Seewölfe - Piraten der Weltmeere 134. Fred McMason
so viel abgeknöpft, daß wir fast eine kleine Armee damit ausrüsten können. Alles ist da, von den Helmen bis zu den Waffen, einige Kerle müssen nur noch künstlich etwas nachgedunkelt werden.“
„Das wird der Kutscher noch heute besorgen. Kurz vor Tagesanbruch laufen wir aus, und unterwegs werden wir noch eine kleine Übung abhalten, damit es keine Pannen gibt. Es muß alles wie am Schnürchen laufen. Du steigst in die Rolle des ersten Offiziers und gibst dich so arrogant und herablassend wie nur möglich. Jeder andere erhält seine Rolle unterwegs auf See genau zugewiesen. Laß jetzt den Kutscher antreten und alle die Männer, die blonde Haare haben. Wir werden uns gründlich verwandeln.“
Ziemlich fertig und erschöpft traten die Seewölfe etwas später auf dem Deck an, aber als sie hörten, um was es ging, begannen die ersten zu grinsen und sich die Hände zu reiben. Das war wieder mal so ganz nach ihrem Geschmack, besonders Carberry freute sich diebisch.
„Das wird ein Fest“, verkündete er und schlug sich auf die Schenkel, grinste und blickte wild um sich. „Das einzige was mir dabei nicht gefällt, ist die stinkige Salbe, die der Kutscher hat, aber die müssen wir wohl in Kauf nehmen, wenn alles so echt wie nur möglich aussehen soll.“
„Unterhaltungen werden nur noch in Spanisch geführt“, sagte der Seewolf. „Nach dem Auslaufen drehen wir in Richtung See ab, etwa sechs Meilen Küstenentfernung, bis wir diesen kreuzenden Kahn entdecken, das Auge El Corsarios. Dieses Auge werden wir blenden, es geht sofort voll drauf, sobald die Kerle Anstalten unternehmen, uns auf den Pelz zu rücken. Es wird erbarmungslos gefeuert. Wir führen ab sofort die spanische Flagge und segeln im Auftrag seiner Allerkatholischsten Majestät, unseres lieben Philipp. Wer Fragen hat, kann sie jetzt stellen! Alles weitere wird noch geübt, sobald wir unterwegs sind.“
„Und wenn das ganze Geschwader gleichzeitig ausläuft und uns einkreist?“ wollte Matt Davies wissen.
„Wir segeln mit Vollzeug in die Bucht, direkt im Neunzig-Grad-Winkel von See aus. So schnell werden sie gar nicht reagieren, ich habe mir das von dem Holländer genau beschreiben lassen. Dieser El Corsario lauert auf die Beute, die sich dicht unter Land bewegt und Nord- oder Südkurs segelt. Er wird nicht damit rechnen, daß sich ein Schiff direkt auf seine Bucht bewegt.“
Der riesige Gambia-Neger lachte dröhnend.
„Batuti nicht aussehen wie Spanier“, sagte er, „auch wenn Batuti haben schwarze Haar, ganz krumme. Batuti werden wieder spielen armes Nigger von Sklavenmarkt, wo immer kriegen von Profos viel Prügel und schlecht Essen.“
„Du kannst auch unter Deck bleiben“, sagte Hasard, aber der Neger schüttelte den Kopf.
„Batuti machen viel Spaß, wenn können Don ärgern, Sir. Lassen Batuti an Deck, vielleicht können an Mast binden, wo Batuti schreien nach Negerland und armes Vater und Mutter.“
„Hmm, das dürfte nicht schlecht wirken“, sagte Hasard lachend. „Legt euch also spanische Namen zu, ich selbst fungiere als Don Manuel de Funchal. Gerüchteweise haben wir gehört, daß es an der Küste nicht mit rechten Dingen zuginge. Uns folgen sechs schwerbewaffnete Galeonen mit Seesoldaten, demnach wird El Corsario sich hüten, uns anzugreifen. Er wird uns etwas vorflunkern, nehme ich an, und wir werden improvisieren müssen. Aber das werden die Gelegenheit und der Augenblick mit sich bringen. Das läßt sich nicht in allen Einzelheiten im voraus planen.“
Etwas später trat der Kutscher in Aktion, während der Moses Bill und der alte Segelmacher Will Thorne die verstaubten Uniformen heraussuchten und sie nach Größen ordneten.
Das Geschrei ging wieder los, als der Kutscher den ersten Männern das übelriechende Färbemittel auf die Haare klatschte und genüßlich verrieb.
