Seewölfe - Piraten der Weltmeere 239. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 239 - Burt Frederick


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Fenstern und Türen Männerstimmen in lautstarkem Durcheinander zu hören waren.

      „Thad, du gehst mit mir“, ordnete Dark Joe an. „Ihr anderen wartet hier, verstanden?“

      Keiner hatte etwas dagegen einzuwenden. Sie hockten sich auf den Boden, mit dem Rücken an die Brunnenwand, und waren froh, ihre Gehwerkzeuge vorerst nicht mehr benutzen zu müssen.

      An Bord der „Cruel Jane“ bedeutete es für jeden von ihnen eine Kleinigkeit, in den Wanten aufzuentern wie flinke Wiesel und selbst bei stürmischer See hoch oben in den Rahen zu arbeiten. Aber drei Meilen zu Fuß an Land, noch dazu in einer bergigen Gegend, das war für einen ehrenwerten englischen Piraten denn doch eine Zumutung.

      Dark Joe und Thad, ein rotbärtiger Hüne, steuerten auf die Schenke zu. Beiderseits der vorderen Tür gab es roh gezimmerte Sitzbänke, die an diesem lauen Abend aber niemand zu benutzen gedachte. Die beiden Piraten von der „Cruel Jane“ mußten sich ducken, als sie durch den niedrigen Eingang traten.

      Schlagartig verstummten die Stimmen, die eben noch bis auf den Platz hinaus zu hören gewesen waren. Alle Augenpaare richteten sich auf die beiden Fremden. Der Raum war kaum mehr als dreißig Quadratyards groß. Etwa zwanzig Männer saßen dicht gedrängt an kleinen Tischen, auf denen Weinkrüge und tönerne Becher standen. Zwei blakende Öllampen an den Wänden erhellten den finsteren Raum nicht nennenswert.

      „Buona sera“, sagte Dark Joe laut und vernehmlich, „guten Abend.“

      Das war schon annähernd die Hälfte aller italienischen Wörter, die er beherrschte. Gemeinsam mit Thad trat er auf die kleine Theke zu.

      Niemand erwiderte den Gruß. Der Wirt sah aus wie die meisten anderen Männer hier, knochig und nur mittelgroß, mit grauen Strähnen in den schwarzen Haaren und Schwielen an den Händen. Sicher besaß er einen eigenen Weinberg, einen Esel und vielleicht ein paar Schweine, denn die Trattoria allein ernährte ihn und seine Familie bestimmt nicht.

      „Buona sera, Signore“, wiederholte Dark Joe, als Thad und er sich vor der Theke aufbauten.

      Das Holz war abgewetzt, und die Flaschen, auf Brettern an der Wand aufgereiht, sahen stumpf und verstaubt aus.

      Der Schankwirt ließ sich zu einem knappen Nicken herab. Er stemmte beide Hände auf das Thekenholz und sah die Fremden mit schmalen Augen an.

      „Wir sind Seeleute“, sagte Dark Joe und bemühte sich, seinen aufkeimenden Ärger über die Sturheit dieser Dorftrottel zu unterdrücken. „Unser Schiff ankert unten vor der Küste. Wir brauchen dringend Trinkwasser und etwas Proviant.“

      Der Wirt sah ihn verständnislos an, zog die Schultern hoch, und in seinem faltenreichen Gesicht lag unendliche Gleichgültigkeit.

      Dark Joe nahm die Hände zu Hilfe, zeichnete einen Schiffsrumpf und drei Masten in die Luft, obwohl er sich dabei lächerlich erschien. Garantiert wußten diese Schlitzohren längst, daß sie Seeleute waren. Überall auf der Welt wußten die Leute schließlich, wie typische Seefahrer aussahen.

      „Acqua – Wasser“, radebrechte er, „mangiare – essen – un pochino – ein bißchen.“ Er nahm den Beutel von der Schulter, setzte ihn auf der Theke ab und zeigte mit dem Finger auf seine eigene Brust. „Ich bezahle!“

      Plötzliches Interesse erwachte in den Augen des Schankwirts, als Dark Joe in den Leinenbeutel griff und eine Handvoll Perlen und Silbermünzen zum Vorschein brachte. Rasch ließ er die Kostbarkeiten aber wieder in dem Beutel verschwinden.

      „Fässer, einen Karren und einen Esel brauchen wir“, sagte er und zeichnete das Gewünschte mit den Fingern. Dazu gab er ein kehliges „Iaaah“ von sich, was Thad veranlaßte, ihm einen grinsenden Seitenblick zuzuwerfen.

