Seewölfe - Piraten der Weltmeere 423. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 423 - Frank Moorfield


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daß sie den längeren Arm hatten und daß die Dons mit Imponiergehabe von ihrer aussichtslosen Lage ablenken wollten.

      Barba, der bereits mit brennendem Luntenstock an einer Heckdrehbasse ausharrte, warf der Roten Korsarin einen ungeduldigen Blick zu.

      „Wie steht’s, Madam?“ rief er. „Wenn ich noch ein bißchen warte, versenge ich mir die Fingerspitzen und fliege selber in die Luft.“ Dabei huschte ein breites Grinsen über sein wildes Gesicht.

      Siri-Tong schenkte ihm ein kurzes Lächeln, und das war Öl auf sein Haupt. Ein Lächeln von Madam – so ähnlich mußte das Paradies einmal ausgesehen haben, in dem Adam und Eva einst lebten. Zumindest war Barba dieser Meinung. Und beileibe nicht nur er.

      Die Rote Korsarin wartete den richtigen Zeitpunkt ab. Erst als die „Caribian Queen“ querab auf etwa fünfzig Yards Distanz an die spanischen Galeonen herangesegelt war, hob sie die rechte Hand.

      „Feuer frei!“ tönte es Sekunden später über die Decks, und nahezu gleichzeitig senkten Henry Scrutton und die Männer an den Steuerbordgeschützen und Drehbassen ihre brennenden Luntenstöcke auf die Zündkanäle.

      Augenblicke danach wurde das riesige Schiff wie von einer unsichtbaren Faust durchgeschüttelt. Die schweren Eisenkugeln der Steuerbordkanonen stoben mit einem unheimlichen Brüllen und Fauchen aus den gußeisernen Rohren und schlugen mit Urgewalt in die Steuerbordseite der seewärts liegenden Galeone.

      Ein infernalisches Krachen und Bersten erfüllte die Luft. Holztrümmer, Segeltuchfetzen und Teile von Masten und Rahen wurden hochgewirbelt und klatschten schließlich ins Wasser, denn die Verhakung der Rahen löste sich plötzlich – teilweise sogar mit Gewalt, infolge der rapiden Krängung. Die Steuerbordseite der Galeone war von den Kugeln des Zweideckers regelrecht aufgebrochen worden.

      Über die Decks der spanischen Schiffe dröhnte ein vielstimmiger Aufschrei. Das Wasser schoß durch die Lecks und Löcher in die Unterdecksräume.

      Dichter Pulverqualm wölkte auf und brannte den Männern in den Augen. Dann wurden die Schwaden jedoch vom Wind in kleine, grauschwarze Fetzen zerrissen und seewärts getrieben. Die Scharen von Möwen, die die Schiffe umsegelt hatten, stoben kreischend auseinander.

      Siri-Tong erblickte deutlich Don Gregorio de la Cuesta, der wild gestikulierend seine Befehle brüllte. Aber die nutzten nicht mehr viel. Bereits jetzt war abzusehen, daß das Schiff nicht mehr zu retten war. Deshalb dachten die Soldaten und Crewmitglieder auch nicht mehr an eine Verteidigung – wozu auch? Rette sich wer kann – so lautete jetzt die Devise, allen Kommandos, die Don Gregorio brüllte, zum Trotz. Die Wuhling war unbeschreiblich.

      Etlichen Männern gelang es, auf die andere Galeone hinüberzuhangeln. Einige erreichten das Schiff durch einen gewagten Sprung. Weit mehr stürzten jedoch ins Wasser oder gelangten nicht mehr rechtzeitig genug an Deck, weil sie in den unteren Räumen mit dem Lenzen der eindringenden Wassermassen beschäftigt waren und schon seit einiger Zeit an den Pumpen Knochenarbeit geleistet hatten.

      Die „Caribian Queen“ aber halste und drehte den Bug nach Norden hoch.

      „Wann folgt der nächste Streich, Madam?“ wollte Barba wissen.

      Siri-Tong zuckte mit den Schultern.

      „Warten wir’s ab“, sagte sie lakonisch, denn durch den Kieker hatte sie gesehen, was sich drüben an Land abspielte, und womit sie eigentlich nicht gerechnet hatte. Im Gegensatz zu den Spaniern, die weder Zeit noch Gelegenheit hatten, die Strandregion der Insel im Auge zu behalten, hatte sie trotz des kurzen Gefechts nicht versäumt, nach den Engländern Ausschau zu halten. Und das mit Erfolg. Es war ihr nicht entgangen, daß sich dort einiges tat.

      Henry Scrutton, der mit seinen Mannen hervorragende Arbeit an den Geschützen geleistet hatte, enterte abermals auf das Achterdeck, um zu hören, was es weiter zu tun gab, während in den beiden Kanonendecks eifrig die Kanonenrohre gewischt wurden, um die Stücke so schnell wie möglich nachzuladen.

