Seewölfe - Piraten der Weltmeere 333. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 333 - Frank Moorfield


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seih menschenverachtendes Gebaren.

      „Verzeihung, Capitán“, sagte er. „Was geschehen ist, können wir nicht mehr ändern. Die ‚Vencedor‘ hat einige üble Schäden. Sobald der Sturm nachläßt, werden wir sie wieder in Ordnung bringen. Ich finde nur, daß wir künftig mehr auf die Sicherheit der Mannschaft achten sollten. Die zwei Decksleute, die über Bord …“

      „Bleiben Sie beim Wesentlichen!“ unterbrach ihn der Generalkapitän unwirsch. „Es geht jetzt nicht um das selbstverschuldete Unglück zweier Kerle, die nicht genug aufgepaßt haben, sondern um die Zukunft meines Schiffes. Niemand kann absehen, wie lange dieser verdammte Sturm noch anhält und welche Überraschungen er uns noch beschert. Es wird deshalb Zeit, daß eine vernünftige Entscheidung getroffen wird.“

      Gozálbez nickte verärgert.

      „Der Meinung bin ich auch, Capitán“, sagte er. „Ich frage mich zum Beispiel schon lange, warum wir nicht auf Biegen und Brechen versuchen, mit der ‚San Mateo‘ und den anderen Schiffen Kontakt zu halten. Im Verband ist es doch viel einfacher, die Sturmschäden zu beseitigen.“

      „So? Meinen Sie?“ fragte de Fernández schnippisch. „Wer garantiert Ihnen denn, daß die ‚Vencedor‘, die ohnehin schon ziemlich angeschlagen ist, dieses Unwetter heil übersteht?“

      „Niemand natürlich …“

      „Na also!“ fuhr der Generalkapitän fort. „Ich bin ein Mann der Realitäten und lege deshalb keinen Wert darauf, das Glück herauszufordern. Mein Bestreben ist, stets sinnvoll und vernünftig zu handeln und zu entscheiden.“ Er nahm einen weiteren Schluck aus der Rumflasche, ohne jedoch seinem Ersten davon anzubieten.

      Gozálbez kniff die Augen zusammen.

      „Und wie sieht eine solche vernünftige Entscheidung Ihrer Meinung nach aus, Capitán?“ fragte er kühn.

      „Ganz einfach“, erwiderte der Generalkapitän. „Meiner Meinung nach ist es richtig und sinnvoll, wenn wir nach Flores zurückkehren. Genau das werden nämlich auch die anderen Kapitäne unseres Verbandes tun, davon bin ich überzeugt.“

      Jorge Aurelio Gozálbez hieb erbost mit der flachen Hand auf den Tisch.

      „Aber das ist ein enormer Zeitverlust, Capitán!“

      Die Augen des kleinen, rundlichen Generalkapitäns funkelten böse.

      „Zügeln Sie Ihr Temperament, Señor Gozálbez! Sie sprechen hier mit einem Generalkapitän der spanischen Kriegsflotte, falls Sie das noch nicht begriffen haben sollten. Und was den Zeitverlust betrifft, so ist es vernünftig, diesen in Kauf zu nehmen, zumal die Reise über den Atlantik gerade erst begonnen hat und die Sturmschäden mit unseren Bordmitteln ohnehin nur unzureichend zu beheben sind.“

      Der Erste beherrschte sich nur mühsam.

      „Ich will Sie nicht beleidigen, Capitán“, stieß er mit zornrotem Gesicht hervor, „aber ich bin in diesem Punkt nicht Ihrer Meinung. Wir können in diesem Sturm nicht einfach den Verband, für den wir verantwortlich sind, im Stich lassen, nach Flores zurückkehren und einfach darauf hoffen, daß die anderen Kapitäne ebenso handeln.“

      „Wollen Sie sich meinen Anweisungen und Entscheidungen widersetzen?“

      „Natürlich nicht, Capitán. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, daß es für die Rückkehr der ‚Vencedor‘ nach Flores noch einen ganz anderen Grund gibt.“

      De Fernández warf ihm einen tückischen Blick zu.

      „Interessant!“ sagte er dann. „Dürfte ich diesen Grund vielleicht auch erfahren?“ Er fügte seiner Frage ein höhnisches Lächeln hinzu.

