Seewölfe - Piraten der Weltmeere 152. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 152 - Kelly Kevin


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      Impressum

      © 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-476-0

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

      1.

      „O Lord!“ sagte der dicke Nathaniel Plymson.

      Er stand an einem der winzigen Fensterchen, durch die Licht und manchmal auch frische Luft in die Schenke drangen. Die Schenke trug den schönen Namen „Bloody Mary“ und lag an der Ecke Millbay Road – St. Marys Street in Plymouth. Für den dicken Nathaniel Plymson war sie eine Goldgrube, auch wenn er selber manchmal behauptete, daß sie der letzte Nagel zu seinem Sarg sei. Vor allem, wenn gewisse Leute wieder im Lande waren, zu deren Gewohnheiten es gehörte, Kneipeneinrichtungen zu Kleinholz zu verarbeiten.

      Nathaniel Plymson hatte gerade das Bein eines wackelnden Tisches verkeilt, eines funkelnagelneuen Tischs, der das Brennholz ersetzte, das von seinem Vorgänger übriggeblieben war. Um Brennholz für das Kaminfeuer brauchte sich der dicke Plymson überhaupt vorerst nicht mehr zu sorgen. Dafür war sein Bestand an heilen Stühlen auf einen schäbigen Rest zusammengeschrumpft, und der Tischler von Plymouth konnte sich die Hände reiben.

      Seufzend tastete Nathaniel Plymson nach seiner schönen blonden Perücke.

      Die war auch neu. Plymson brauchte jedesmal eine neue Perükke, wenn die Seewölfe von der „Isabella VIII.“ in die „Bloody Mary“ einfielen. Nicht, daß der dicke Wirt etwa kein Talent gehabt hätte, im richtigen Moment den Kopf einzuziehen. Aber der Mensch hängt nun einmal an lieben alten Gewohnheiten, und für die Männer Philip Hasard Killigrews war es eine besonders liebe alte Gewohnheit, Plymsonsche Perükken zu ruinieren.

      „O Lord“, wiederholte der Dicke mit einem abgrundtiefen Seufzer.

      „Hä?“ fragte sein einziger Gast, der Eddy Smith hieß und mit seinem Rundschädel, den vorstehenden Augen und den schlaksigen Gliedern wie der Urenkel eines Kraken aussah.

      „Sie kommen!“ verkündete Nathaniel Plymson düster.

      „Wer kommt?“ fragte Eddy Smith, dem es allein in der „Bloody Mary“ sowieso langweilig war.

      „Die Seewölfe“, sagte Nathaniel Plymson.

      „He! Wölfe? Spinnst du?“

      Eddy Smith hatte schon ein bißchen viel von dem Selbstgebrannten getrunken, den Plymson unverfroren Whisky zu nennen pflegte. Eddy war es egal, wie das Zeug hieß, solange es schön scharf schmeckte und man davon besoffen wurde. Neugierig geworden schwankte er von dem langen Schanktisch zu der Nische am Fenster, um ebenfalls einen Blick auf die „Wölfe“ zu werfen.

      Ein bißchen enttäuscht stellte er fest, daß sie ziemlich menschenähnlich wirkten.

      Allerdings: der Riese mit dem wüsten Narbengesicht, dem Amboßkinn und dem Brustkasten wie ein Bierfaß sah aus, als sei es besser, ihm nicht zu begegnen. Der schlanke junge Mann mit dem blonden Haar und den blauen Augen hatte tatsächlich etwas von der sehnigen Zähigkeit eines Wolfs. Und der dritte – du lieber Himmel, der trug statt der fehlenden rechten Hand einen stählernen, bedrohlich blitzenden Haken, mit dessen scharfgeschliffener Spitze er sich gerade ausgiebig hinter dem Ohr kratzte. Von den vier Männern, die da über den Kai auf die „Bloody Mary“ zuschlenderten, sah eigentlich nur einer nicht besonders beunruhigend aus: der magere schwarzhaarige Junge mit den unternehmungslustig funkelnden Augen. Aber wenn er in Gesellschaft von drei Wölfen wie denen dort aufkreuzte, konnte er auch nicht so ohne sein, wie Eddy Smith sehr richtig vermutete.