      „Si, si, comprendo“, entgegnete der Wirt mit unvermittelter Bereitwilligkeit, und auf einmal beherrschte er auch einige unbeholfene Brocken Englisch. „Ich Sie verstehen, Gentlemen. Erhalten Wasser und Essen, si, si. Kein Problem, Gentlemen. Un vino?“

      Ohne eine Antwort abzuwarten, schob er den Männern zwei Becher hin, entkorkte eine Flasche und goß ein. Der Rotwein funkelte wie Glut im schwachen Lampenschein.

      Widerstrebend prosteten Dark Joe und Thad dem Wirt zu. Zuviel Zeit durften sie nicht verschwenden. Andererseits konnten sie es aber ohnehin nicht mehr vor Dunkelwerden schaffen, zur Galeone zurückzukehren. Und soviel wußten sie von südlichen Ländern, daß einem meist ein ausgedehntes Palaver nicht erspart blieb, ehe man das erhielt, was man eigentlich wollte.

      Nach und nach setzten nun die Stimmen der Männer im Schankraum wieder ein. Die Gespräche wurden fortgesetzt, man schien sich an die Fremden gewöhnt zu haben.

      Die Trattoria belebte sich, weitere Gäste trafen ein, noch in ihrer derben Arbeitskleidung, und einige verließen den Schankraum. Dark Joe orderte einen vollen Krug Rotwein und beauftragte Thad, ihn zu den anderen hinauszubringen.

      Dann, als sein Kumpan zurückkehrte, überzeugte der Schankwirt die beiden Engländer gestikulierend und wortreich, daß sie ohne einen weiteren Becher Wein nicht zum Geschäftsabschluß schreiten könnten. Dark Joe und Thad ließen sich erweichen, denn immerhin schmeckte das rote Zeug verteufelt gut.

      „Mann, o Mann“, brummte Thad, „der Alte dreht uns den Hals um, wenn wir ihm die Wasserfässer nicht rechtzeitig anschleppen.“

      „Hexen können wir auch nicht“, entgegnete Dark Joe achselzuckend, „schneller geht’s hier nun mal nicht.“

      Einen dritten Becher Wein, den ihnen der Wirt aufzuschwatzen versuchte, lehnten sie schließlich doch standhaft ab, und der Inhaber der Trattoria bequemte sich, sie durch einen Nebenraum und einen dunklen Korridor auf den Hinterhof hinauszuführen. Stallungen und ein Schuppen waren im Dämmerlicht zu erkennen. Lange würde die Dunkelheit nicht mehr auf sich warten lassen.

      „Dort hinüber, Signori“, sagte der Wirt und deutete mit einer einladenden Bewegung auf den flachen Schuppen.

      Unter dem Dach war ein Gewirr von Gerätschaften mehr zu vermuten als deutlich zu erkennen, aber immerhin schienen sich auch Karren und Fässer darunter zu befinden.

      Nur noch drei oder vier Schritte waren sie von dem Schuppen entfernt, als der Schankwirt plötzlich beiseite wich.

      Dark Joe und Thad begriffen zu spät, und als sie zu reagieren versuchten, war ihr bis eben überfreundlicher Begleiter schon mit langen Sätzen in Richtung Haus unterwegs.

      Gestalten schnellten aus der Dunkelheit des Schuppens und aus dem Stall hervor. Mindestens ein Dutzend verwegen und wild aussehende Burschen waren es, die sich auf die beiden Piraten warfen.

      Verzweifelt setzten sie sich zur Wehr. Dark Joe schaffte es noch, seinen Entersäbel herauszureißen. Doch er richtete nichts damit aus, denn ein furchtbarer Hieb traf seinen Arm, und der Säbel fiel zu Boden.

      Im nächsten Moment explodierte ein weiterer Schlag auf seiner Schädeldecke, und er verlor das Bewußtsein, noch bevor er lang hinschlug. So sah er nicht mehr, daß auch sein Gefährte von der Übermacht mit spielerischer Leichtigkeit überwältigt und bewußtlos geschlagen wurde.

      2.

      Fackeln näherten sich mit züngelndem Feuerschein.

      Der Mann, der an der Spitze von zwanzig seiner Decksleute den Dorfplatz von Serrara erreichte, war groß und blond und blauäugig – ein Hüne von Statur, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Sein Oberlippenbärtchen war kaum sichtbar. Mit kostbarem Lederwams und schenkelhohen Stulpenstiefeln aus butterweichem Leder, sah er aus wie einer jener nordischen Riesen, von denen die Südländer meist nur durch Legenden hörten.

      Lord Henry gab das Zeichen zum Halten. Seine Männer formten einen Halbkreis, und ihre Fackeln erhellten den Brunnen.

      Dort hatten sich Dark Joe und zwei seiner ursprünglichen Begleiter mühevoll aufgerappelt. Deutlich waren die Blessuren zu erkennen, die sie bei dem Überfall davongetragen hatten. Thad und zwei weitere Männer, die Dark Joe losgeschickt


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