Seewölfe Paket 16. Roy Palmer

Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer


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er sich noch einmal um und musterte den Corporal. Der jedoch sah hochmütig an ihm vorbei und würdigte ihn keines Blickes, denn ganz besonders von dem Narbenkerl hatte er stets Beleidigungen einstecken müssen. Die harmlosesten davon waren noch: kalfaterte Bilgenratte, Affenarsch und Rübenschwein.

      Die heransegelnden Galeonen waren bereits mit bloßem Auge als Punkte und Striche zu erkennen. Sie segelten bei ruppiger See hart über Backbordbug liegend.

      Durch den Kieker erkannte man sie allerdings viel besser.

      „Das eine ist eine Galeone von höchstens fünfzig tons“, schätzte Dan O’Flynn. „Mehr hat die sicher nicht drauf.“

      „Und die andere ist so mickrig, daß sie gar nicht zählt“, meinte der Profos. „Könnte ein Beiboot von uns sein.“

      Das war natürlich wieder mal stark untertrieben, aber der Profos untertrieb gleich noch weiter.

      „Durch die vier Stückpförtchen bringen die nicht mal einen Zahnstocher raus“, stellte er fest. „Wenn die wirklich mal feuern, dann knallt da bloß ein bißchen Blei aus dem Rohr, so’n halbes Pfund schätze ich, aber weil da kein Dampf dahintersteckt, fallen denen die Kugeln immer in die eigenen Bordwände. Sie würden also bei einem Gefecht das Risiko eingehen, sich selbst zu versenken“, überlegte er laut.

      „Sagen wir mal, es sind nur eineinhalb Galeonen“, meinte O’Flynn. „Insgesamt hat seine ehrenwerte Lordschaft dann also viereinhalb.“

      „Was habt ihr da zu glotzen?“ brüllte der Corporal plötzlich, als er die beiden Männer im Ausguck laut lachen hörte.

      Der Profos schwenkte das Spektiv herum und blickte genau in das Gesicht des wütenden Corporals. Natürlich sah er nichts, weil der Kerl viel zu dicht davor stand, trotzdem stieß er Dan entsetzt an.

      „Hast du schon mal so große triefäugige Kakerlaken gesehen?“ fragte er laut. „Oder was ist das da?“

      „Du mußt das Spektiv rumdrehen“, schlug Dan vor. „Und was siehst du jetzt?“

      „Jetzt sind die Kakerlaken ganz klein geworden, aber eine ist etwas größer als die anderen. Sie ist auch triefäugiger und hat eine rote dicke Fratze. Was es nicht alles gibt!“

      Dem frierenden Corporal zog es wegen dieser erneuten unerhörten Beleidigungen fast die Stiefel aus, doch als er losbrüllen wollte, sah er in zwei so drohende Augenpaare, daß ihm wieder die Luft wegblieb. Hilflos vor Wut und weil ihn jämmerlich fror, schlug er sich kraftvoll die Arme unter die Achseln und spie ärgerlich auf die Katzenköpfe.

      „So ist es richtig“, stänkerte Ed herum, der den herrischen und eingebildeten Kerl nicht ausstehen konnte. „Jetzt prügelt er sich die Dummheit aus dem eigenen Wanst.“

      „Vielleicht schlägt er sich sogar selbst tot“, sagte Dan grinsend. „Und dann hat die Welt wieder einen Maulhelden weniger.“

      Es hatte ganz den Anschein, als würde die feindselige Stimmung bald in eine fürchterliche Schlägerei zwischen Soldaten und Seewölfen ausarten, doch der Corporal kniff auch diesmal noch, denn diesen Höllenhunden traute er einfach alles zu. So ließ er seine Wut an einem Soldaten aus, der dösend den Schuppen mit den Tauen bewachte, die der Marquess für sich beansprucht hatte, um den Seewölfen eins auszuwischen. Aber die hatten sich inzwischen über Ramsgate das erforderliche Gut längst selbst besorgt und alles eingeschoren.

      Der Soldat empfing einen Tritt in den Achtersteven und wurde angebrüllt, hier gefälligst nicht rumzustehen und zu dösen, sondern aufzupassen, daß die „Piraten da unten“ keine Taue klauten.

      Dan bestätigte dem Seewolf gleich darauf, daß zwei Galeonen, genauer gesagt, eineinhalb Galeonen den Hafen Plymouth anliefen und Kurs auf die drei anderen Galeonen des Marquess hielten.

