Seewölfe - Piraten der Weltmeere 536. Fred McMason
grinsend.
„Große Affen gibt’s jede Menge“, tönte der Kutscher.
Der Profos warf ihm einen schrägen Blick zu, als fühle er sich wieder mal angesprochen, aber er sagte nichts.
Als sie an Bord waren, gingen der Kutscher und Mac sogleich daran, eine der Riesennüsse auseinanderzunehmen und zuzubereiten. Schon mit dieser einen Nuß hatten sie eine Menge Arbeit.
Inzwischen schlichen die Zwillinge, Hasard und Philip, ziemlich auffällig um ihren Vater herum. Hin und wieder tuschelten sie leise miteinander und grinsten dann, bis es dem Seewolf auffiel.
„Ist was?“ forschte Vater Hasard. Er musterte seine beiden Söhne, die ihn erwartungsvoll angrinsten. Wahre Kraftpakete sind das, dachte er. Die Kerle hatten ganz beträchtliche Muskeln entwickelt, breite Schultern, schmale Hüften. Alle beide waren sonnenverbrannt.
Nachdenklich blickte er auf die Haifischsymbole. Jung Hasard hatte das Hai-Symbol auf der rechten Schulter eintätowiert, Jung-Philip auf der linken. Nur durch diese Symbole hatte er seine Söhne damals unterscheiden und identifizieren können. Heute konnte er sie auch so unterscheiden, obwohl sie sich wie ein Ei dem anderen ähnelten. Sie hatten die gleichen schwarzen Haare und die eisblauen Augen wie er.
Jung Hasard war etwas cleverer als Philip, und so ergriff auch er gleich das Wort, noch bevor Philip etwas sagen konnte.
„Wir haben eine Bitte an dich, Sir.“
„Ich höre.“
„Phil und ich haben uns ein Spielchen ausgeheckt, und zwar nennen wir das Inselspringen.“
„Und was bedeutet das genau?“
„Von einer Insel zur anderen segeln, sie ein bißchen ausforschen, dann weiter ab zur nächsten und so fort.“
„Das tun wir im Prinzip schon seit Jahren“, sagte Hasard lächelnd. „So ganz neu ist das nicht gerade.“
„Für uns schon, Dad, Sir. Wir haben nämlich vor, das allein zu tun, ohne jede Begleitung. Hier gibt es doch jede Menge Inseln, außerdem bleiben wir ja noch ein oder zwei Tage hier.“
„So, das habt ihr also vor.“
„Natürlich nur mit deiner Erlaubnis, Sir.“
„Und weshalb ohne Begleitung?“
„Weil wir nicht unbedingt immer einen Aufpasser brauchen. Wir sind so gut wie erwachsen und haben ein Recht darauf, auch mal selbständig etwas zu unternehmen.“
Hasard kniff die Augen zusammen. Die Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt.
„Sieh an, die Gentlemen sind also erwachsen und glauben, daß sie ein Recht haben, selbständig zu handeln. Interessant.“
„Pflichten haben wir jedenfalls – und somit auch Rechte. Eins ist so gut wie das andere. Vor den Pflichten drücken wir uns ja auch nicht.“
Jung Hasard sah seinem Vater etwas trotzig in die Augen und hielt auch dem etwas kühler gewordenen Blick stand.
„Ihr stellt also eine Forderung?“
„Eine Bitte, Sir, aber eine nachdrückliche, von der wir nicht erwarten, daß sie abgelehnt wird.“
Der Seewolf holte tief Luft.
„Jung-Rebellentum, was?“
„Bist du im Grunde genommen nicht auch ein Rebell, Dad, Sir?“ fragte Jung Hasard herausfordernd. „Sind wir im Prinzip doch alle.“
Vater Hasard blieb erst einmal die Spucke weg. Er blickte Philip an, dann Hasard, der jetzt ebenfalls die Augen etwas zusammenkniff und schmale Lippen kriegte.
