Seewölfe - Piraten der Weltmeere 270. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 270 - Fred McMason


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heran, warf sich vor Uluch Ali auf die Knie und berichtete hastig.

      „Selim Shanoun läuft ein, Erhabener.“

      „Sehr gut“, sagte Uluch zufrieden. Er ging ein paar Yards über die Pier, bis er die Hafeneinfahrt besser erkennen konnte. Zum erstenmal seit langer Zeit zeigte sein Gesicht wieder einen zufriedenen Ausdruck. Die Feluken seines Stellvertreters waren also zurückgekehrt. Und natürlich hatten sie die verhaßten Christenhunde an Bord. Wenn auch nicht alle, aber einige hatten sie ganz sicher gefangen, und damit war der Seewolf erpreßbar, falls er sich nicht ohnehin unter den Gefangenen befand.

      Uluch starrte hinaus aufs Meer, dabei wurde sein Gesicht immer länger, düsterer und finsterer. Er sah sich nach dem Kerl um, der ihm die Meldung überbracht hatte, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.

      Selim lief mit seinen Feluken ein! Was, zum Teufel, hatte der Kerl denn nur gefaselt? Selim verfügte über eine schlagkräftige Flotte. Aber das, was da mühsam genug heransegelte, waren eine lahme Ente und eine noch einigermaßen intakte Feluke.

      Teufel noch mal, dachte er. Die hatten doch mit Selims Flotte nichts zu tun. Am liebsten hätte er diesem Melder in den Hintern getreten, so erbost war er über diesen falschen Alarm.

      Gerade als er sich abwenden wollte, fiel ihm etwas auf, und er blickte genauer hin.

      Das eine zerrupfte Huhn war tatsächlich Selims Feluke, das erkannte er an der kleinen geschnitzten Figur am Bug. Aber wie sah diese Feluke aus!

      Der hintere Mast fehlte, ein Teil des Decks war aufgeplatzt, und das Schiff war so übel zugerichtet, daß Selim es gleich abwracken konnte, denn da war noch viel mehr kaputt, als er auf den ersten Blick sah.

      Gerupft und flügellahm schlich es in den Hafen, begleitet von der anderen Feluke, die anscheinend nichts abgekriegt hatte.

      Egal, dachte Uluch. Hauptsache, sie brachten ihm ein paar der verteufelten Kerle. An denen konnte er seine Wut dann gründlich auslassen.

      Er ging wieder zurück und nahm seinen Platz auf der Galeere ein. Er hatte es nicht nötig, sich an die Pier zu stellen und Selim auszufragen. Der sollte gefälligst untertänigst selbst antanzen und Meldung erstatten.

      Während er sich im Schatten niederließ, grübelte er darüber nach, weshalb sein Vertrauter nur mit zwei Feluken ausgelaufen war. Oder sollten die anderen doch noch unterwegs sein und die Seewölfe suchen?

      Nein, das war unlogisch. Selim hatte sie selbst an Bord, und es hatte vermutlich einen harten Kampf gegeben, sonst wäre das Schiff nicht so zerrupft und mitgenommen gewesen.

      Er spielte mit dem Gedanken, seinem Vertrauten Selim Shanoun eine besondere Vergünstigung zu gewähren. Hatte er den Seewolf persönlich an Bord, dann würde er ihn reich belohnen. Hatte er von seiner Crew ein paar Kerle, gab es natürlich auch eine Belohnung, das war sicher. Sie würde dann nicht ganz so hoch ausfallen, denn diesen schwarzen Teufel wollte er von allen am liebsten haben, um ihm all das zurückzuzahlen, was er ihm im Laufe seines Lebens angetan hatte. Jeden Schmerz kriegte er zurück, jede Narbe, die kleinste Demütigung und Beleidigung.

      Die intakte Feluke legte zuerst an, dann schob sich Selims Schiff wie eine Bleiente daran vorbei und wurde vertäut.

      Der alte Halunke hatte natürlich Uluchs Galeere längst gesehen, und so beeilte er sich, gleich von Bord zu springen und herüberzulaufen.

      Uluch Ali empfing ihn sitzend unter dem Sonnensegel. Sein Gesicht drückte gierige Erwartung aus.

      „Du bringst mir gute Nachrichten, mein Freund“, sagte Uluch. „Erzähle, ich höre dir zu. Du hast mit diesen Hunden gekämpft, und du hast sie erwischt. Berichte!“

      Selims Vollmondgesicht war grauin grau. Nur die Pausbacken verfärbten sich knallrot, und der Blick seiner stechenden Augen senkte sich, als er vor dem sitzenden Uluch Ali stehenblieb.

