Seewölfe - Piraten der Weltmeere 485. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 485 - Burt Frederick


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      Sie hatten die Gefahr eben noch abwenden können. Eine tödliche Feindschaft hatte sich entwickelt, und es hatte beinahe ewig gedauert, bis die Black Queen endgültig besiegt worden war.

      Auch Edmond Bayeux und seine Mannen beobachteten das Geschehen an Bord der „Isabella“ mit stummer Anteilnahme.

      Hasard trug als erstes den Kasten mit der in Kork gebetteten Statue in die Jolle. Die Statue war armlang und stellte ein geflügeltes Fabelwesen dar.

      Durch die Korkfüllung war dieser Kasten aufgetrieben und hatte One-Eye-Doolin und seine Halunken erst darauf gebracht, daß hier noch mehr zu holen sein könnte.

      Das nächste Stück, das der Seewolf vorsichtig auf die Persenning legte, war eine goldene Kette. Wie alle anderen Kostbarkeiten hatte Siri-Tong sie aus der Kapitänskammer von Doolins „Scorpion“ geborgen.

      Es folgten eine gekrümmte goldene Schlange mit Augen aus Edelsteinen und einer großen Perle auf dem Kopf, zwei Silberketten und eine kleine Kiste mit Smaragden.

      Mit einem Handzeichen gab Hasard Order, die Jolle abzufieren.

      Er nahm den Platz auf der Achterducht ein, und die Männer begannen zu pullen – mit verhaltener Kraft, beinahe bedächtig, als wollten sie durch die Ruderschläge niemanden aufschrecken.

      Keiner der Männer sprach auch nur ein Wort. Etwas schien ihnen im Hals zu stecken. Sie sahen aus wie kleine Jungen, die an der Hand der Mutter zum ersten Mal im Leben den Barbier aufsuchen, damit er ihnen einen schlechten Zahn herausreißt.

      Doch es war ein unendlich beklemmenderes Gefühl, das sie gepackt hatte. Ed Carberry und Ferris Tucker, die auf der Ducht vor Hasard saßen, hatten Gesichter wie aus Stein gemeißelt. Smoky, der Decksälteste, sah aus wie die oft erwähnten drei Tage Regenwetter. Batuti, neben ihm, schien alles von seiner bekannten Heiterkeit verloren zu haben. Nichts war von seinen perlweißen Zähnen zu sehen, die er sonst beim Reden und Lachen nicht verbergen konnte.

      Bob Grey starrte krampfhaft auf den breiten Rücken seines Vordermannes Smoky. Nicht einmal wagte er, einen Blick auf die Wasseroberfläche zu werfen, als fürchte er, dort mit einer schaurigen Entdeckung konfrontiert zu werden.

      Big Old Shane, der graubärtige Schmied von Arwenack, musterte beim Pullen verstohlen den Seewolf. Ein wenig Besorgnis lag in den Augen des Mannes, der Hasard schon als Kind gekannt hatte – damals, in den Jahren auf der Feste Arwenack in Cornwall. Wenn jemand nachempfinden konnte, wie höllisch dem Seewolf dieses Geschehen an die Nieren ging, dann war es Big Old Shane.

      Al Conroy gab sich als Schlagmann verbissene Mühe, behutsam und bedächtig zu pullen, und dabei wußte er, daß die anderen dieses Beispiel, das er ihnen gab, richtig einschätzten. Luke Morgan biß sich beständig auf die Unterlippe und gab damit zu erkennen, daß er sich äußerst unbehaglich fühlte.

      Für die Männer in der Jolle und ebenso für jene, die ihnen von den Schiffen aus zuschauten, war es eine weihevolle Handlung, die sie vollzogen.

      Sie hatten sich etwa eine Kabellänge von der „Isabella“ entfernt, als Hasard die Hand hob und damit das Kommando zum Streichen gab. Die Männer reagierten im Gleichtakt. Flach auf der Wasseroberfläche verringerten die Riemenblätter die Fahrt des Beiboots.

      Kein Muskel bewegte sich im Gesicht des Seewolfs. Er ließ die Ruderpinne los, neigte sich langsam, wie zögernd vor und griff in den mit Kork ausgelegten Holzkasten.

      Wie gebannt blickten die Männer in dieses Gesicht, das ihnen so vertraut war und das sie doch niemals zuvor so erlebt hatten wie jetzt. Wie in einer raschen Folge von Bildern, in düsteren Farben gezeichnet, wurden die Geschehnisse seit Potosi und den Galápagos-Inseln in ihnen wach.

      Deutlicher als in all den Tagen seit jenen Ereignissen schien in diesem Moment die Veränderung, die mit dem Seewolf vor sich gegangen war. Silbergrau bildete sein Schläfenhaar einen scharfgezeichneten Kontrast zu seinem schwarzen Haupthaar. Es war dieser Farbkontrast, der wie sinnbildlich für die furchtbare Stichwunde stand, von der Hasard in einem langwierigen und kräftezehrenden Kampf gegen den Tod genesen war.