      „Dann wird der Mistkerl morgen hier antanzen“, prophezeite Hasard, „weil er sich dann nämlich stark fühlt.“

      „Und den Hafen können sie mit ihren Kähnen auch sperren und abriegeln, Sir, und dann sitzen wir wie die Ratten in der Falle.“

      Das klang ganz danach, als wären alle doch dafür, einfach den Ausbruch zu riskieren, doch der Seewolf lehnte ab.

      „Wir warten bis zum allerletzten Augenblick“, entschied er. „Fest steht nur unabänderlich, daß dieser Hering unsere ‚Isabella‘ nicht kriegt. Ich hoffe immer noch, daß ein Beauftragter der Königin erscheint, dem wir die ‚Hornet‘ übergeben, und wenn es Lord Cliveden ist, dann wird er den Kerl schon in seine Schranken weisen.“

      „Wir sollten den Kerlen trotzdem die Fäuste zeigen“, meinte Luke Morgan spontan, doch diesmal mischte sich Ben ein.

      „Das tun wir auch, Luke, wenn es soweit ist. Wir können aber nicht einfach auf die Soldaten der Königin schießen. Sieh das bitte, verdammt noch mal, ein, Mister Morgan, klar?“

      „Aye, Sir“, sagte Luke kleinlaut, während Mac Pellew mit ausgesprochen grämlichem Gesicht in die Runde blickte. Sein Gesichtsausdruck war so leidend, als hätte man ihnen schon das Schiff weggenommen, und sie müßten künftig alle Reisen schwimmend zurücklegen.

      Später ging Thorfin wieder auf die Kai. Diesmal hatte er die Hand gefährlich dicht an seinem „Messerchen“, einem yardlangen Schwert von beachtlichem Gewicht. Seinem Gesicht war auch unschwer anzusehen, daß er nur auf ein böses Wort lauerte. Dann würde er mit seinem Messerchen aus den Schuppen und Hallen kleine Spänchen schnitzen, und die Soldaten als Schaschlik verwenden.

      Daher ließen sie den eigentümlichen Mann in Ruhe und taten so, als sei er gar nicht vorhanden.

      An diesem Abend erhielten die Soldaten weitere Verstärkung. Sieben weitere kamen hinzu.

      Das war ein sehr schlechtes Zeichen, und so war man auf der „Isabella“ für den nächsten Tag auf allerlei gefaßt.

      3.

      Am anderen Morgen bewegte sich eine reichlich merkwürdige Prozession über den Ausrüstungskai, an dem die „Isabella“ lag.

      Für die Seewölfe war es keine Überraschung, sie hatten mit etwas Ähnlichem gerechnet, jedoch nicht mit diesem großkotzigen Aufwand, den der Marquess ihretwegen trieb.

      Er hatte es sich in seinen verbohrten Schädel gesetzt, dieses Schiff in seine Gewalt zu bringen, und davon hielt ihn nichts mehr ab.

      Hintereinander rollten drei Kutschen über das holprige Pflaster. Den Kutschen folgten zwei Fuhrwerke und den Fuhrwerken weitere Seesoldaten des Marquess Henry of Battingham.

      Der ersten Kutsche entstiegen der noch etwas lädiert und blaß wirkende Marquess, das Gesicht voller Schönheitspflästerchen, weil ihn da Hasards eisenharte Faust erbarmungslos getroffen hatte. Dem Marquess folgten der Stadtvogt, der Hafenkommandant, der Friedensrichter, dem man offenbar eine Vermittlerrolle zugedacht hatte, und etliche andere Vertreter des Gesetzes, die teils finster, teils verlegen zu Boden blickten. Aus der letzten Kutsche stiegen die Kapitäne der Galeonen, die zum Geschwader des Marquess gehörten.

      Was auf den Fuhrwerken allerdings lag, vermochte der Seewolf nicht zu erkennen, sie hielten gebührenden Abstand. Die Soldaten nahmen neben den Fuhrwerken Aufstellung, als bewachten sie einen Goldschatz.

      Etwas geziert gehend ließ sich der Marquess dazu herab, bis dicht vor dié „Isabella“ zu treten. Zu seiner Rechten und Linken gesellten sich der Stadtvogt und der Friedensrichter.

      Hasard und seine Männer blickten der Abordnung eisig entgegen, obwohl sich die anderen um allergrößte Liebenswürdigkeit bemühten. Es würde das übliche werden, dachte der Seewolf, anfangs waren sie katzenfreundlich, dann wurden sie ruppig, und schließlich drohten sie mit allerei Repressalien, wenn Sir Hasard sich nicht fügen würde.

      „Ähmm – es ist unangenehm kalt hier“, sagte der Marquess hüstelnd und nickte dem Seewolf zu.

      „In der Tat“, gab Hasard zu, „der Wind ist recht eisig. Ich hätte die ehrenwerten


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