„Und wenn ich ablehne?“
„Das bleibt dir überlassen“, erwiderte das Söhnchen kühl. „Aber dann reagiere ich mich in der nächsten Kneipe ab und fang ’ne mordsmäßige Schlägerei an.“
„Und ich“, tönte Philip unverfroren, „zieh mir in der nächsten Kneipe ein paar liederliche Frauenzimmer an Land und bringe sie mit an Bord. Das Recht nehme ich mir einfach. Alt genug sind wir schließlich dazu. Außerdem werden wir uns kräftig besaufen.“
„O Gott“, sagte Vater Hasard kopfschüttelnd. „Ihr wollt es wohl auf eine Kraftprobe ankommen lassen, wie?“
„Eines Tages“, sagte Jung Hasard diabolisch grinsend, „passiert das ganz zwangsläufig. Das ist das Gesetz der Natur. Dann messen sich die jungen Wölfe mit dem …“
„Sag nicht alten Wolf!“ fauchte Vater Hasard.
„… Leitwolf“, vollendete der Junior trocken. „Man kann auch Rudelführer sagen.“
Hasard holte zum zweiten Male tief Luft. Die zarten Knäblein haben heute nicht gerade ihren sanften Tag, dachte er. Man konnte auch sagen, daß sie ausgesprochen pampig waren.
„Ich lehne ab“, sagte er frostig.
„Begründung?“ fragte Jung Hasard ebenso frostig wie knapp.
„Verdammt noch mal, brauche ich vielleicht eine Begründung?“
„Natürlich, Sir, denn mit einer einfachen Ablehnung gebe ich mich nicht zufrieden. Das hört sich so diktatorisch an. Uns hältst du Predigten über Freiheit und Rechte, Pflichten und was weiß ich noch alles, aber hier sprichst du ein absolutes Nein, und damit sind wir ohne Begründung nicht einverstanden.“
In ihrem Eifer hatten sie gar nicht gemerkt, daß es auf der „Santa Barbara“ mittlerweile verdächtig ruhig geworden war.
Aus dem Kombüsenschott glotzten Mac und der Kutscher gleichzeitig hervor. Auf der Kuhl standen einige und grinsten bis zu den Ohren, und auf den Stufen der Niedergänge hockten etliche Arwenacks, die ebenfalls am Grienen waren.
„Nun laß die Kerle doch mal segeln“, mischte sich Old O’Flynn ein. „Schließlich sind sie keine Säuglinge mehr, die in ihren Windeln Rückenschwimmen veranstalten.“
„Halt du dich da raus, Mister O’Flynn!“ schnappte Hasard aufgebracht. „Du hast mir gerade noch gefehlt.“
„Klar, ich bin das Salz in der Suppe“, erwiderte Old O’Flynn ungerührt. „Immerhin sind das meine Enkelkinder, und da habe ich auch ein Wörtchen mitzureden. Und ich poche auf mein Recht, darauf kannst du dich verlassen.“
„Das Machtwort spreche ich, und nicht du!“
Old O’Flynn wurde gallig. Er sah jetzt wie ein bösartiger runzeliger Gnom aus, und er hob auch sofort die Stimme.
„Meine Enkelchen sind bei mir auf der ‚Empress‘ gefahren, und sie haben sich bestens bewährt!“ schrie er. „Das wird wohl niemand bestreiten können. Und daß sie dem Teufel zwei Ohren und den Schwanz absegeln und ihm bei einer Halse auch noch die Hörner stutzen, ist eine Tatsache. Und jetzt will ich, verdammt noch mal, wissen, warum sie nicht allein segeln dürfen.“
Hasard stand kurz vor einer Explosion. Zorn stieg in ihm auf, und dann wurde er unsicher, zum ersten Male seit langer, langer Zeit. Heute hatte sich offenbar alles gegen ihn verschworen.
Er spürte das Klopfen seiner Halsschlagader. Aber dann verflog dieser jäh aufgeflammte Zorn von einem Augenblick zum anderen wieder.
Er sah, daß sie ihn anstarrten und auf eine Antwort warteten. Und er sah auch die Blicke der anderen, die ihn ein wenig verständnislos anzublicken schienen. Oder bildete er sich das nur ein?
„Na schön“, sagte er leise. „Ich habe ganz einfach Angst, daß ihnen was passieren könnte. Das ist die Begründung.“
Eine Weile herrschte Schweigen. Die Gesichter der anderen entkrampften sich wieder.
Dann bemerkte er, daß die Zwillinge grinsten. Auch Old Donegal grinste wie ein Kobold.
„Eine gute Begründung“, sagte Old O’Flynn ruhig. „Aber die Begründung