      Zu einer neuen Narbe war die Schnittwunde verheilt, die unter der alten Narbe von der rechten Stirnseite über die linke Augenbraue und die linke Wange verlief. Die manchmal erschreckende Härte in den Gesichtszügen des Seewolfs war in jenen Tagen der schwersten Schicksalsprüfungen entstanden.

      Seine Gefährten erinnerten sich sehr genau daran, wie die Gewißheit über den Tod Arkanas einen jähen Wandel in Hasard hervorgerufen hatte. Seither war er schweigsamer geworden und oftmals tief in Gedanken versunken. Zwar vermochte er auch heute noch die wilde Ausgelassenheit und die johlende Heiterkeit der Arwenacks zu teilen – besonders dann, wenn sie einen mörderischen Kampf heil überstanden hatten. Doch die Zeiten, in denen sie ihn schweigsam erlebten, überwogen mittlerweile. Gelegentlich kam er ihnen auch bissig vor, mißtrauisch wie ein alter, einsamer Wolf.

      Gewiß, das Schicksal hatte es selten freundlich gemeint mit diesem großen Mann, dessen hochaufgerichtete Statur auch ein äußeres Zeichen seines, Charakters war. Schon seine Kindheit war unter finsteren Vorzeichen verlaufen. Von Lady Anne Killigrew als Findelkind geraubt und in die Sippschaft der Küstenpiraten von Arwenack einverleibt, war er unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen herangewachsen.

      Die Tatsache, daß er sich aus dem Halsabschneider-Milieu freigekämpft hatte, war eines der nicht mehr unterdrückbaren Zeichen seiner charakterlichen Geradlinigkeit gewesen. Die Zeit unter dem Kommando von Sir Francis Drake, die Kaperfahrten mit eigener Mannschaft und eigenem Schiff und schließlich der Ritterschlag durch Königin Elizabeth I. waren erhebende Momente für ihn und seine Freunde gewesen.

      Doch die Schattenseiten des Lebens und die Auswirkungen menschlicher Niedertracht hatten ihn immer wieder eingeholt. Er hatte Gwendolyn verloren, die Mutter seiner Söhne. Die Spurensuche nach seinen unglückseligen Eltern hatte letztlich nur zu der Erkenntnis geführt, daß ihnen ein grausames Schicksal vorbestimmt gewesen war.

      Er hatte aber seine Söhne wiedergefunden, die der Mutter entrissen worden waren, und sie bedeuteten die wirklich große Freude seines Lebens. Beinahe ein Zufall war es gewesen, daß er seinen Vetter Arne von Manteuffel kennengelernt hatte. Ein Zufall, der zu ihrem heutigen gemeinsamen Kampf für ein freiheitliches Leben geführt hatte.

      Aber auch diese glückliche Fügung hatte einen Hauch von Bitterkeit. Denn der schlimmste Verlust seines Lebens war für Arnes Entschluß ausschlaggebend gewesen, sich dem Bund der Korsaren anzuschließen. Seine Braut war getötet worden, bevor das Leben für sie beiden auch nur hatte beginnen können.

      Dunkle Schatten waren auch auf jene festen Überzeugungen gefallen, die für den Seewolf stets unumstößlich gewesen waren. Er hatte lernen müssen, daß der englische Königshof, die adlige Gesellschaft und der hohe Personenkreis aus Regierung und Parlament offenbar nur bei einem einfältig denkenden Menschen als ehrenvoll, stets korrekt und über alle Zweifel erhaben gelten konnte.

      Philip Hasard Killigrew hatte begreifen müssen, daß Ränke und Intrigen, Niedertracht und Neid, Machtgier und Raff sucht das Denken und Handeln vieler Adliger bestimmten, die sich nach außen hin als sehr ehrenwert und in jedem Sinne des Wortes hochwohlgeboren präsentierten.

      Diese Erkenntnisse waren auch für Hasards Gefährten entscheidend gewesen, als sie damals beschlossen hatten, England den Rücken zu kehren und in der Karibik ein neues Leben zu beginnen. Sie hatten von vornherein gewußt, daß dieses Leben – gemeinsam mit Arkana und ihren Brüdern und Schwestern – nicht frei von Gefahren sein würde. Doch sie hatten in ihren düstersten Alpträumen nicht befürchtet, daß es erneute grausame Schicksalsschläge geben würde.

      Der Tod Arauas war ein solcher Schlag gewesen. Dann die schwere Verwundung Hasards, die fast auch ihn umgebracht hätte. Schließlich der Tod Arkanas und der vielen Freunde. Und der Untergang der Schlangen-Insel.

      Es hatte den Männern und Frauen vom Bund der Korsaren das Gefühl gegeben, alles verloren zu haben. Aber sie hatten sich aus Trauer und dumpfer Niedergeschlagenheit aufgerichtet und mit neuem Mut zugepackt.

      Jetzt, in dem Augenblick, da all die Geschehnisse


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