Seewölfe - Piraten der Weltmeere 396. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 396 - Fred McMason


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de Retortilla verpatzt, als Don Juan überraschend die Flucht gelungen war. Das hatte sein Ansehen beim Gouverneur erheblich gemindert.

      Es ging also darum, Don Juan so schnell wie möglich einzufangen. Alles andere war zweitrangig geworden. Dazu war de Retortilla jedes Mittel recht.

      Die Hitze, die in dieser Nacht über Havanna lag, drückte ihn außerdem und ließ ihm den Schweiß über das Gesicht rinnen. Diese Schwüle trug ebenfalls nicht zu seiner Stimmung bei, und so ließ er seinen Ärger an den Soldaten aus, die er immer wieder anschnauzte und herumkommandierte.

      Der Trupp bog jetzt in die Calle habañero ein, ein schmutziges Gäßchen mit zahlreichen Pinten, in denen sich die Seeleute vergnügten. Aus den Kneipen klang Musik, das Grölen Betrunkener und das Gekicher der liederlichen Frauenzimmer, die sich bei Wein und Rum vergnügten.

      Auch diese Kneipen waren bereits ein paarmal durchsucht worden, und die Zecher hatten nicht gerade gute Laune, wenn sie die Soldaten sahen, die rüde, hart und rücksichtslos vorgingen. Das lag hauptsächlich an der Belohnung von hundert Goldtalern, die der Gouverneur auf den Kopf Don Juans ausgesetzt hatte – tot oder lebendig. Verständlicherweise wollte sich jetzt jeder eine goldene Nase verdienen, und da taten sich die Soldaten ganz besonders hervor.

      Das Ziel des Stadtkommandanten war gleich die erste Kneipe in der Calle habañero. Es war eine verwitterte Bude, vor deren halboffener Tür ein Schild baumelte, dessen Inschrift niemand mehr entziffern konnte.

      „Hier hinein!“ befahl de Retortilla mit harter Stimme. „Zwei Mann bleiben in der Gasse und passen auf, daß keiner flüchtet. Wer bei Anruf nicht stehenbleibt, auf den wird sofort geschossen.“

      „Auch wenn es nicht Don Juan ist?“ fragte einer einfältig.

      „Dummkopf“, sagte Don Ruiz verächtlich.

      Als die vier Soldaten mit dem Stadtkommandanten eintraten, war es mit der Gemütlichkeit in der Kneipe schlagartig vorbei. Das Grölen verstummte, der Gesang brach ab, und etliche Augenpaare starrten feindselig auf die Soldaten.

      Der Wirt, ein hagerer Mann mit Blatternarben im Gesicht, der schlimmer aussah, als er war, kniff verärgert die Augen zusammen.

      „Wir sind schon mehrmals durchsucht worden“, beschwerte er sich, „das geht zu weit. Meine Gäste …“

      „Halt dein Maul!“

      Zwei Soldaten rempelten ihn hart an, stießen ihn in die Ecke und blickten unter die Theke. Inzwischen musterte der geiergesichtige Kommandant die übrigen Gäste. Einen nach dem anderen nahm er aufs Korn. Er blickte in haßerfüllte Gesichter. Manche wandten den Blick ab oder stierten in ihr Glas. Andere gaben sich gleichgültig und unbeteiligt, ein paar andere wiederum schimpften laut und regten sich auf.

      „Die hinteren Räume durchsuchen!“ befahl Don Ruiz mit scharfer Stimme. „Vergeßt auch die Hühnerställe nicht.“

      Drei Soldaten nahmen sich die hinteren Räume vor. Eine Frau schrie laut und gellend, danach folgte das ängstliche Gegacker von aufgescheuchten Hühnern, die im Stall herumflogen. Einmal war das harte Lachen eines Soldaten zu hören. Offenbar hatte er eine Frau betätschelt, denn die darauffolgende Ohrfeige war laut und deutlich zu hören.

      Don Ruiz ging durch die Reihen, stieß diesen und jenen Zecher an und zwang ihn, den Kopf zu heben und ihn anzublicken. Ein paar Gäste begannen laut zu murren.

      „Lassen Sie die Leute in Ruhe“, sagte der Wirt. „Ich verstecke keine Mörder in meiner Herberge.“

      „Ein renitenter und obstinater Kerl“, sagte Don Ruiz. „Das Wort des Gouverneurs ist ihm offenbar nicht heilig. Hier treibt sich ein ruchloser Mörder herum, aber statt sich darüber zu empören, wird er frech und aufmüpfig.“

      Das spitze Kinn stach vor und zeigte auf den Wirt. Der Soldat, der ihm am nächsten stand, verstand die Aufforderung. Er drehte die Muskete um und drosch sie dem Blatternarbigen in die Seite.

