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stelle den feierlichen Antrag, auch mitpullen zu dürfen.“

      „Genehmigt“, sagte Hasard.

      Der Segundo Noberto Llamas schlug die Augen auf und hatte sofort einen sehr konkreten Begriff davon, was vorgefallen war, wo er sich befand und was ihm aller Wahrscheinlichkeit nach nun bevorstand. Da waren keine Sekunden geistiger Abwesenheit, keine verständnislosen Blicke, die er um sich warf – er war sofort voll bei Sinnen und konnte sich an alles erinnern. Vielleicht lag das an den sehr wirklichkeitsnahen Schmerzen, die seinen Schädel durchtobten.

      Der Kapitän der „Santa Catalina“ hockte neben ihm oder genauer, über ihm, denn Llamas lag quer zwischen den Duchten der einmastigen Schaluppe, und der Kerl, der ihn niedergeschlagen hatte, hatte sich auf einer dieser Duchten niedergelassen.

      Er lächelte dünn, aber seine Augen lächelten nicht mit. Llamas rief sich noch einmal ins Gedächtnis zurück, daß dieser Kerl unmöglich der Kapitän Enrique José Algaba sein konnte.

      „Wer bist du?“ stieß der Segundo hervor.

      „Schrei nicht“, entgegnete der Kerl mit der Perücke und der Montur eines spanischen Schiffsführers. „Wir sind den Piers nahe und man könnte dich hören.“ Er zog bedächtig sein Messer und legte die Klinge auf die Fingerkuppen der linken Hand, während er das Heft mit der rechten hielt.

      „Wer bist du?“ flüsterte Llamas.

      „Beantworte zuerst du meine Fragen.“

      „Der Teufel soll dich holen, wenn du mich nicht sofort freiläßt“, ächzte Llamas. „Meine Hände sind gefesselt. Was ist mit meinen vier Männern geschehen?“

      Das Messer war seiner Kehle plötzlich bedenklich nahe. Unwillkürlich hielt der Segundo den Atem an.

      „Halte dich an die Spielregeln“, zischte der vermeintliche Algaba. „Sonst erreichst du das Ufer nicht mehr, sondern nur noch den Grund der Hafenbucht, und zwar als Leichnam.“

      „Ich – werde antworten.“

      „Wo steckt der Hafenkapitän?“

      „Er ist tot.“

      „Broviras? Ha, das geschieht ihm recht. Er war ein elender Bastard, dessen Aufenthalt auf der Welt eine totale Fehlplanung gewesen sein muß. Ein unnützer Fresser und Luftverpester.“ Der Kerl mit dem Messer lachte leise auf. „Woran ist der Hund denn krepiert?“

      „An der Gelbsucht“, sagte der Segundo wahrheitsgemäß. „Ganz Sao Tomé ist von dieser und anderen Krankheiten befallen. Die halbe Stadt siecht dahin. Es ist die Hölle.“

      „Das lügst du.“

      „Nein. Ich habe keinen Grund dazu.“

      „Du willst mich einschüchtern!“ stieß der Kerl auf der Ducht aus. „Aber mit einem so billigen Trick verscheuchst du mich nicht von hier. Ich schätze, die Bewohner dieses idyllischen Fleckchens Erde erfreuen sich blühender Gesundheit, und genauso müßte es um die Finanzen der Stadt bestellt sein, wenn ich mich nicht irre.“

      „Was hast du vor?“

      „Ahnst du das nicht?“

      Noberto Llamas’ Augen weiteten sich, und er spürte seine Schmerzen plötzlich nicht mehr. „Doch, ich ahne es. Was habt ihr mit — mit dem wirklichen Algaba gemacht, nachdem ihr die ‚Santa Catalina‘ geentert und an euch gerissen hattet?“

      Der falsche Kapitän lächelte grausam. „Ich muß sagen, der nicht ganz offizielle Stellvertreter des Hafenkapitäns von Sao Tomé ist kein Dummkopf. Er hat genug Phantasie, um sich ausmalen zu können, was geschehen ist. Nun, wir haben Algaba und einen Teil seiner Drecksmannschaft aus dem Weg geräumt, aber den Rest des Haufens haben wir mit einem Boot davonziehen lassen.“

      „Das ist eine Lüge …“

      „Sag das nicht noch mal“, zischte der Mann auf der Ducht, der nicht besonders groß von Gestalt war und doch ausladende Schultern und eine wuchtige Statur hatte. Sein Messer senkte sich wieder bedrohlich auf Llamas’ Gurgel.

