Seewölfe - Piraten der Weltmeere 532. Fred McMason
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Bengosa fragte die beiden Wachen, ob sie nicht auch noch einen Fuß an Land setzen wollten, um das Juwel des Meeres zu schauen. Schließlich sollten alle Männer daran teilhaben.
Aber mit den beiden war es schon seltsam genug, fand er. Der eine hatte ganz jämmerliche Zahnschmerzen, und dem anderen taten alle Knochen weh, weil er angeblich von den Stufen des Niederganges gefallen war. Sehr heuchlerisch bedauerten sie, an der Exkursion nicht teilgenommen zu haben, aber leider, leider, der verehrte Señor Capitán wisse ja, weshalb.
Einen Augenblick erwog Bengosa ganz ernsthaft, die beiden Kerle an Land pullen zu lassen, doch die hatten sein Vorhaben anscheinend erraten. Der eine jaulte los, weil seine Zahnschmerzen immer schlimmer wurden, und der andere schlich wie ein geprügelter Hund über Deck. Mindestens zwanzig Rippen habe er sich angeknackst, behauptete er, wenn nicht noch mehr, vielleicht sogar dreißig.
Da mußte selbst der Feldscher hart schlucken, daß das dem Capitán so glatt runterging, denn der nickte sehr besorgt. Vielleicht war er auch nur so besorgt, weil der Kerl so viele Rippen hatte.
Eine halbe Stunde später ging die „Estrellamar“ ankerauf und setzte die Segel.
Nach einer weiteren Stunde wurde wieder eine Insel gesichtet – und natürlich auch angelaufen.
Die Männer mochten ihren Capitán, weil er sie immer anständig behandelte, aber an diesem Tag wäre es fast zu einer Meuterei gekommen, und sie verfluchten alle Inseln der Welt, ganz besonders aber die Marotte ihres Kapitäns, der ständig Neuland entdeckte.
Jetzt lag schon wieder ein „herrliches Gestade voll üppiger Pracht“ vor ihren müde gewordenen Augen.
2.
Zu Bengosas lebhaftem Bedauern gab es zwei Tage lang keine einzige Insel zu sehen. Aber das war eben gottgewollt. Schließlich konnte der Herr in seiner großen Güte nicht überall Inselchen wachsen lassen. Dann wäre ja kein Platz mehr für das Wasser übrig gewesen.
Die anderen Kerle erfüllte die Weite der See mit Schadenfreude, denn jetzt ging es unter Vollzeug weiter. Auch der Segelmacher freute sich. Jetzt hatte er keine rotgeweinten Augen mehr und brauchte nicht ständig neue Flaggen anzufertigen. Die letzten hatten sie schon aus Seide hergestellt, die man von der Ladung nahm.
Wenn das so weiterging, war die „Estrellamar“ am Ende ihrer Reise bereits um einige Tonnen geleichtert.
Zu allem Unglück sichteten sie bald darauf wieder eine Insel. Da diese völlig von der Norm abwich, mußte sie natürlich auch angelaufen werden.
Diese Insel konnten sie allerdings nicht betreten, was Bengosa lebhaft bedauerte. Sie wuchs als Felsen aus dem Meer, der mit seinen schroffen Wänden absolut unbesteigbar war. Ganz oben wurde der Inselfelsen von einer Reihe Kokosnußpalmen gekrönt. Das sah aus, als wäre er besonders liebevoll garniert worden.
Bengosa ließ die Felseninsel runden, was jedoch keinerlei neue Erkenntnisse brachte, denn der garnierte Felsen sah von allen Seiten gleich aus. Er hatte keinen Strand und war mit Untiefen und kleinen Riffen gespickt.
Etwas verärgert darüber, daß dieses hochgewachsene Juwel nicht zu erklimmen war, taufte Bengosa die Insel auf den Namen tarta grande. Das hieß soviel wie Riesentorte und war direkt bezeichnend. Ob die spanische Krone mit dieser Riesentorte etwas anfangen konnte, wurde von jedermann an Bord stark bezweifelt. Nur in Bengosas Hirn spukte die Idee herum, daß man die Torte vielleicht zu einer uneinnehmbaren Festung ausbauen könne.
Wieder ging es ein paar Tage lang ohne Inselsichtung südwärts. Nur das Meer umgab sie und die samtene Bläue des Himmels.
Nochmals zwei Tage später erlitt der Ausguck fast einen Herzanfall, denn da tauchte erneut Land auf. Sehr stockend gab er die Meldung an Deck durch. Die anderen zuckten zusammen, nur Bengosa nicht. Der hatte verklärte Gesichtszüge und leuchtende Augen, in denen sich alle Freude dieser Welt widerspiegelte.
