Seewölfe - Piraten der Weltmeere 178. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 178 - Kelly Kevin


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Holz geschnitzt. Immer wieder beschwor er die Männer, nicht aufzugeben. Immer wieder trieb er sie hoch, wenn sie nur noch den Wunsch hatten, im Schnee liegenzubleiben und auf den Tod zu warten. Immer wieder spornte er sie durch sein Beispiel an, und ihm verdankten sie es, daß sie es überhaupt so weit geschafft hatten.

      Gleichmäßig tauchte er das Stechpaddel ein und trieb das Boot weiter.

      Auf der anderen Seite des Bootes tat der bärtige Peter Wolf das gleiche. Er und sein Bruder Michael stammten aus dem Schwarzwald wie Martin Trieberg. Jarl Tromsö war Schwede wie Olsen, die beiden anderen stammten aus Norwegen. Es war eine bunt zusammengewürfelte Besatzung gewesen, die die „Helsingborg“ an Bord gehabt hatte. Genauso bunt zusammengewürfelt wie die Gruppe halb verhungerter Goldsucher, die sie in der Bristol Bay aufgenommen und die sich zum Dank in den Besitz des Schiffs gesetzt hatten.

      „Ob wir die ‚Helsingborg‘ je wiedersehen werden?“ fragte eine der erschöpften Gestalten.

      Olsen hob die Schultern. „Ich weiß nicht. Mir würde es schon genügen, wenn wir unsere Kameraden wiedersähen.“

      „Vielleicht suchen sie uns. Vielleicht finden sie unsere Zeichen, eine der Nachrichten, die wir zurückgelassen haben.“

      „Vielleicht. Sie können genauso noch am Leben sein wie wir.“

      „Aber wir werden nicht mehr lange am Leben bleiben, wenn es so weitergeht“, murmelte Jarl Tromsö. „Ah! Mit welchem Vergnügen würde ich diesen Jack Jayhawk erwürgen.“

      Der Zorn weckte ein wenig ihre Lebensgeister.

      Im Bug des Bootes packte Michael Wolf die Muskete fester. Sie war ihre einzige Waffe außer ein paar Messern. Und sie brauchten sie, das wußten sie, seit sie an Land auf einen Eisbären gestoßen waren. Damals hatten sie aus Furcht darauf verzichtet, das verwundete Tier zu verfolgen. Jetzt wären sie froh gewesen, wenn ein Eisbär sie angegriffen hätte, denn jedes erlegte Tier bedeutete eine Spanne Leben.

      „Weiter“, knirschte Aage Olsen. „Wir schaffen es. Wir müssen es schaffen!“

      Es klang wie eine Beschwörung.

      Und die erschöpften, verzweifelten Männer klammerten sich daran. Denn außer ihrer Hoffnung war ihnen nichts geblieben.

      „Vorsicht, du Stint!“ brüllte Ed Carberry.

      Seine Faust schoß vor, er packte Luke Morgan am Kragen und riß ihn zurück. Der kleinere Mann fuhr herum. Er war ein Hitzkopf, daran konnte auch die nördliche Kälte nichts ändern.

      „Du bist wohl vom wilden Affen gebissen, du hirnamputierte Kakerlake, du …“

      „Halt die Luft an, Luke Morgan“, sagte Hasard sanft. „Wirf lieber mal einen Blick auf die Stelle, auf die du gerade deine Füße setzen wolltest.“

      Morgan wandte sich wieder um – und erblaßte.

      Unmittelbar vor ihm klaffte ein breiter Spalt im Eis. Er war drauf und dran gewesen, hineinzustürzen. Und dann hätte ihn nichts und niemand mehr retten können.

      „O verdammt“, murmelte er tonlos.

      „Das sagst du gut. Noch so eine Unachtsamkeit, und ich schwöre dir, daß du zwei Wochen in der Vorpiek schmorst, sobald wir eine wärmere Gegend erreichen.“

      „Und ich ziehe dir eigenhändig die Haut in Streifen von deinem verdammten Affenarsch“, fügte Carberry hinzu. „Und zwar sofort, warme Gegend hin oder her. He! Habe ich Halluzinationen, oder ist das da drüben offenes Wasser?“

      Es war offenes Wasser – eine breite Fahrrinne, die sich nach Westen zog. Wenn die „Isabella“ sie erreichte, konnte das Schiff wieder manövrieren, und das Wasser war nah genug, um es nicht unmöglich erscheinen zu lassen, den Würgegriff des Eises zu sprengen.

      Ohne den dicken Nebel hätten sie die „Isabella“ vielleicht sogar noch sehen können.

