Seewölfe - Piraten der Weltmeere 267. Roy Palmer
Als es unerträglich für ihn wurde, begann de Faleiro, um Gnade zu betteln. Doch jetzt war es zu spät dafür – die beiden Franzosen verprügelten ihn nach Strich und Faden und mit sichtlicher Genugtuung, bis er besinnungslos wurde und regungslos vor ihnen am Boden lag.
Erst da erhoben sie sich und wischten sich den Schweiß von den Gesichtern.
„Von jetzt an hat der Bastard nichts mehr zu lachen“, sagte Marchais keuchend. „Jedesmal, wenn er sein Maul aufreißt, kriegt er was drauf.“
„Was Besseres haben wir ja nicht zu tun, oder?“ fragte Louis.
„Wie meinst du das?“
„Ich finde, wir sollten uns doch nach einer Höhle umsehen, es wird nämlich wirklich kalt. Oder willst du ihm umbringen?“
„Nein. Er könnte uns noch irgendwie dienlich sein. Vielleicht brauchen wir ihn, wenn wir irgendwann genug Holz zusammen haben, um ein Floß bauen zu können.“
„Ja, das könnte sein. Gehen wir also?“
„Meinetwegen.“ Marchais wandte sich von de Faleiro ab und schritt auf die Felsen von Marittimo zu. Louis folgte ihm.
Juan de Faleiro kam wieder zu sich, als die beiden längst zwischen dem Gestein verschwunden waren. Stöhnend schlug er die Augen auf, konnte das rechte Lid aber nur halb öffnen, weil die Wimpern verklebt waren. Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht, gab einen ächzenden Laut von sich und blieb dann auf dem Rücken liegen, weil die Schmerzen wenigstens etwas nachließen, wenn er sich nicht bewegte.
Er dachte über seine Lage nach. Marchais und Louis hatten ihm zu erkennen gegeben, daß sie mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten und ihn als den einzig Schuldigen an ihrem Schicksal betrachteten. Das war zwar eine bodenlose Gemeinheit, aber er verfügte nicht über das geringste Mittel, um sich Respekt zu verschaffen und etwas an ihrer Überzeugung zu ändern.
Was die dreckigen Tricks bei einer Schlägerei wie dieser betraf, da waren sie ihm überlegen. Sie waren alle drei waffenlos, Juan de Faleiro aber befand sich jetzt doppelt im Nachteil, weil er nämlich kein Faustkämpfer war und daher gegen die beiden nichts zu melden hatte. Sie hatten sich an ihm ausgetobt, ließen ihn einfach liegen und suchten sich einen Unterschlupf für die Nacht. Was aus ihm wurde, war ihnen völlig gleichgültig.
De Faleiro erstickte fast vor Wut über seine Hilflosigkeit. Er hieb mit den Fäusten in den Sand, hielt dann aber inne, weil sich die Schmerzen sofort wieder meldeten, besonders in seinem Kopf.
Bald wich sein Zorn einem tiefen, alles beherrschenden Selbstmitleid. Wie tief war er nur gesunken, was aus ihm geworden? Er war dazu verdammt, sich mit zwei Ratten herumzuschlagen, er, der Kapitän einer stolzen spanischen Galeere! Hätte er jetzt eine Peitsche gehabt, da hätte er ihnen gezeigt, was in ihm steckte. Doch er war ihnen ausgeliefert, und wenn sie ihn töten wollten, etwa mit Steinen erschlagen oder in der Bucht ersäufen, so konnte er sich auch dagegen nicht wehren.
Am liebsten hätte er vor Verzweiflung geweint, doch er bezwang sich. Vielleicht beobachteten ihn die beiden Hurensöhne von den Felsen aus und lachten sich halb tot über ihn. Nein, diese Blöße wollte er sich nicht geben.
Mühsam erhob er sich und schleppte sich zum Wasser. Er stolperte in die leise rauschende, nach seinen Füßen leckende Brandung, schöpfte mit seinen Händen etwas von dem Naß und ließ es sich übers Gesicht rinnen. Das Salzwasser brannte zwar in seinen Kratz- und Schürfwunden, doch er ertrug es mannhaft, denn lieber nahm er dieses teuflische Brennen hin, als daß er unter der drohenden Wahrscheinlichkeit lebte, die Blessuren könnten sich entzünden und ihm ein heftiges Fieber bescheren. Oft genug hatte er Männer wegen geringfügiger Wunden erkranken und sterben sehen. Der Schmutz, der sich in den Verletzungen einnistete, brachte das Fieber, und das Fieber leitete den gefürchteten Wundstarrkrampf ein. Seewasser hingegen hatte eine desinfizierende Wirkung, wie ihm einmal ein Arzt in Barcelona erklärt hatte.
So wusch sich de Faleiro mit Hingabe und hörte erst auf, als er pudelnaß im flachen Wasser stand. Er kehrte wieder um und schritt langsam über den grauen Strand, der sich im Dunkeln in eine schwärzliche Masse verwandelt hatte.
Er malte sich aus, was für ein Bild des Jammers er in seinem zerschundenen Zustand wohl bieten mochte, und wieder befiel ihn das Selbstmitleid. Gebückt schlich er bis zu den Felsen.
Die Insel schien wirklich unbewohnt zu sein und nur aus nackten Felsen zu bestehen, also hatte es keinen Sinn, nach einer Behausung zu forschen oder nach Menschen, die ihm vielleicht Unterkunft, Essen und Trinken anboten und ihn wieder ein bißchen hochpäppelten.
Juan de Faleiro blieb nichts anderes übrig, als sich zwischen den Felsen zu verkriechen. Es fröstelte ihn, er nieste und hustete. Zum Zudecken hatte er nichts, also konnte er sich nur zusammenrollen, so gut es ging, und zu schlafen versuchen. In seinem ramponierten Zustand, von Schmerzen und Wut geplagt, war es nicht leicht, Ruhe zu finden, aber schließlich nickte er doch ein.
Marchais und Louis hatten unterdessen in den höheren Regionen der Insel eine Höhle entdeckt. Hier richteten sie sich so häuslich wie möglich ein, und so verbrachten sie die Nacht immerhin um einiges besser als der Spanier. Was der neue Tag bringen würde, wußte keiner der drei, doch großen Hoffnungen darauf, daß vielleicht ein Schiff auftauchen und Kurs auf Marittimo nehmen würde, gaben sie sich nicht hin.
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