Seewölfe - Piraten der Weltmeere 194. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 194 - Burt Frederick


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war vorhanden – Kokospalmen, Brotfruchtbäume und Mangroven mit ihren Stelzwurzeln. Auf der Landzunge herrschte dagegen eine gemäßigte Vegetation vor, überwiegend Kasuarinen von niedrigem Wuchs.

      Feuchte, stickige Luft schlug den Männern aus dem Dschungel entgegen. Dorthin vorzudringen, hatte keinen Sinn.

      Hasard deutete zum Südende der Bucht.

      „Sehen wir uns da drüben um.“

      Ferris Tucker und Smoky folgten dem Seewolf, der mit weit ausgreifenden Schritten voranging. Radschloßdrehling und Entermesser waren die einzigen Waffen, die Hasard bei sich trug. Ferris und Smoky waren mit einschüssigen Pistolen und Entermessern ausgerüstet.

      Aus den Augenwinkeln heraus sahen sie die „Isabella“, die zwei Kabellängen vom Ende der Landzunge entfernt vor Anker lag. Mit aufgegeiten Segeln lag die schlanke Galeone ruhig wie ein Klotz im schwachen Wellengang.

      Wie eine Pier, von einer Laune der Natur angelegt, ragte die Landzunge mehr als hundert Yards weit schnurgerade in das kristallklare Wasser hinaus. Der Boden der kleinen Halbinsel war nur leicht gewölbt und mit knapp hüfthohen Kasuarinen überwuchert. Begleitet von der lärmenden Geräuschkulisse des Regenwaldes, drang Hasard als erster in das dichte Gestrüpp vor.

      Dann, als er den höchsten Punkt der Landzunge erreichte, prallte er unwillkürlich zurück.

      Ferris Tucker und Smoky, die sich hinter ihm raschelnd ihren Weg bahnten, verharrten gleichfalls.

      „Das ist doch nicht zu …“ stieß der Schiffszimmermann hervor und unterbrach sich vor Überraschung selbst.

      Eine Flußmündung teilte den Regenwald auf der nördlichen Seite der Landzunge. Aber das allein wäre noch kein Grund zur Verblüffung gewesen.

      Nahe dem jenseitigen Ufer der Mündung, etwa eineinhalb Kabellängen entfernt, lag ein zweimastiges Schiff vor Anker. Es war kleiner als die „Isabella“ und von gedrungener Bauweise. Hasard schätzte es auf etwa einhundert Tonnen. Der Konstruktion nach handelte es sich um eine jener Karacken, wie sie im Mittelmeerraum üblich waren.

      Sanft dümpelte der Zweimaster im Brackwasser. Der Namenszug am Bug war verwittert und auf die Entfernung nicht zu entziffern.

      Keine Menschenseele rührte sich an Deck.

      „Scheint so, als ob wir nicht die ersten Europäer im unbekannten gelobten Land sind“, murmelte Smoky.

      Hasard wandte sich halb um.

      „Das wird sich noch herausstellen. Ihr beide nehmt das Beiboot und pullt zurück zur ‚Isabella‘. Ben soll zwölf Mann einteilen und mit der großen Jolle in die Flußmündung schicken. Ich werde mich ein wenig umsehen und erwarte euch da drüben am Ufer.“

      „Allein?“ fragte Ferris Tucker stirnrunzelnd.

      Der Seewolf nickte.

      „Von den Menschenfressern habe ich noch keine Spur entdeckt. Beeilt euch. Ich will wissen, was es mit diesem Zweimaster auf sich hat.“

      „Waffen?“ erkundigte sich Smoky knapp.

      „Musketen und Pistolen“, entschied Hasard. „Und genügend Pulver und Blei.“

      „Aye, aye, Sir.“ Die beiden Männer wandten sich ab und liefen im Trab zurück zum Beiboot.

      Hasard setzte seinen Weg durch das hüfthohe Gestrüpp fort. Die Landzunge war schmal und maß kaum mehr als zwanzig Yards. An der Flußmündung gab es keinen weißen Strand wie in der Bucht. Hier war der Uferstreifen, der das grüne Dickicht vom Wasser trennte, grau und morastig. Rinnsale durchzogen den Boden wie dunkle Adern. Vorsichtig setzte Hasard einen Fuß vor den anderen. Bei jedem Schritt sank er mit den Stulpenstiefeln bis zu den Knöcheln ein.

      Unablässig spähte er zu der Karakke hinüber. Der Name des Schiffes begann mit einem „S“, soviel konnte er jetzt schon feststellen. Aber noch immer bewegte sich an Bord nichts. Kein menschlicher Laut war zu hören, der sich vom Lärm des Dschungels abgehoben hätte.

      Eine plötzliche Bewegung entstand vor Hasards Füßen.