      Als er ein zweites Mal zuschlagen wollte, wich der Wirt fluchend aus, griff unter seine Theke und holte einen Bambusknüppel hervor, mit dem er auf den Soldaten losgehen wollte.

      Wirt und Gäste hielten eisern zusammen, das zeigte sich jetzt, denn die Zecher wurden zornig. Sie hatten schon zuviel Schikane über sich ergehen lassen müssen, und bei den meisten war das Maß jetzt voll.

      Ein paar Kerle sprangen wild fluchend auf. Zwei liederliche Frauenzimmer flüchteten kreischend in die hinteren Räume, aus denen die Soldaten erschienen.

      „Schlagt die Bastarde tot!“ brüllte ein muskulöser Mann. „Hängt sie an dem nächsten Kranbalken auf! Auf sie!“

      Eine Woge von Leibern stürzte sich auf Don Ruiz und die Soldaten.

      Der Wirt sah eine günstige Gelegenheit, seinen Zorn abzulassen. Er schwang seinen dicken Bambusknüppel und drosch ihn mit aller Kraft einem Soldaten auf den Helm. Als der ächzend in die Knie ging und seine Muskete verlor, brandete begeistertes Gebrüll in der Kneipe auf.

      Eine Phalanx aus Betrunkenen, Seeleuten und Rauhbeinen schlug und drosch auf die Soldaten ein. Einer der Kerle kriegte Don Ruiz zu fassen und zerrte bereits an seinem Rüschenhemd.

      Der Stadtkommandant sah unversehens eine riesige Faust auf sich zufliegen und stieß einen spitzen Schrei aus. Seine sechs Mann drohten in dem Getümmel hoffnungslos unterzugehen.

      Da erschien für den ehrenwerten Don Ruiz unverhofft die Rettung in Gestalt weiterer Soldaten, die das Viertel durchkämmten.

      Der Lärm hatte sie offenbar angelockt, das Geschrei, Gekreische und Gebrüll.

      Die halboffene Tür wurde von kraftvollen Tritten aus den Angeln gesprengt und flog krachend nach innen. Fünf Soldaten unter einem Sargento stürmten herein.

      Don Ruiz brüllte wie am Spieß, denn der Muskelmann drehte immer noch sein Rüschenhemd zusammen, und die riesige Faust schien jeden Augenblick seinen Schädel einzuschlagen.

      Da krachte ein Schuß, abgefeuert aus einer Muskete, der die ganze Kneipe erbeben ließ. Von der Decke fiel ein kleiner ausgestopfter Hai, der dort gebaumelt hatte und nun regelrecht explodierte. Staub und Dreck wallten in einer übelriechenden Wolke auf.

      Schlagartig verging den Zechern die Lust auf jede weitere Prügelei, denn die Soldaten stürmten vor, drehten die Musketen um und hieben rücksichtslos in alles hinein, was sich ihnen in den Weg stellte.

      Als drei Männer reglos am Boden lagen, herrschte Ruhe. Nur der Wirt hielt noch seinen Knüppel in der Hand und war unschlüssig. Ein Pistolenlauf war auf ihn gerichtet.

      „Festnehmen!“ kreischte de Retortilla mit puterrotem Schädel. „Den da, den – und den auch!“

      Die entsprechenden Handbewegungen folgten.

      Der Muskelmann, der ein paar Fetzen vom Rüschenhemd in der Hand hielt und sie wütend anstarrte, wurde gefesselt. Ein weiterer Kerl, der sich dem Kommandanten „bedrohlich“ genähert hatte, mußte ebenfalls dran glauben und kriegte Fesseln verpaßt. Ein paar andere Kerle verdrückten sich in dem allgemeinen Wuhling unauffällig und verschwanden nach draußen, wo die Nacht sie schluckte.

      „Den Wirt noch!“ schrie Don Ruiz. „Er hat den Gouverneur beleidigt! Bringt die Halunken in die Residenz zum Verhör und schließt sie in Eisen. Die Kneipe wird geschlossen.“

      Der blatternarbige Wirt protestierte vergebens.

      „Ich habe den Gouverneur nicht beleidigt!“ rief er. „Und ich habe auch keinen Mörder versteckt! Ich verlange mein Recht, ich bin ein ehrbarer Bürger.“

      „Ein ehrbarer Bürger mit einem Knüppel in der Hand“, höhnte Don Ruiz. „Den schlug er nämlich einem Soldaten über den Schädel. Sehr ehrbar war das.“

      „Ich habe mich nur verteidigt.“

      Dem Wirt krachte übergangslos der Kolben einer Muskete ins Kreuz. Mit einem Stöhnen brach er neben der Theke zusammen. Die Soldaten fesselten ihn und schleiften ihn nach draußen. Ein paar Schläge


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