Seewölfe - Piraten der Weltmeere 524. Davis J.Harbord

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Rotanseilen zusammen. Nägel kannte man nicht.

      Tagsüber verliefen Bambusstege zum Land und von Hütte zu Hütte. In der Nacht holte man die Stege ein. Aber das war kein Hindernis für Beeveren und seine Kerle, die jetzt verschnauften, aber bereits glitzernde Augen hatten. Was in deren wüsten Köpfen zur Zeit vor sich ging, konnte sich Beeveren ausmalen – er dachte in ähnlichen Bahnen, aber Schnaps war Schnaps, Weiberchen waren Weiberchen – jetzt gab es Wichtigeres zu tun. Den Spaß konnte man im Inselkastell nachholen.

      Leise sagte Beeveren – sie waren noch an die fünfhundert Yards von den Pfahlbauten entfernt: „Hört zu, ihr kleinen Teufelchen! Die Weiber sparen wir uns auf, bis wir im Kastell sind. Wichtig sind für uns zuallererst die drei größeren Ausleger – jene mit dem vorderen Dreibeinmast, die Langboote, die von diesen Affen ‚Balanghais‘ genannt werden. Die werden zuerst beschlagnahmt und besetzt. Das besorgen jeweils drei Mann, die sich die Dinger schnappen und sofort zum Land bugsieren.“ Er teilte neun Kerle für diese Aufgabe ein.

      „Die anderen“, fuhr er fort, „werden mit je vier Mann die sechs Hütten entern und die Weiberchen aussortieren, die wir mitnehmen. Ich bitte mir knackige Weiberchen aus, keine alten Tanten mit flachen Brüsten, Runzeln und zahnlosen Schnuten. Damit das klar ist.“

      Das war die richtige Ansprache für diese Kerle, ihr Grinsen zeigte das. Einem neutralen Beobachter hätte es bei diesem Grinsen gegraust.

      „Was die anderen Affen betrifft“, sagte Beeveren und spuckte nach links, „da tut euch keinen Zwang an. Wer das Maul aufreißt, der kriegt was drauf, wie sich das gehört. Na, ihr wißt schon – mit einem Messerchen kann man vieles regeln. Geschossen wird nicht, ich will keinen Krach. Wir waten bei den Hütten ins Wasser und schwimmen hinüber, lautlos, versteht sich. Erst wenn wir alle an den Plattformen sind, wird geentert. Ich gebe dafür das Zeichen. Noch Fragen?“

      Sie schüttelten die Köpfe. Unternehmen wie dieses hatten sie oft genug durchgeführt, und sie wußten, was zu tun war. Im Handwerk der Gewalt hatten sie alle mehrfach ihren Meisterbrief erworben und ihre Prüfungen bestanden.

      Ihr Innungsmeister nickte ihnen zu, und sie schlichen binnenwärts des Strandgebüschs weiter, bis sie die Pfahlbauten querab hatten. Dort legten sie Musketen und Pistolen sowie ihre Segeltuchbeutel mit dem Proviant ab und behielten nur die Blankwaffen bei sich.

      Nachdem sie sich auch ihrer Stiefel entledigt hatten, verteilten sie sich, überquerten den Strand und wateten ins Wasser. Noch lag die Morgenstille über dem Golf. In einer knappen Stunde würden die Vögel zu lärmen beginnen und den neuen Tag verkünden, einen Tag wie jeden anderen, nur für die Badjao nicht, die ein holländischer Kapitän und Schlagetot „Affen“ nannte.

      Sie wateten, bis ihnen das Wasser über die Brust stieg. Dann schwammen sie – sechs Gruppen, die sich den Pfahlbauten unaufhaltsam näherten.

      In den Hütten regte sich nichts. Sie waren zu sorglos, diese Badjao, obwohl sie gesehen hatten, daß die Schiffe der Fremden an der Küste entlang in den Golf gesegelt waren – das große Schiff mit den drei Masten und später die vier kleineren Schiffe mit dem einen Mast.

      Und sie hatten auch von Norden her das dumpfe Geräusch der Rohre gehört, die Feuer ausspuckten, Feuer und Kugeln aus Eisen. Igna, der Alte, hatte bedächtig gemeint, es sei wohl wieder an der Zeit, weiterzuziehen, dorthin, wo sich noch keine weißen Fremden gezeigt hätten. Er vermied es, diese Fremden Teufel zu nennen.

      Sie hatten genickt und Ignas Rat erwogen. Sie kannten keine Tage oder Monate oder Jahre. Sie fühlten sich eingebunden in den ewigen Kreislauf der Natur, die ihnen alles gab, was sie brauchten. Und sie brauchten nicht viel, weil sie genügsam und anspruchslos waren. Sie lebten von den Früchten des Meeres, von den Wurzeln der Maniokgewächse und von Kokosnüssen. Ihre Gemeinschaften bestanden aus Familiengruppen, die sich in mehr oder weniger großer Anzahl zusammengetan hatten, ohne einen direkten Häuptling zu haben. Hier waren es sechs Familien mit durchschnittlich acht Mitgliedern.