      Glück gehabt, dachte der Seewolf. Doppeltes Glück, da die Spalte, die Luke Morgan fast zum Verhängnis geworden wäre, genau in die richtige Richtung wies. Wenn sie die Sprengung geschickt legten, war es möglich, daß die ganze riesige Eisscholle auseinanderbrach. Die Männer grinsten sich an, und Hasard gab das Zeichen umzukehren.

      Luke Morgan war etwas blaß um die Nase und starrte stur vor seine Füße. Sam Roskill und Bob Grey hatten ebenfalls einen gelinden Schock davongetragen. Und der Profos schnitt ein Gesicht, das für jede weitere Unachtsamkeit sämtliche Höllenstrafen versprach und dessen Anblick allein schon genügte, um die Vorsicht der Männer zu verdoppeln.

      Ohne weiteren Zwischenfall erreichten sie die „Isabella“.

      Ein unheimliches Bild: Die glitzernde, von Eis überzogene Galeone schien wie ein Geisterschiff in den ziehenden Nebelschwaden zu schweben. Wenig später waren bereits die Gestalten am Schanzkleid zu erkennen. Dan O’Flynn, der mit seinen scharfen Augen die Ankommenden als erster erspähte, schwenkte die Arme. Die anderen sahen ihnen voller Spannung entgegen.

      Selbst Siri-Tong, London-Lilly und die Kinder waren an Deck erschienen. Hasard berichtete kurz. Al Conroy hatte bereits Sprengladungen und Zündschnüre vorbereitet, also konnten sie sofort an die Arbeit gehen.

      Diesmal mußten sie einen der Materialschlitten abfieren, die Ferris Tucker gebaut hatte.

      Pulverfäßchen wurden gemannt, Lunten, Sandsäcke und Kettenkugeln zum Verdämmen. Ein Dutzend Schritte von der „Isabella“ entfernt fingen sie mit einer leichteren Ladung an, dann ging es weiter. Mit Beiteln und Hämmern, Äxten und Dächseln arbeiteten sie sich tief in die Eisdecke hinein, verlegten Lunten und verdämmten alles doppelt und dreifach, damit der Explosionsdruck nicht wirkungslos nach oben verpuffte. Stunden vergingen. Es war eine schweißtreibende, mörderische Arbeit, die die Männer bewältigten. Sie lösten sich ab. Niemand schloß sich aus, auch nicht Martin Trieberg, der immer noch unter den Nachwirkungen der langen Krankheit litt.

      Die Zwillinge verlegten unter Siri-Tongs Anleitung die Lunten, und zwar so, daß alle Sprengladungen ungefähr gleichzeitig hochgehen würden.

      Es mußte klappen. Die letzte Ladung wurde unmittelbar am Rand der tükkischen Spalte angebracht, und Ed Carberry und der schwarze Herkules Batuti zogen den leeren Materialschlitten zurück zur „Isabella“.

      Dan O’Flynn und Bob Grey stritten sich darüber herum, wer von ihnen die schnelleren Beine habe, und schließlich marschierten sie beide über das Eis, um die Lunten zu zünden.

      Im Laufschritt kehrten sie zurück. Blitzartig enterten sie auf, während die anderen die sprühenden Flämmchen beobachteten, die wie Irrlichter durch den Nebel huschten.

      „Deckung, ihr Rübenschweine!“ brüllte Ed Carberry, und die Seewölfe duckten sich hastig hinter die Schanzkleider.

      Im nächsten Augenblick ließ der donnernde Krach die Luft zittern.

      Binnen einer halben Minute detonierten sämtliche Ladungen. Trümmer und Eisbrocken flogen, Kettenkugeln wurden emporgeschleudert, ein Splitterregen prasselte gegen die Schanzkleider der „Isabella“ und ging über der Kuhl nieder. Es handelte sich um Eisstückchen, die zum Teil gefährlich scharf waren, aber diesmal schaffte es sogar Smoky, nichts von dem ganzen Segen an den Kopf zu kriegen.

      Ein unheimliches Knirschen und Knacken mischte sich in den Nachhall der Explosionen.

      Dann ein dumpfes Gurgeln – und das war Musik in den Ohren der Seewölfe.

      Dan O’Flynn schnellte als erster hoch und starrte auf das Eis hinunter. Sekundenlang verharrte er in atemloser Spannung, während immer noch das Knirschen und Glucksen zu hören war, und schließlich warf er triumphierend die Arme in die Luft.

      „Wasser!“ schrie er. „Das Eis ist gebrochen! Wir haben’s geschafft, wir haben’s wirklich geschafft!“

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