Seewölfe Paket 1. Roy Palmer

Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer


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Männer unter den Dons, oder nicht?“

      Ben Brighton lachte.

      „Die Kerle sind raffiniert genug, die Sache so zu drehen, daß sie so schnell nicht überführt werden können“, sagte er. „Als ein mißgünstiger Neider einmal den Tenedor de Prastimentos anzeigte – das ist der Proviantmeister, der sämtliche nach der Neuen Welt auslaufenden Schiffe ausrüstet –, er würde in die eigene Tasche wirtschaften, da brauchten die Beamten der Casa allein ein ganzes Jahr, um die komplizierte Buchhaltung des Mannes vom vorigen Jahr zu überprüfen. Außerdem scheint er einen Teil seines bereits erworbenen Vermögens den Prüfern zugesteckt zu haben, so daß er voll rehabilitiert wurde und auch weiterhin die Casa betrügen konnte.“

      Hasard blickte dem Boot nach, das die Inspektoren zu den einzelnen Schiffen brachte. Inzwischen waren weitere Boote vom Ufer abgestoßen und wurden über die Reede gepullt. Eins näherte sich den beiden Galeonen, die von den Engländern gekapert worden waren.

      Hasard sah, wie sich die Hände seiner Männer zu Fäusten ballten. Einige von ihnen hielten bereits ihre Waffen in den Händen. Hasard hoffte, daß niemand die Nerven verlor.

      Er selbst hatte auch ein flaues Gefühl im Magen, aber er durfte es sich nicht anmerken lassen. Trotzdem tastete seine rechte Hand langsam zum Gürtel, in dem er eine Pistole stecken hatte.

      Zum Glück wurde das Boot von der Backbordseite auf die „Barcelona“ zugepullt. Ben Brighton wartete nicht ab, bis die Rudergasten ihr Boot an die Bordwand der „Barcelona“ anlegten.

      Er rief hinüber, daß die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ Schiffe aus Cartagena seien, die sich dem Geleitzug aus Neu-Spanien nur angeschlossen hätten, weil sie englische Piraten in der Nähe der Azoren gesichtet hätten. Er gab die Namen der Kapitäne und die Ladung der beiden Schiffe bekannt.

      Zu Hasards Erstaunen nickte der Mann der Casa nur und befahl den Rudergasten, das nächste Schiff anzusteuern.

      Als es sich entfernt hatte, atmete Hasard heftig aus.

      „Verdammt, ich hätte nicht geglaubt, daß sie das schlukken“, sagte er mit heiserer Stimme.

      „Sie wissen genau Bescheid“, erwiderte Ben Brighton ruhig, „welches Schiff zur Flota gehört und welches nicht. Bevor sie von Havanna auslaufen, geben sie Bescheid nach Sevilla, welche Schiffe im Geleitzug mitfahren, welche Ladungen sie an Bord haben und wann sie ungefähr in der Heimat eintreffen.“

      Hasard blickte Ben Brighton mit zusammengekniffenen Augen an.

      „Und weshalb hast du das nicht vorher gesagt?“

      Ben Brighton grinste.

      „Ich wollte euch nicht die ganze Spannung versauen“, sagte er.

      „Das ist dir vollauf gelungen.“ Hasard hätte dem Bootsmann am liebsten einen Belegnagel an den Kopf geworfen. Aber er beherrschte sich. Er hatte jetzt an etwas anderes zu denken. Er glaubte einfach nicht daran, daß die Kriegsgaleonen die beiden Schiffe am nächsten Morgen weiterfahren lassen würden, ohne sie zu kontrollieren.

      Er dachte an die letzte Nacht, in der der Mond wiederum eine Flucht verhindert hatte. Ben Brighton hatte vorgeschlagen, die Kanonen der „Barcelona“ außenbords zu hieven, die Männer von der „Santa Barbara“ herüberzuholen und abzuhauen. Bei der steifen Brise hätten sie mit der leichten Galeone eine Chance gehabt, den Kanonen der Kriegsgaleonen zu entkommen.

      Hasard hatte sich geweigert, die Kanonen aufzugeben. Verdammt, er wollte um die Prise kämpfen, die Kapitän Drake ihm anvertraut hatte. Und dazu brauchte er die Kanonen.

      Sie hatten in der Nacht ein paarmal versucht, sich mit Ferris Tucker zu verständigen, der nur darauf lauerte, daß die „Barcelona“ endlich etwas unternahm. Aber eins der Kriegsschiffe, die „El Bravo“, war die ganze Zeit so dicht hinter ihnen gesegelt, daß sie es nicht gewagt hatten, englische Worte zu wechseln.