      „Du hältst Ausschau nach den Engländern, Madam?“ Der Stückmeister warf Siri-Tong einen fragenden Blick zu. „Meine lieben Landsleute sitzen wahrscheinlich da drüben im Gebüsch und wagen nicht, den kleinen Finger zu rühren. Offenbar haben Sie Schiß vor uns, Madam, was man ihnen kaum verdenken kann.“

      „Du irrst dich, Henry“, erwiderte Siri-Tong. „Mir scheint eher, die Kerle haben die Gunst der Stunde genutzt.“ Sie reichte ihm den Kieker und Henry Scrutton setzte ihn sofort ans Auge.

      „Du meine Güte!“ entfuhr es ihm Augenblicke später. „Die haben tatsächlich etwas vor. Weißt du was, Madam? Die Burschen werden mir langsam wieder etwas sympathischer.“

      Siri-Tong nickte.

      „Man braucht wohl nicht zu raten, warum sie so eilig ihre Jollen heranschleppen. Sie werden versuchen, die andere Galeone zu entern. Und diese Idee finde ich – von ihrer Warte aus gesehen – gar nicht schlecht. Die Chancen stehen sogar recht gut dafür, denn die Dons haben im Augenblick mit sich selber genug zu tun.“

      Barbas Gesicht verdüsterte sich. Die alten Zweifel, ob es richtig war, den Engländern indirekt zu helfen, kehrten zurück.

      „Ich nenne das verrückt, Madam“, sagte er, „einfach verrückt. Schließlich sind wir extra noch einmal von den Pensacola Cays hierher gesegelt, um mit den Engländern wegen des nächtlichen Überfalls auf die ‚Isabella‘ noch ein Hühnchen zu rupfen, und jetzt arbeiten wir diesen Burschen geradezu in die Hände. Es tut mir leid, Madam, aber ich finde das einfach bescheuert, jawohl!“

      Barba war wütend geworden, und er wußte auch warum. Die Engländer wollten den Seewolf, den ihre eigene Königin, Elisabeth I., mit einem Kaperbrief ausgestattet und zum Ritter geschlagen hatte, zur Strecke bringen. Und er, Barba, war jetzt womöglich im Begriff, den Kerlen zu einem Schiff zu verhelfen. Zeitweise verstand er die Welt nicht mehr.

      Die Rote Korsarin legte ihm die Hand auf die Schulter.

      „Du solltest Hasards Landsleute trotzdem nicht alle über einen Kamm scheren“, sagte sie beschwichtigend. „Bei allem Verständnis für deine Argumente – du weißt so gut wie ich, daß es unter diesen Engländern eine ganze Reihe von anständigen Kerlen gibt, die nicht verdient haben, den Dons in die Hände zu fallen. Den adeligen Rädelsführern haben wir das schmutzige Handwerk ja bereits gelegt, und gerade deshalb sollten unsere Rachegefühle gegen die Schiffsmannschaften der Vernunft weichen. Wir wollen uns schließlich nicht mit der Adelsclique auf eine Stufe stellen, nicht wahr?“

      Siri-Tong spielte damit auf den hinterhältigen Haufen um Sir Andrew und Sir Henry an, von denen allerdings der erstere inzwischen tot und der letztere als Gefangener auf der „Caribian Queen“ weilte. Der dritte Schurke, nämlich der alte Killigrew, befand sich als Gefangener auf der „Isabella IX.“, dem Schiff der Seewölfe.

      Barba stieß einen Knurrlaut aus.

      „Wahrscheinlich hast du wieder einmal recht, Madam“, entgegnete er. „Vielleicht halte ich die Dinge wirklich nicht genau genug auseinander. Die Mannen, die unter dem Kommando dieser Adelsaffen fuhren, mußten wohl oder übel nach deren Musik tanzen, zumindest, was das einfache Decksvolk betrifft.“

      „So sehe ich das auch, Barba“, sagte Henry Scrutton. „Und ich muß zugeben, daß mein Zorn auf meine Landsleute schon größer gewesen war als jetzt. Ich habe mich inzwischen auch daran gewöhnt, die Dinge etwas nüchterner zu betrachten.“

      „Als Engländer fällt dir das wahrscheinlich leichter“, meinte Barba und setzte ein Grinsen auf. „Mein Dickschädel aber ist ein bißchen härter, und manche Dinge brauchen eben etwas länger, bis sie da durch sind.“

      Siri-Tong lehnte sich gegen die Querbalustrade des Achterdecks. Die oberen Knöpfe ihrer roten Bluse hatte sie geöffnet, weil die Sonne heiß vom Himmel brannte.

      „Ich glaube, daß es in dieser Angelegenheit noch einiges zu klären gibt“, fügte sie ergänzend hinzu.

      „Wie meinst du das, Madam?“ fragte Barba.

      „Nun, ich kann eigentlich nicht


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