      Der Seewolf stoppte seine Schritte und blickte in eins dieser fußbreiten Rinnsale, in dem etwas lebendig geworden war. Im nächsten Moment hatte er das Gefühl, seinen Augen nicht trauen zu können.

      Das Tier, das er da offenbar aus seiner Ruhe aufgescheucht hatte, war eigentlich ein Witz. Er blinzelte verblüfft und wollte sich bücken, um zuzupakken. Aber es bewegte sich viel zu rasch, halb watschelnd, halb schwimmend. Der Körper des Tieres, etwa zwanzig Zoll lang, war dicklich und fast plump, das Fell ähnelte dem eines Seehundes. Das Erstaunliche war aber, daß dieses Tier den Schnabel und auch die Schwimmfüße einer Ente hatte – vier Entenfüße und einen Entenschnabel.

      Hasard schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte nicht schnell genug reagiert, um das komische Etwas zu fangen. Jetzt verschwand es mit eiligen Watschelbewegungen im Dikkicht.

      Ungewollt mußte der Seewolf an die Worte des alten O’Flynn denken. Die Welt war voller Wunder, und immer wieder gab es Entdeckungen, die alte Schulweisheiten einfach auf den Kopf stellten.

      Hasards Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als unvermittelt Riemenschläge zu hören waren. Er blickte zum Ende der Landzunge und erkannte die Jolle der „Isabella“. Die Männer pullten mit kraftvollen Schlägen, und das Boot lief zügige Fahrt. Über dem Buschbewuchs der Landzunge waren weiter entfernt die Masten der Galeone zu erkennen.

      Die Jolle nahte rasch heran. Schon von weitem sah Hasard, welche Männer aus der Crew Ben Brighton ausgewählt hatte.

      Auf der Achterducht saß Edwin Carberry und hielt die Ruderpinne. Der Profos reckte sein mächtiges Rammkinn vor und spähte abwechselnd zu dem am Ufer wartenden Seewolf und zu dem fremden Zweimaster.

      Die Riemen bedienten neben Ferris Tucker und Smoky der junge O’Flynn, Blacky, Gary Andrews, Matt Davies, Jeff Bowie, Sam Roskill, Bob Grey, Luke Morgan und Stenmark.

      Hasard watete ins seichte Uferwasser und schwang sich an Bord, noch bevor der Kiel des Bootes Grundberührung hatte. Geschickt manövrierten die Männer die Jolle sofort wieder in Richtung Flußmitte. Hasard blieb aufrecht im Bugraum stehen, während sie auf die Karacke zuglitten.

      „Komische Sache, was, wie?“ rief Ed Carberry von der Achterducht her. „Scheint so, als ob es da nicht eine einzige lausige Kakerlake an Bord gibt!“ Seine Reibeisenstimme dröhnte laut über die ruhige Wasserfläche und übertönte sogar den Lärm aus dem Regenwald.

      „Weck die Kakerlaken mit deinem Gebrüll nicht auf“, empfahl Ferris Tucker grinsend. „Unnötigen Ärger brauchen wir wirklich nicht.“

      „Wer hat denn hier gebrüllt, du Holzwurm?“ schnaubte Carberry. „Wenn ich mal ’ne sachte Bemerkung von mir gebe, ist das noch lange kein Grund, sich gleich in die Hosen zu machen. So was ist mir noch nicht passiert, daß ein erwachsener Mann das Flattern kriegt, wenn er nur einen verrotteten wurmstichigen Kahn sieht.“

      Ferris Tucker wollte aufbrausen.

      „Ruhe!“ mahnte Hasard. „Heb dir deine Kommentare für später auf, Mister Carberry.“

      Der Profos schluckte, und Ferris Tucker quittierte es mit einem grimmigen Nicken.

      Hasard konnte mittlerweile den Namenszug am Bug des Zweimasters entziffern.

      „Speranza“, „Hoffnung“, stand dort in hölzernen Lettern, die von Wind und Seewasser sichtlich angegriffen waren. Dem Namen nach mochte es sich um ein italienisches Schiff handeln, doch es gab kein Nationalitätszeichen, das diese Vermutung untermauerte. Im übrigen war noch immer kein Lebenszeichen zu erkennen. Wenn sich wirklich eine Menschenseele an Bord aufhielt, dann konnte das Herannahen der Jolle mittlerweile nicht mehr unbemerkt geblieben sein.

      Auf ein Kommando des Seewolfs holten die Männer die Riemen ein. Langsam glitt das große Beiboot der „Isabella“ auf die Steuerbordseite der Karakke zu. Eine wenig vertrauenerweckende Jakobsleiter hing von der offenen Pforte im Schanzkleid nach unten.

      Hasard


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