      Der eine Trupp lag von der „Caribian Queen“ aus gesehen hinter den Steilfelsen des Westmassivs, der andere klammerte sich dort fest, wo der Kegel des Felsendoms seinen Ausläufer zu der schmalen Landbrücke hatte, die zum Westmassiv hinüberführte.

      Barba kehrte auf das Achterdeck zurück.

      „Nur einige Fleischwunden“, berichtete er. „Der Mann wird gerade verbunden.“

      „Dann hat er Glück gehabt“, sagte Siri-Tong erleichtert. „Steinsplitter können mitunter eine verheerende Wirkung haben.“

      Barba legte die rechte Hand über die Augen und blickte angestrengt zur Nordwestbucht hinüber. Auch ihm war aufgefallen, daß das Feuer der Spanier immer spärlicher wurde.

      „Was ist denn da los?“ murmelte er. „Den Kerlen geht doch wohl nicht das Pulver aus?“

      „Das ist kaum anzunehmen“, sagte Siri-Tong lächelnd. „Wahrscheinlich werden sie das Feuer gleich einstellen, um die Landungstrupps nicht zu gefährden. Die liegen jetzt nämlich dicht bei der Schußlinie. Es würde den Dons nicht gerade gut zu Gesicht stehen, wenn sie ihre eigenen Leute aus den Felsen schießen würden.“

      Barba grinste schadenfroh.

      „Da sie mit so viel Mühe da raufgeklettert sind, wäre das schlicht und einfach gesagt unverschämt, Madam.“

      Die Rote Korsarin lächelte wieder.

      „Auf jeden Fall werden wir ihre Feuerpause ein bißchen ausnutzen.“

      Barba sah sie erwartungsvoll an, als sie dem Stückmeister ein Zeichen gab.

      Henry Scrutton erschien wenige Augenblicke später auf dem Achterdeck.

      „Madam?“ fragte er. „Sollen wir den Burschen mal unsere schöne Seite zudrehen? Jetzt, da sie eine Feuerpause einlegen, wäre das gar nicht so riskant.“

      „Genau das ist meine Absicht, Henry“, erwiderte Siri-Tong. „Zumal mir nicht entgangen ist, daß das Flaggschiff eine weitere Jolle ausgesetzt hat. Noch wird sie von der Galeone verdeckt, aber ich bin davon überzeugt, daß sie bereits bemannt wurde. Sorge bitte dafür, daß im richtigen Moment sämtliche Steuerbordgeschütze einsatzbereit sind.“

      „Kein Problem, Madam, die Lunten brennen schon.“ Mit lachendem Gesicht enterte der Stückmeister wieder ab.

      Die Rote Korsarin gab mit wenigen Worten die entsprechenden Befehle.

      Wenig später wurde die Bugankertrosse gefiert. Da der Zweidecker vor Bug- und Heckanker lag, konnte der Nordostwind den Bug nach Backbord drücken. Dieses Manöver brachte die „Caribian Queen“ in eine Position, die es ihr ermöglichte, ihre Steuerbordgeschütze über die niedrige Landbrücke hinweg gegen die beiden Kriegsgaleonen einzusetzen.

      Die Spanier bemerkten diese Absicht wegen des dichten Pulverqualms viel zu spät. Als die grauschwarzen Wolken etwas aufrissen, hatte Henry Scrutton den Geschützmannschaften längst gesagt, was es jetzt zu tun gab.

      „Feuer!“ rief Siri-Tong. In ihren dunklen Mandelaugen blitzte es gefährlich auf.

      Die Männer an den Geschützen nahmen ihre Chance wahr. Auf der gesamten Steuerbordseite senkten sich die brennenden Lunten auf das Zündkraut. Das Feuer fraß sich zischend und knisternd durch die Kanäle und dann brach plötzlich und mit Urgewalt das Inferno über die spanischen Galeonen herein.

      An den Mündungen der Kanonenrohre blühten mächtige Feuerblumen auf. Der Rumpf der „Caribian Queen“ neigte sich hart um die Längsachse und riß an der Heckankertrosse. Das Schiff wurde bis in die letzten Verbände erschüttert. Dichter, beißender Qualm nahm der Crew eine Zeitlang die Sicht zur Nordwestbucht. Hingegen war das Krachen und Bersten von Holz deutlich zu hören. Wenig später war bereits zu erkennen, was geschehen war.

      Das Flaggschiff de Vallejos hatte seinen Bugspriet verloren. Er trieb zerfetzt im Wasser vor der Bucht, begleitet von den Trümmern, die die Kugeln ins Schanzkleid der Back gerissen hatten. Die andere Galeone hatte einige Treffer in den Rumpf der Backbordseite hinnehmen müssen. Leider jedoch über der Wasserlinie, wie Barba mit größtem Bedauern feststellte.

      Siri-Tong aber war zufrieden.

      „Gut gemacht!“ rief sie den Männern an den Culverinen zu. „Den Dons qualmen jetzt die Hosenböden!“

      So war es in der Tat, denn die Wuhling auf den Decks der beiden Kriegsschiffe war weder zu übersehen noch zu überhören. Die Spanier setzten jetzt alles daran, sich schleunigst aus dem Schußbereich des Zweideckers zu verholen.

      Lediglich der vor dem Überraschungsangriff abgefierten Jolle war es gelungen, das Feuer des Zweideckers zu unterlaufen und in die Nordwestbucht einzudringen. Dabei war für sie der Pulverqualm, der die Sicht stellenweise stark einschränkte, eine gute Tarnung gewesen.

      Barba knirschte laut und vernehmlich mit den Zähnen. Doch niemand an Bord konnte verhindern, daß es dieser dritten Jolle gelang, trotz des sofort einsetzenden Drehbassen- und Musketenfeuers, die Sperrkette zu überwinden.

      „Das müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir sie nicht am Schlafittchen kriegen würden“, sagte Barba. Aber so einfach, wie er sich das vorgestellt hatte, war den Landetrupps der Dons nicht beizukommen. Im Gegenteil – er und alle anderen, denen die Schlangen-Insel zur zweiten Heimat geworden war, sollten noch eine Menge Ärger mit ihnen kriegen.

       2.

      Schon kurze Zeit später raufte sich Barba erneut die Haare.

      „Verdammt und zugenäht!“ fluchte er. „Die Kerle befinden sich von uns aus gesehen in einem toten Winkel.“

      Die Rote Korsarin nickte.

      „Wie es aussieht, können wir kaum verhindern, daß sie unterhalb der Steilfelsen landen und sich den anderen Kerlen anschließen.“

      So geschah es auch. Die Spanier pullten buchstäblich um ihr Leben und stimmten ein triumphierendes Geschrei an, als sie merkten, daß sie sich nicht mehr im Schußbereich der Kanonen und Drehbassen befanden.

      Was immer die Männer auf der „Caribian Queen“ auch versuchten – sie konnten nur am Rand des zum Westmassiv gehörenden Steilfelsens vorbeischießen und damit verhindern, daß sich der jetzt größere Trupp, der ungefähr vierundzwanzig Mann umfaßte, an der Ostseite vorarbeitete, um in den westlichen Innenteil der Insel einzudringen.

      „Na schön“, sagte Barba. „Auf ein paar Dons mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an. Wenn es den Burschen Spaß bereitet, können sie meinetwegen


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