      „Ich fürchte, Herr, ich bringe schlechte Nachrichten.“

      „Schlechte?“ fragte Ali mißtrauisch. „Was heißt das?“

      Inzwischen hatten sich, in gebührendem Abstand, etliche Kerle eingefunden, die genauso erwartungsvoll waren wie Ali. Der Kapitän der Galeere stand etwas abseits. Neben ihm befanden sich der Schlagmann und ein riesiger dunkelhäutiger Kerl mit einem kleinen Zopf im Nacken.

      „Was heißt das?“ wiederholte Ali etwas schriller, als noch immer keine Antwort von seinem Vertrauten erfolgte.

      „Seht, o Herr“, sagte Selim tonlos und verneigte sich ehrfürchtig und mit angemessenem Respekt. „Wir stießen auf diese Kerle, aber wir liefen in eine Falle, in eine schreckliche Falle.“

      Uluch saß mit steinernem Gesicht da, während sich Selim vor ihm wie ein kranker Wurm wand.

      Uluch Ali schloß die Augen, während sich sein Gesicht immer mehr in die Länge zog und verfinsterte. Aus der Traum, dachte er. Selim hatte es nicht geschafft, die Kerle zu schnappen. Keinen einzigen hatte er an Bord, sonst hätte er ihn längst mit selbstgefälligem Lächeln präsentiert.

      Seit Uluch Ali den Kopfstreifschuß erhalten hatte, litt er öfter unter starken Schmerzen. Sie kamen und gingen intervallartig, aber sie verschwanden nie ganz. Seitdem war er noch grantiger und unausstehlicher geworden. Jetzt zuckte ihm wieder einer dieser schnellen schmerzhaften Blitze durch den Schädel, und der Zorn jagte ihn hoch.

      „Weiter!“ brüllte er. „Weiter! Verschweige nichts. Du hast versagt, du Jammerlappen!“

      „Niemand konnte es ahnen, Herr“, verteidigte sich Selim. „Wir wußten, daß diese Hunde dein Flaggschiff hatten, und so suchten wir es, und wir fanden es auch. Wir alle wußten, daß an Bord dieser Affe war, und schließlich gelang es uns, das Flaggschiff zu stellen.“

      „Mit wie vielen Schiffen?“

      „Ich bin mit insgesamt zwölf Feluken ausgelaufen, Herr.“

      „Weiter!“ Diesmal war Alis Stimme am Überkippen, und ein hysterischer kreischender Ton war darin.

      „Es waren keine Seewölfe an Bord, Herr, und auch kein Affe. Wir fielen auf eine Kriegslist herein. Man hat uns einen Köder hingehalten. An Deck deines Schiffes, Herr, tauchten plötzlich spanische Seesoldaten auf. Es waren so viele, daß man sie nicht mehr zählen konnte, und sie nahmen uns sofort unter Feuer.“

      „Keine Seewölfe?“ fragte Ali entsetzt. „Spanier? Wie war das möglich?“

      „Ich weiß es nicht, Herr. Als wir im Gefecht waren, wir konnten und wollten nicht mehr zurück, da tauchten weitere Spanier auf, eine große Kriegsgaleone und stark armierte Feluken. Sie haben uns aufgerieben, wir konnten nur noch mit Not und Mühe entkommen. Doch dann, Herr, erschien noch ein kleines Schiff, eine Tartane, wie sie die Spanier zu Kurierdiensten verwenden, und diese Tartane befehligte dieser Killigrew. Wir haben ihn ganz deutlich gesehen. Er segelte hohnlachend an uns vorbei und warf eine Zauberflasche an Bord unseres Schiffes. Dann gab es einen riesigen Blitz, und wir mußten flüchten. Es war eine Falle, Herr“, schloß Selim, „wir wußten davon nichts. Niemand konnte ahnen, daß dieser verdammte Engländer das Schiff gewechselt hat.“

      Alis Schultern sanken nach vorn. Er stieß ein Röcheln aus, sein Gesicht verzog sich zu einer gallebitteren Fratze. Dann explodierte er, und die Männer, die weiter abseits standen, rannten voller Entsetzen davon. Über dem Hafen lag plötzlich der Pesthauch des Todes.

      Wenn Uluch Ali diese Anfälle kriegte, stand es um die Versager immer schlecht. Dann zitterten alle, einschließlich Diener, Eunuchen, Kapitäne und Befehlshaber der anderen Schiffe.

      Ali ging so jähzornig in die Luft wie immer und begann, Selim in der übelsten Art laut zu verfluchen.

      Es dauerte lange, bis er sich ausgetobt hatte. Was danach folgte, kannten die anderen ebenfalls bis zur Genüge. Ali würde Punkt für Punkt „erleuchten“, wie er es nannte, und anschließend würden Köpfe rollen.

      Diese Zwischenphase war sozusagen die Ruhe vor dem Sturm, der dann mit der Heftigkeit wilder Orkane blies.

      Jetzt


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