Seewölfe - Piraten der Weltmeere 223. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 223 - Burt Frederick


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einsame Mann spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, als die Rudergasten im Beiboot zu pullen begannen. Als ahnten sie von seiner Anwesenheit, steuerten sie ziemlich genau in seine Richtung. Konnte er aber so vermessen sein, von ihnen Hilfe zu erwarten?

      Er erschrak, als er plötzlich wieder Geräusche aus dem Dickicht hörte. Seine Rechte tastete zum Knauf der Pistole. Vielleicht war es sinnvoll, die Waffe jetzt zu benutzen. Die Fremden wurden dann schneller auf ihn aufmerksam.

      2.

      Philip Hasard Killigrew, der auf der Achterducht saß, zog die Ruderpinne zu sich heran. Seine Männer pullten kraftvoll im Takt, das Boot schwenkte von der Bordwand der „Isabella VIII.“ weg und gewann rasch an Fahrt.

      Edwin Carberry, der bullige Profos, deutete mit einer Kopfbewegung zum Schanzkleid der Galeone, wobei er sein mächtiges Rammkinn vorreckte.

      „Nun sieh sich einer die beiden kleinen Stinte an! Die würden glatt hinterherspringen, wenn sie sicher wären, daß es hier keine Haie gibt.“

      „Ein bißchen Respekt haben sie eben doch noch“, bemerkte Ferris Tucker grinsend. Er, der riesenhafte Schiffszimmermann mit den leuchtend roten Haaren, wußte ebenso wie die anderen, daß der Seewolf solche Bemerkungen nicht krummnahm.

      „Das besagt gar nichts“, widersprach Ed Carberry. „Vor Haien hat sogar der hirnloseste Affenarsch Respekt. Das ist nichts weiter als Selbsterhaltungstrieb oder so was.“

      Hasard drehte sich lächelnd um, während das Boot nun mit Direktkurs dem Ufer entgegenrauschte. Seine Söhne platzten fast vor Wut. Das las er trotz der Entfernung noch in den Gesichtern der Zwillinge. Mit zornfunkelnden Blicken starrten sie über das Schanzkleid. Daß sie nicht mit an Land durften, würden sie ihm mal wieder nicht verzeihen. Mit ihren zehn Jahren hatten sie eine verteufelte Portion Temperament und bisweilen ebensolchen Starrsinn. Welche Scherereien sie der Crew der „Isabella VIII.“ schon bereitet hatten, nun, daran mochten sie nicht gern erinnert werden. Aber der Seewolf blieb in solchen Fällen hart. Zu oft hatten seine Herren Söhne schon Kopf und Kragen riskiert, indem sie an Land auf eigene Faust die unsinnigsten Erkundungsgänge unternahmen. Jedesmal hatten die Männer der Crew sie dann wieder herauspauken müssen.

      Äußerlich ähnelten sich die beiden wie ein Ei dem anderen. Schlank und schwarzhaarig, hatten sie den unverwechselbar gleichen Gesichtsschnitt wie der Seewolf. In ihren Bewegungen waren sie geschmeidig wie Katzen, und schon jetzt, mit ihren zehn Lebensjahren, standen sie ihren Mann bei den kleinen Arbeiten, die sie an Bord zu verrichten hatten.

      „Sie werden sich schnell beruhigen“, sagte Hasard und wandte sich nach vorn, „und wenn es gar nicht anders geht, muß ich ihnen eben mal wieder den Hosenboden strammziehen.“

      „Das ist ein Wort“, knurrte Ed Carberry, „die Sprache, die sie am besten verstehen.“ Er pullte als Schlagmann, und trotz des Gesprächs trieb er die übrigen fünf Rudergasten zügig zu höherer Schlagzahl an.

      „Unser Profos redet so, als ob er eine Menge von Kindererziehung versteht“, bemerkte Dan O’Flynn feixend. Der schlanke junge Mann zog den Kopf ein wenig tiefer, denn Carberry saß auf der Ducht vor ihm und brauchte nur kurz hinzulangen, wenn er wollte.

      Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, bedachte seinen Freund Dan mit einem Seitenblick und entblößte die makellosen Reihen seiner perlweißen Zähne.

      „Woher willst du wissen?“ fragte Batuti. „‚Isabella‘ hat schon viele Häfen angelaufen, und wo viele Häfen sind …“

      „… sind auch eine Menge hirnrissige Bilgenratten“, fiel ihm der Profos schnaubend ins Wort, „solche, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun haben, als dummes Zeug zu quatschen. Das färbt dann auf die ehrenwerten Sealords ab, und zurück auf ihrem Kahn, plappern sie das ganze dumme Zeug nach. Als ob sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten!“

      „Oho, unser Profos hat es wieder erfaßt!“ rief Sam Roskill, der ehemalige Karibik-Pirat.