      Am Nachmittag des folgenden Tages hatten sie dann die spanische Küste erreicht. Den Männern auf den gekaperten Schiffen wurde es immer mulmiger, und Hasard schloß sich da nicht aus. Er hatte versucht, die „Barcelona“ abfallen zu lassen und weit hinter den anderen Galeonen am Tampen des Geleitzuges herumzubummeln, um irgendwann die Gelegenheit zu nutzen und abzuhauen. Aber die „El Bravo“ hatte sie weitergescheucht und ihnen befohlen, gefälligst Anschluß zu halten.

      Hasard hatte überlegt, ob er es nicht trotz der Kriegsgaleone wagen sollte, den Kurs zu ändern und nach Norden abzudrehen. Er hatte gesehen, daß die „El Bravo“ alles andere war als ein feuerbereites Kriegsschiff. Die Decks wimmelten von Menschen. Hasard schätzte, daß sich dort mindestens vierhundert Menschen aufhielten, die im Grunde nichts auf einem Kriegsschiff zu suchen hatten. Bevor die Männer der „El Bravo“ ihre Kanonen ausgefahren hätten, wären die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ sicher längst außerhalb ihrer Reichweite gewesen.

      Aber leider war die „El Bravo“ nicht das einzige Begleitschiff, und Hasard wußte nicht, ob die anderen Kriegsgaleonen in dem gleichen erbarmungswürdigen Zustand waren wie die „El Bravo“.

      Nein, wenn sie sich absetzen wollten, dann mußte es unbemerkt geschehen, oder aber sie konnten sich gleich selbst versenken.

      Ben Brighton hatte aufgeatmet, als der Befehl des Admirals der Flota von Schiff zu Schiff weitergegeben wurde, daß die Flota auf der Reede von Cadiz vor Anker gehen würde. Er hatte schon befürchtet, daß die kleineren Schiffe, zu denen auch die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ gehörten, ohne Aufenthalt den Guadalquivir hinauffahren und erst in Sevilla ankern sollten.

      Die Männer hatten ihre Zuversicht schnell wiedergefunden. Sie hofften, daß die Aufmerksamkeit auf der Reede von Cadiz nachlassen würde. Die Dons würden sicher nicht damit rechnen, daß zwei ihrer Schiffe plötzlich verschwanden. Wenn der Wind seine Richtung beibehielt, würden sie eben weiter nach Osten fahren und versuchen, an der afrikanischen Küste wieder den freien Atlantik zu erreichen.

      Kurz vor Cadiz hatte dann der verdammte Wind um einhundertachtzig Grad gedreht, aber es war zu spät gewesen. Sämtliche Kriegsschiffe hatten sich inzwischen ans Ende des Geleitzuges sacken lassen, um später, nachdem alle Schiffe vor Anker lagen, die Reede abzuschirmen, indem sie sich quer davorlegten – und zwar breitseits zum Ostwind. Die schweren Schiffe zerrten an den Bug- und Heckankern. Hasard vermutete, daß die Kriegsgaleonen zur See hin ihre Kanonen ausgefahren hatten, um jeden nur möglichen Feind von vornherein abzuschrecken. Allein das mußte der Grund sein, daß sie nicht wie jedes der anderen Schiffe im Wind lagen, sondern quer davor.

      Hasard sah, wie die ersten Inspektoren die Schiffe verließen und sich an Land zurückpullen ließen. Er kannte den Befehl des Admirals, daß die größeren Schiffe erst am nächsten Morgen entladen werden sollten. Alles, was über zweihundert Tonnen hatte, konnte es nicht wagen, über die Sandbänke von San Lucar vor der Mündung des Guadalquivir zu fahren.

      Die Ladungen der großen Galeonen wurden auf kleine Kähne gehievt – alles unter Bewachung durch die Beamten der Casa. Die kleineren Galeonen fuhren den Guadalquivir hinauf und legten an den Kais von Sevilla an – direkt unter dem Torre del Oro, dem Goldturm, in dem die Schätze der Neuen Welt lagerten.

      Die Sonne versank glutrot im Meer. Von Osten her schoben sich mächtige Türme von weißen Wolken heran, deren Spitzen von den Strahlen der untergehenden Sonne in ein purpurnes Rot getaucht wurden.

      Obwohl sie hier auf der Reede von Cadiz in einer riesigen Falle hockten, genoß Hasard das Bild, das sich seinen Augen bot. Mehr als hundert Schiffe dümpelten auf dem bewegten Wasser. Die ersten Ankerlaternen wurden gesetzt. Etwa eine Kabellänge von der „Barcelona“ entfernt lagen zwei riesige Galeassen. Hasard hatte von den Schiffen gehört, die vor fünf Jahren die Schlacht von Lepanto entschieden hatten, als die päpstliche Flotte, vereinigt mit den Spaniern, Genuesen und Venezianern die Türken vor der Küste Griechenlands vernichtend schlugen.

      Der Rumpf der Galeassen war bedeutend kräftiger und widerstandsfähiger als bei den Galeeren. Sie hatten nicht nur Bugkanonen, sondern auch Geschütze an Steuerbord und Backbord. Sie waren wendig wie eine Galeere,


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