      „Was habt ihr mit den armen Teufel getan?“ würgte der Segundo hervor.

      „Denk, was du willst“, erwiderte der Pirat ungerührt. „Jedenfalls haben wir unser eigenes Schiff, das während des Gefechts stark angeschlagen worden war, kurzerhand versenkt. Die ‚Santa Catalina‘ ist nun unser Segler, und sie genügt uns, um ganz Sao Tomé das Fürchten beizubringen – das schwört dir Manuelito, Segundo.“

      Llamas schloß in ohnmächtiger Wut die Augen. Manuelito – einer der gefürchtetsten Freibeuter des Golfes von Guinea! Ein gebürtiger Spanier, ein Verräter und Abtrünniger, der einst in der Armada gedient hatte und jetzt als gnadenloser Seeräuber all das ausnutzte, was er seinerzeit gelernt hatte.

      „Ich sehe, mein Name verfehlt seine Wirkung nicht“, sagte Manuelito. „Das erfüllt mich mit Stolz, Segundo. Und wie brav ihr auf unsere Lichtsignale hereingefallen seid! Ich brauchte nur ein wenig in den Büchern von Algaba herumzustöbern, um die richtigen Zeichen zusammenzustellen und euch bei meiner Ankunft im Hafen hereinzulegen.“

      „Ich habe schimpflich versagt“, flüsterte Llamas. „Töte mich, Manuelito!“

      „Ich denke nicht daran. Willst du Selbstmord begehen? Versuche es. Ich glaube nicht, daß du es tust.“

      Für einen Moment war der Segundo versucht, sich in das Messer des Piratenführers zu stürzen, aber dann siegte doch der Selbsterhaltungstrieb, ein geradezu übermächtiger Instinkt. Noberto Llamas preßte die Lippen zusammen, um nicht zu schreien. Die Niederlage war vollkommen und hätte schmählicher nicht sein können.

      „Broviras kannte den richtigen Algaba persönlich“, sagte Manuelito leise. „Aber Broviras ist tot, und es gibt keinen Menschen in der Stadt, der den Schwindel aufdecken könnte. Außer dem Stadtkommandanten Barba Valiente vielleicht. Aber der hockt oben in seiner Burg und läßt sich von seiner schönen Frau streicheln. Von diesem Rasseweib! Ist es so, Segundo?“

      „Du kennst dich anscheinend hervorragend aus.“

      „Ich träume schon lange davon, Sao Tomé in meinen Besitz zu bringen. Ich weiß fast alles über die Insel, über das Kastell, über die Schätze, die in seinen Kellern liegen. Segundo, es war eine Fügung des Schicksals, daß ich die ‚Santa Catalina‘ aufbrachte, daß ich in der Kapitänskammer den geheimen Auftrag fand, aus dem nicht mehr hervorgeht, als die Tatsache, daß die Viermast-Galeone von Cadiz nach Sao Tomé unterwegs war …“

      „Wegen der Urwaldseuchen, Manuelito“, unterbrach ihn Llamas.

      „Du lügst.“

      „Also gut, ich lüge.“

      Manuelito grinste breit und häßlich. „Hör mir gut zu, Hombre. Caranza, meine rechte Hand, und sechs weitere Männer meiner Meute befinden sich als Offiziere und Soldaten verkleidet in dieser Schaluppe. Außerdem wären da deine vier Getreuen. Die Piers sind nahe, und mit ihnen die vielen Neugierigen, die sich wundern würden, wenn sie eure Handfesseln sähen.“

      „Sie würden sich gehörig wundern, Manuelito.“

      „Ich schneide euch die Fesseln auf“, sagte der Pirat. „Und du setzt deinen vier Compadres auseinander, daß es besser sei, nach unseren Anweisungen zu handeln. Wenn nicht, dann jagen wir jedem von euch ein Messer zwischen die Rippen und veranstalten auf den Piers ein Massaker.“

      „Davor würdet ihr nicht zurückschrecken“, sagte Llamas mit einer Stimme, die ihm selbst fremd und unnatürlich erschien.

      „Also kann ich dich jetzt Von dem Tauende befreien?“

      „Ja.“

      „Du wirst keinen Fluchtversuch unternehmen und keinen Alarm schlagen?“

      „Ich verspreche dir, daß ich mich nicht wie ein Narr benehmen werde“, sagte der Segundo. Er atmete flach und unregelmäßig, und. ihm war elend zumute, hundeelend.

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