      „Wer is’n das?“ nuschelte er, während er sich wieder zu seinem Selbstgebrannten trollte.

      „Seewölfe“, wiederholte Nathaniel Plymson. „Vier aus der Crew dieses Satansbratens Killigrew, den sie Seewolf nennen. Höllenhunde sind das, sage ich dir. Wo die auftauchen, fliegen die Fetzen. Fünf Jahre haben sie sich nicht mehr in England sehen lassen. Und kaum sind sie zurück von ihrer Weltumsegelung, legen sie mir die Kneipe in Trümmer! Eine Schande ist das! Eine verdammte Schande!“

      Nathaniel Plymson sah aus, als wolle er gleich weinen. Eddy Smith hatte sich inzwischen in ein Stadium von Milde und Besinnlichkeit hineingetrunken und seufzte teilnahmsvoll.

      „Warum läßt du sie denn ’rein, wenn sie dir die Kneipe in Trümmer legen?“ erkundigte er sich.

      „Und dann meine Perücke“, murmelte Plymson erbittert. „Jedes verdammte Mal ruinieren sie mir meine Perücke. Der Teufel soll sie lotweise holen. Lotweise, jawohl!“

      „Und warum läßt du die Kerle dann ’rein?“ fragte Eddy Smith mit der Beharrlichkeit des Angesäuselten.

      Nathaniel Plymson schoß ihm einen vernichtenden Blick zu.

      „Dämliche Frage! Die Seewölfe, Mann! Wenn die den Hund von der Kette lassen, fließt hier in einer Nacht mehr Wein und Whisky als sonst im ganzen Monat. Und was sie mir zertöppern, das bezahlen sie gleich doppelt und dreifach. Die können mit dem Gold nur so um sich schmeißen, sage ich dir – schließlich weiß jedes Kind, daß sie mit ’nem ganzen Schiffsbauch voller Schätze zurückgekehrt sind. Denen ist nichts zu teuer, wenn sie einen Spaß haben wollen. Gentlemen sind das, du Esel, richtige Gentlemen!“

      Eddy Smith spitzte die Ohren.

      Daß Plymson die „Gentlemen“ eben noch als Höllenhunde und Satansbraten bezeichnet hatte, fiel ihm nicht weiter auf. Er hatte nur das Wort „Schätze“ gehört. Eddy Smith war nämlich beileibe kein ehrbarer Bürger, sondern ein Erzhalunke, und das Wort Schätze wirkte auf ihn ungefähr so wie eine Flasche Baldrian auf einen streunenden Kater.

      „Mann!“ staunte er. „’ne Schiffsladung Gold? Ehrlich?“

      „Gold und Silber und Perlen und Edelsteine“, schwärmte Nathaniel Plymson. Das hatte er zwar nur gerüchteweise erfahren, aber schließlich gehörte es zu den vornehmsten Aufgaben eines Kneipenwirts, Gerüchte mit den passenden Ausschmückungen weiterzuverbreiten. In der „Bloody Mary“ floß nicht nur Alkohol, sondern auch ein sprudelnder Quell aller möglichen Neuigkeiten. Von hier aus wanderten sie meist in die Barbierstuben, dann weiter zum heimischen Herd, wurden von treusorgenden Ehefrauen auf den Marktplatz getragen, und wenn sie am Ende wieder in der „Bloody Mary“ landeten, erkannte Plymson sie meistens nicht mehr wieder und ging daran, sie als ganz neue Geschichten weiterzuerzählen.

      Aber daß die „Isabella VIII.“ von ihrer Weltumsegelung einen Haufen Schätze mitgebracht hatte, stand so fest wie der Tower in London. Und der stand sehr fest.

      Eddy Smith kratzte sich heftig hinter dem rechten Ohr.

      Gespannt lauschte er den Schritten, die über das Katzenkopfpflaster klapperten. Dann flog die Tür auf, und herein spazierten vier von den „Gentlemen“, die von Zeit zu Zeit für eine Renovierung der „Bloody Mary“ sorgten.

      Diesmal sahen sie


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