      Nein, sie ahnten nichts, auch wenn ihnen die weißen Fremden nicht geheuer waren. Aber sie würden ja in den nächsten Tagen mit ihren Booten weiterziehen, vielleicht hinüber zum Golf von Moro und dann in die Inselwelt des Sulu-Archipels. Sie hatten keine Eile. Sie wollten nichts von den Fremden, und sie erwarteten, daß auch die Fremden von ihnen nichts wollten. Man mied sie, das war alles.

      Beeveren langte bei einer der mittleren Pfahlbauten an, hielt sich an einem Pfosten fest und blickte nach links und rechts. Als er sah, daß die jeweils drei Kerle bei den Balanghais waren, bedeutete er ihnen, die Fahrzeuge von den Leinen zu lösen und zum Strand zu bugsieren.

      Sie kappten die Leinen mit ihren Messern, richteten die Boote auf den Strand aus und schoben sie vor sich her strandwärts. Da war nur ein leises Plätschern zu hören, mehr nicht. Es reichte nicht aus, die „Affen“ zu alarmieren. Beeveren wartete, bis die drei Balanghais den Strand erreicht hatten. Seine restlichen Kerle hatten sich inzwischen um die sechs Pfahlbauten verteilt, jeder auf einer anderen Seite der jeweiligen Plattform, so daß sie sich gegenseitig nicht behindern würden, wenn sie sich hochschwangen.

      „Enter auf!“ brüllte Beeveren.

      Sie schnellten aus dem Wasser, stemmten sich an den Kanten der Plattform hoch, warfen sich vor, zogen die Beine nach und herum und sprangen Sekunden später auf, die Messer wieder in den Fäusten, die sie vorher zwischen die Zähne geklemmt hatten.

      Sie fackelten nicht lange. Zwei Hiebe mit dem Messer genügten, um die Rotanseile zu durchtrennen, die als Türangeln dienten. Dann reichte ein Fußtritt, um die Tür aus Bambusstäben ins Hütteninnere zu befördern.

      Was folgte, war an Brutalität und Menschenverachtung kaum zu überbieten. Sie griffen wahllos zu, zerrten die Überrumpelten, die viel zu verängstigt waren, um sich zu wehren, an den Haaren hinaus auf die Plattform, begutachteten das Opfer – da sich ihr Kapitän ja „knackige Weiberchen“ ausgebeten hatte – und stießen es ins Wasser, wenn sie es als „unbrauchbar“ taxierten. In der Regel waren das die Alten, die Kinder und die Männer. Die Kinder schleuderten sie schwungvoll davon – sie schwenkten sie an den Füßen durch die Luft. Und auch die Messer setzten sie ein, obwohl nicht der geringste Widerstand geleistet wurde.

      Sie johlten und wieherten und grölten und lachten. Sie gleichfalls als Affen zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung für diese Tiergattung gewesen.

      Die Badjao waren ausgezeichnete Schwimmer und Taucher – von klein auf. Auch die Verletzten schafften es, den Strand zu erreichen, abseits der neun Kerle am Wasser, die nur darauf lauerten, ebenfalls mitzumetzeln. Nur die Toten trieben ab und sanken.

      Igna, der Alte, aber ein zäher Alter, überlebte mit einem Messerstich in der Schulter. Er sammelte seine Leute, kümmerte sich um die Kinder und führte alle in tiefes Dickicht, wo sie in Sicherheit waren.

      Eigentlich waren sie noch genug, um die neun Kerle bei den Balanghais zu überfallen und blitzschnell mit ihren drei Fahrzeugen zu verschwinden, bevor jene Teufel auf den Plattformen reagieren konnten. Aber sie hatten nicht gelernt, sich zur Wehr zu setzen. Sie kannten keine Kämpfe, weil ihre Welt in Ordnung war, eine Welt ohne Neid und Mißgunst, ohne Gier auf des anderen Besitz. Daß sich diese Welt zu verändern begann, ahnten sie nicht. Es war auch unvorstellbar für sie, denn wie sollte sich eine Welt verändern, die seit urdenklichen Zeiten so bestand, wie die Badjao sie kannten?

      Mit acht jungen Frauen zogen die weißen Fremden ab. Sie waren „aussortiert“ worden und entsprachen der lüsternen Vorstellung des Pieter Hendrik Beeveren. Seine und seiner wüsten Kerle letzte Untat bestand darin, die Pfahlbauhütten in Flammen aufgehen zu lassen, bevor sie mit den drei Balanghais nach Süden segelten.

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