Immer wieder starrte er angestrengt durch das Spektiv. Was er sah, ließ sein Herz vor Freude hüpfen. Offenbar war es eine breite Insel, die vor ihnen lag. An Steuerbord war nochmals Land zu sehen und Steuerbord voraus zog sich ebenfalls Land hin.
Als sie näher heran waren, klatschte er begeistert in die Hände. Da waren Hütten zu sehen, Palmen, lange Strände und Menschen, die sich am Ufer bewegten und zu der heransegelnden Galeone blickten.
„Ein Bild des Friedens, der Ruhe und der Beschaulichkeit“, sagte Bengosa erfreut. „Diese Leute leben wahrhaftig im Paradies und sind zu beneiden. Nur schade, daß sie keine Christen sind. Aber sicher werden sie es gern werden wollen“, setzte er hinzu.
„Jetzt geht die Heidenbekehrung wieder los“, seufzte der Erste verhalten. „Womöglich werden wir auf dieser Insel endlos lange Tage verbringen müssen. Wo hat die Welt so was jemals gesehen!“
„Und das nennt sich nun ein Kauffahrer“, jammerte der Segelmacher. „Der segelt immer tiefer in die Schulden. Zum Schluß wird er nicht einmal mehr uns noch bezahlen können.“
Bengosa hörte nicht, was sie über ihn dachten. Er war nur von dem Wunsch beseelt, hier vor Anker zu gehen, den unbedarften Leutchen zu verklären, was wahrer Glaube sei, und die Insel in spanischen Besitz zu nehmen. Damit konnte die Krone ganz sicher etwas anfangen.
„Wir segeln zwischen den Inseln hindurch und gehen bei der an Backbord liegenden Insel vor Anker“, entschied er nach einem weiteren Blick auf die malerische Umgebung.
Der Erste spürte, wie sich sein Brustkorb zusammenzog.
„Wir werden sehr viel Zeit verlieren, Señor Capitán“, wandte er ein.
„Nur ein paar Tage“, sagte Bengosa, als sei das ein Klacks. „Wenn wir erst im Indischen Ozean sind, geht es unaufhaltsam weiter. Dort gibt es nicht viel Land. Aber diese Perle üppigster Pracht dürfen wir einfach nicht auslassen. Sehen Sie nur diese Harmonie in der Natur, diese unüberbietbare Friedfertigkeit, die freundlich winkenden Eingeborenen. Sicher haben sie noch nie ein Schiff aus unmittelbarer Nähe gesehen.“
Der Erste wollte das gerade bezweifeln, dafür bemerkte er etwas anderes, das ihm die Haare zu Berge stehen ließ.
„Riffe an Steuerbord!“ warnte er. „Da sind Schaumwirbel! Wir dürfen nicht zu dicht heran.“
Der Ausguck meldete im selben Augenblick ebenfalls Riffe, die jetzt immer deutlicher zu erkennen waren. Wasser schäumte auf, brodelte und kochte. Untiefe neben Untiefe befand sich dort, ganz zu schweigen von den Korallenriffen, die dicht unter der Wasseroberfläche lagen und erst dann gesehen wurden, wenn es schon zu spät war.
Für ein paar Sekunden lang vergaß Bengosa die Idylle und Pracht, die ihn umgab.
Schaudernd blickte er auf die Riffe, die immer gewaltiger wurden. Auch auf der anderen Seite glaubte er Verwirbelungen im Wasser erkennen zu können.
Der Wind wehte mehr achterlicher als dwars und schob sie unter Vollzeug auf die Riffe zu. Für Manöver irgendwelcher Art war es bereits zu spät.
Verzweifelt hielten sie nach einer freien Fahrrinne Ausschau. Es war völlig ungewiß, ob es überhaupt eine gab.
Da entdeckte Bengosa das Fischerboot. Es war ein Auslegerboot, in dem zwei braunhäutige Männer hockten, und es befand sich ein paar Kabellängen voraus. Die Männer in dem Ausleger gestikulierten wild und näherten sich ihnen.
„Glück zu“, sagte Bengosa erleichtert. „Sie werden uns helfen und einen Weg durch die Riffe weisen. Die Fischer kennen sich hier aus. Wir werden sie anpreien.“
Aber das war nicht mehr nötig. Die braunhäutigen Männer hatten längst erkannt, daß das Schiff in großer Gefahr war und auf die Riffe zu laufen drohte.
Bengosa ließ in seiner Verzweiflung ein paar Segel wegnehmen, aber da waren die beiden Fischer zum Glück schon heran.
Selam war Malaie, ein kleiner, freundlich aussehender Mann mit einer Knubbelnase und tiefschwarzen Augen, die immer