Es stank in der Tat mehr als bestialisch, aber das ließ sich leider nicht ändern, wie der Kutscher versicherte, und wenn sie ihre Köpfe schon nicht zum Denken hätten, so wenigstens dazu, sie sich färben zu lassen, wie er betonte.
Stenmark, der blonde Schwede, verzog angewidert das Gesicht, als der Kutscher ihn salbte.
„Ich sehe bestimmt aus wie mein eigener Großvater“, sagte er. „Mußt du das Zeug denn unbedingt so dick auftragen, Kutscher?“
„Wer hier meckert, den seife ich zweimal ein“, drohte der Feldscher der „Isabella“. „Endlich kann ich mich einmal an euch Kerlen revanchieren. Wirst du noch einmal am Essen mäkeln?“ fragte er, und hielt schon die nächste Menge übelriechendes Zeug in der Hand, um es dem Schweden auf die blonden Borsten zu klatschen.
„Nie mehr“, versicherte Stenmark unter dem Gelächter der anderen. „Deine Kakerlaken sind die besten und die Ratten in der Suppe immer so zart und fein gewürzt.“
Ungerührt ließ der Kutscher die übelriechende Masse los, klatschte, rieb und massierte genüßlich. Diesmal konnte er sich austoben, sie waren ihm ausgeliefert, und das wußte der Kutscher zu würdigen. Ab und zu schickte er prüfende Blicke in die Runde, und sobald sein Auge etwas länger auf einem mißmutigen Gesicht verweilte, verzog es sich zu einem gequälten Grinsen, wie er zufrieden feststellte.
Unterdessen versuchte Ed Carberry, sich fluchend in eine spanische Uniform zu zwängen, die ihm Will Thorne gab. Es ging nicht, das Wams war zu eng, es drohte aus den Nähten zu platzen.
„Verdammt, gibt es denn keine großen Dons?“ fragte Carberry ärgerlich. „Die Kerle sollten mehr fressen, dann wachsen sie auch. Das Ding paßt nicht, Will, gib mir das andere.“
Thorne ließ ihn geduldig probieren, doch Carberry war ein schwieriger Fall, und es dauerte lange, bis er eine halbwegs passende Uniform gefunden hatte.
„Na, wie sehe ich aus?“ fragte er den Segelmacher.
Der alte Thorne kratzte sich den Schädel und überlegte.
„Na, sag schon!“ drängte Ed ungeduldig.
„Hm, wenn du es mir nicht verübelst, Profos, aber ich würde dich für einen etwas zu groß geratenen spanischen Bauernlümmel halten, einen, der von zu Hause ausgekniffen ist.“
„Vielen Dank!“ brüllte Ed. „Aber ich habe dich nicht um deine Meinung gefragt.“
„Dann muß ich mich verhört haben“, sagte Will grinsend. „Aber du siehst wirklich gut aus, Profos. Du bist der größte Spanier, den ich je gesehen habe.“
Carberry stolzierte in seiner spanischen Uniform ein wenig herum und fühlte sich reichlich merkwürdig darin. Aber der Zweck heiligte die Mittel, und so ließ er sich auch eine Weile geduldig hänseln, bis sich die anderen wieder beruhigt hatten.
Inzwischen ging das Einseifen weiter. Die ersten Männer standen mit angeklatschten Haaren an Deck und betasteten den Aufbau, der an der Luft trocknete und steinhart zu werden begann. Mindestens eine Stunde lang sollten sie das Zeug drauf lassen, wie der Kutscher bestimmte, erst danach wurde es ausgewaschen.
„Und wenn euch der Schädel noch so juckt und steinhart wird, es löst sich mit Wasser später wieder auf. Und jetzt verzieht nicht so griesgrämig die Gesichter, ihr Stinte, ihr spanischen.“
„Mein Gesicht verzieht sich von allein“, schimpfte Stenmark, „weil das Zeug jetzt hart wird. Ich bringe kaum noch das Maul auf.“
„Um so besser“, erwiderte der Kutscher ungerührt. „Dann halte es für eine Weile.“
Die Prozedur ging weiter und endete erst kurz vor Mitternacht. Bis dahin hatten sich alle stark verändert.
Hasard ordnete Ruhe an. Er ließ Doppelwachen aufziehen, obwohl die Holländer aufpaßten und ebenfalls Wache gingen. Aber des Seewolfs Devise war, immer selbst die Augen offen zu halten und sich nicht auf andere zu verlassen.
Diese Nacht verlief fast verdächtig ruhig.
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