      „Reines Ablenkungsmanöver“, sagte Bob Grey grinsend, „wer weiß, wie viele kleine Carberrys es gibt, denen er rund um die Erde öfter mal den Hintern versohlen muß.“

      Der Profos lief rot an. Jetzt hatte er Mühe, mit seiner Schlagzahl nicht aus dem Takt zu geraten.

      Hasard mußte sich anstrengen, um ein Lächeln zu unterdrücken.

      „Wenn ihr nicht gleich die Luke haltet“, brüllte Ed Carberry los, „dann ziehe ich euch …“

      „… die Haut in Streifen von euren Affenärschen“, fielen die anderen im Chor ein und mußten an sich halten, um nicht in Gelächter auszubrechen. Jeden einzelnen der Carberry-Sprüche kannten sie auswendig, und es gab Situationen, in denen sie es riskieren konnten, ihn ein bißchen auf den Arm zu nehmen.

      Ed Carberry schluckte trocken hinunter. Seine Schläfenadern schwollen an, und sein Groll führte zunächst dazu, daß er die Schlagzahl noch mehr steigerte. Die anderen mußten sich anstrengen, um mitzuhalten. Das Boot jagte mit rauschender Fahrt dem Ufer entgegen, als gelte es, dem Leibhaftigen persönlich zu entrinnen.

      Jeder andere Kapitän hätte nun eingreifen müssen, um die Autorität seines Profos’ nicht untergraben zu lassen. Der Seewolf wußte indessen, daß er diesem Wortgeplänkel keine Bedeutung beizumessen brauchte. Wenn, dann nur so viel, daß seine gesamte Crew in der Tat wie Pech und Schwefel zusammenhielt. Und zwischen dem Profos und dem Rest der Mannschaft gab es ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch die kleinen Freundlichkeiten eher noch gefestigt wurde.

      Wellengang und hohe Fahrt ließen die beiden leeren Fässer auf den Bodenplanken der Jolle rumpeln. Wegen eines Sturmes südlich von Trinidad und Tobago hatte Hasard seinen ursprünglichen Plan aufgegeben, die beiden Inseln östlich zu umrunden und direkten Kurs auf die Kleinen Antillen zu nehmen. Durch den Serpents Mouth hatten sie daher Zuflucht im Golf von Paria gesucht. Günstigere Wetterbedingungen hatten es ihnen hier ermöglicht, ohne wesentlichen Zeitverlust weiter nach Norden zu segeln. Durch den Drachensund konnten sie voraussichtlich in drei Tagen das Karibische Meer erreichen.

      Da sie nicht wußten, wie weit sie landeinwärts vordringen mußten, um geeignetes Frischwasser zu finden, hatte der Seewolf vorsorglich ausreichende Bewaffnung angeordnet. Jeder der Männer trug neben dem Entermesser eine Pistole, sechs geladene Musketen lagen quer über den mittleren Duchten des Beiboots.

      Sehr rasch näherten sie sich dem schmutziggelben Strand, der von der dunkelgrünen Wand des tropischen Regenwalds begrenzt wurde. Hasard gab dem Profos ein Handzeichen, und die Männer zogen die Riemen in dem Moment ein, als der Bootskiel auf den weichen Sand knirschte.

      Während der Seewolf seinen Blick prüfend über das undurchdringlich scheinende Dickicht gleiten ließ, sprangen Dan O’Flynn und Batuti als erste ins seichte Uferwasser, um das Boot höher an Land zu ziehen.

      Die Gestalt wankte plötzlich auf den Strand und hob den Arm, um die Augen vor dem jähen grellen Sonnenlicht zu schützen.

      In seiner Verblüffung vermochte Hasard nicht festzustellen, wo sich der Mann verborgen gehalten hatte.

      Bevor der Seewolf einen Befehl geben konnte, geschah es.

      Schüsse krachten in rascher Folge. Während Wolken von Pulverdampf aus dem Unterholz quollen, hetzte der Mann auf dem Strand los und schlug wilde Haken.

      Die Männer aus dem Beiboot der „Isabella“ überwanden ihre Überraschung von einem Atemzug zum anderen. Worte waren überflüssig. Sie waren aufeinander eingespielt wie das Räderwerk in einem dieser neumodischen Uhrwerke.

      Der Mann, der den Kugeln seiner Verfolger zu entkommen versuchte, zerrte eine Pistole unter seinem Gurt hervor.

      Batuti und Dan O’Flynn stürmten bereits auf den Dschungel zu, etwa fünfzig Yards seitlich von der Stelle, an der die Schießer im Dickicht hockten. Ihr Feuer geriet jetzt ins Stocken. Sie schienen zu begreifen, daß ihre Lage schwierig wurde.

      Ed Carberry und Ferris Tucker


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