      „Ich bin davon überzeugt, daß Sie diesen Grund kennen“, antwortete Gozálbez. „Nur sollten Sie wissen, daß auch ein Offizier Augen im Kopf hat. Mir jedenfalls ist nicht entgangen, daß beim Untergang der ‚Confianza‘ einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.“

      „Was, zum Teufel, wollen Sie damit sagen?“ De Fernández brauste auf. „Los, reden Sie schon! Was ist Ihrer Meinung nach nicht mit rechten Dingen zugegangen?“

      „Darüber möchte ich mich jetzt nicht auslassen, Capitán. Aber unser Stückmeister, Señor Rabel, weiß darüber wohl besser Bescheid als ich.“

      Gozálbez erinnerte sich sehr genau an das Gefecht mit dem englischen Verband. Er hatte nicht den Eindruck gehabt, daß die Engländer unbedingt auf einen Schlagabtausch ausgewesen waren. Vielmehr war es de Fernández gewesen, der die Konfrontation mit den englischen Schiffen gesucht hatte. „Angriff ist die beste Verteidigung!“ Das war seine Devise gewesen.

      Schon deshalb war er mit de Fernández zusammengeraten und hatte natürlich gegen den allmächtigen Generalkapitän den kürzeren gezogen. Wenn die Meinungen auseinandergingen, pflegte de Fernández ganz einfach „kraft seiner Autorität“ zu entscheiden.

      Außerdem hatte Gozálbez nicht vergessen, daß kurz vor dem Angriff auf die Engländer Jaime Rabel in die Kapitänskammer gerufen worden war, was den sonstigen Gepflogenheiten an Bord widersprach. Nie zuvor hatte der Generalkapitän vor einem Gefecht Heimlichkeiten mit seinem Stückmeister gehabt.

      Noch merkwürdiger waren allerdings die Vorgänge, die während des Kampfes zum Untergang der „Confianza“ geführt hatten. Den Fangschuß, soviel stand für ihn fest, hatte sie jedenfalls nicht aus den Geschützen des englischen Schiffes gekriegt. Irgend etwas stimmte da nicht, und er war nun einmal nicht der Typ, der sich gern für dumm verkaufen ließ, auch wenn er im allgemeinen ein recht phantasieloser Mann war, der nichts anderes als seine Pflicht tat. In dieser Sache jedoch brauchte man keine besondere Phantasie, denn sie stank von sich aus zum Himmel.

      Tausend Gedanken wirbelten Gozálbez durch den Kopf, während ihm der Generalkapitän wie ein sprungbereiter Löwe gegenüberstand.

      „Ich verbiete Ihnen, so mit mir zu reden!“ brüllte de Fernández außer sich vor Wut. „Was fällt Ihnen ein? Hören Sie neuerdings die Flöhe husten? Was Sie hier vorbringen, sind unverschämte Unterstellungen und Verdächtigungen, die sich letzten Endes auf meine Person beziehen! Obwohl Sie nicht in der Lage sind, klar zu sagen, um was es sich eigentlich handelt, behaupten Sie, irgendwelche geheimnisvollen Vorgänge bemerkt zu haben! Außerdem unterstellen Sie mir, aus eben diesen mysteriösen Gründen den Verband verlassen und nach Flores zurückkehren zu wollen. Dabei wissen Sie so gut wie ich, daß der derzeitige Zustand der ‚Vencedor‘ den Ausschlag für meine Entscheidung gegeben hat.“

      „Aber Capitán …“

      „Halten Sie den Mund, Gozálbez!“ Die Stimme des Generalkapitäns überschlug sich. Sein rundes Gesicht war krebsrot vor Wut. „Wie können Sie wagen, mich mitten im dicksten Sturm mit leerem Geschwätz aufzuhalten? Wissen Sie, wie ich so etwas nenne? Es gibt nur ein passendes Wort dafür: Meuterei! Wenn Sie sich noch ein einziges Mal erdreisten, sich mit Verleumdungen und Unterstellungen gegen meine Entscheidungen aufzulehnen, dann lasse ich Sie in Ketten legen, jawohl!“

      Der Erste sah plötzlich rot. Er vertrug in der Regel eine ganze Menge, aber er konnte auf den Tod nicht ausstehen, wenn man ihn wie einen kleinen Rotzjungen zusammenputzte. Außerdem war er nach wie vor von der Stichhaltigkeit seiner Vermutungen überzeugt. Nur hatte er eben mit seinen offenen und vielleicht auch etwas voreiligen Worten in ein Hornissennest gestochen.

      „Ich muß Ihre Worte zurückweisen, Capitán!“ brüllte er los und ballte drohend die Hände. „Sie wissen ganz genau, daß ich kein Meuterer bin …“ Doch weiter gelangte er nicht, denn die Auseinandersetzung, die nahe daran war, auszuufern, wurde plötzlich durch einen gellenden Ruf unterbrochen.

      Der Zweite Offizier trat triefendnaß und keuchend durch das Schott.

      „Capitán!“ rief er. „Zwei Luken waren nicht richtig verschalkt. Einige Männer müssen an die Pumpen!“

      „Verflucht!“ stieß Ramón Firuso de Fernández hervor. „Hat sich denn heute alles gegen mich verschworen?“ Ohne Gozálbez noch eines Blickes zu würdigen,


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