Seewölfe - Piraten der Weltmeere 163. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 163 - Davis J.Harbord


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Bleigewicht in der Mill Bay versenken? Was meinst du? Wir könnten ihn natürlich vorher auch ein bißchen kielholen und danach zum Trocknen an die Großrah hängen …“

      „Erbarmen!“ winselte der Dicke.

      Hasard deutete auf die beiden Anforderungslisten. „Sie haben alles vorrätig, Mister Deventer?“

      Der Dicke nickte stumm und ergeben und verharrte in Erwartung des Jüngsten Gerichts – vor dem Kielholen hatte er am meisten Angst.

      „Den Golddukaten können Sie behalten, Mister Deventer. Möge er sie stets daran erinnern, daß es sich nicht auszahlt, zwei Freibeuter-Kapitäne übers Ohr hauen zu wollen.“ Hasard grinste knapp. „Lassen Sie die Stückgüter bitte sofort an die Rampen bringen. Wir wollen gleich mit der Übernahme beginnen.“

      Der Dicke verbeugte sich im Sitzen und fiel dabei fast über den Refektoriumstisch. Und dann watschelte er zur Tür, hielt sie auf und verbeugte sich abermals, als wolle er seine Zehen küssen. Dieses Mal rutschte ihm die Perükke vom Kopf. Er hatte eine Glatze, die wie ein Kinderpopo aussah.

      Seine Dankesworte waren so falsch wie seine Perücke.

      2.

      Die „Le-Vengeurs“ und die Seewölfe spuckten in die Hände, krempelten die Ärmel hoch und gingen an die Arbeit. Auf der Pier, vor den beiden Gangways, stapelten sich Kisten, Fässer, Ballen, Taurollen. Ein Teil der Crew brachte das Stückgut vom Arsenal zu den Gangways, ein anderer Teil mannte es an Bord und in die Laderäume, und ein dritter Teil verstaute planmäßig und seefest verzurrt die verschiedenen Stücke in den dazu bestimmten Räumen unter Deck.

      Die schweren Lasten wurden mittels der ausgebaumten Rahen über die Ladeluken gehievt und vorsichtig in die Laderäume abgefiert.

      Das war soweit alles in Ordnung. Die Männer packten willig an, selbst Hasards Zwillinge, die beiden siebenjährigen, drahtigen Bürschchen, nunmehr Moses eins und Moses zwei an Bord der „Isabella“, legten sich ins Geschirr und schleppten Lasten, die sie verkraften konnten.

      Zwischendurch klopfte Edwin Carberry, der eiserne Profos der „Isabella“, seine kernigen Sprüche und fragte alle fünf Minuten, ob denn die Kanalratten, Rübenschweine und Läuseknacker vielleicht der irrigen Ansicht huldigten, hier könne gefaulenzt werden, was, wie!

      Dabei faulenzte niemand, aber die Sprüche mußten sein und waren so nötig wie das Salz in der Suppe.

      Wie üblich geriet er sich mit dem Kutscher in die Wolle, der die Sauerkrautfässer in der Nähe seiner Kombüse gestaut haben wollte, während Carberry die Meinung vertrat, die Fässer seien in der achteren Proviantlast besser aufgehoben, und da sei auch ihr vorgesehener Platz.

      Der Kutscher war ein Mann, der sich weder in die Belange der Bordküche noch in seine Tätigkeit als Feldscher viel hineinreden ließ. Das durfte nur Hasard, vor dem er einen heillosen Respekt hatte.

      Nun hätte der bullige Klotz von Carberry den kleineren und eher schmalbrüstigen Kutscher mal so eben zum Frühstück verspeisen können – so etwas oder ähnliches drohte er ihm auch stets an –, aber gewalttätig wurde der Profos nie. Und darum war es immer wieder für alle ergötzlich, wenn sich Goliath und David anfauchten und erklärten, was sie alles mit dem anderen tun wollten – nur tat’s keiner. Aber immer hitziger wurden sie dabei.

      Und damit war Pause für die anderen Seewölfe, die andächtig dem Disput der beiden lauschten.

      „Und ich sage, diese verdammten Dinger werden in der achteren Proviantlast verstaut – basta!“ grollte Ed Carberry.

      „Und ich sage, die Sauerkrautfässer bleiben im oberen Proviantraum neben der Kombüse – klabasta!“ fauchte der Kutscher.

      „Klabasta? Was ist das denn, du spilleriger Hering?“

      „Klabasta ist klabasta, punktum, du abgetakelter Gorilla!“ raunzte der Kutscher.

      „Kutscherlein“, sagte der Profos sanft – und wenn er sanft sprach, war das immer noch laut genug –, „ich soll dich wohl ins Großsegelfall spleißen, was, wie? Oder möchtest du lieber als Taljereepsknoten den Handläufer der Gangway verzieren? Du darfst dir das aussuchen, Kutscherlein.“

      Der Kutscher ignorierte die beiden Angebote Carberrys und kehrte zum Ausgangspunkt des Disputs zurück.

      „Die Sauerkrautfässer bleiben bei der Kombüse – klabasta“, erklärte er wütend. „Ist das klar, Mister Carberry?“

      „Bleiben sie nicht, verdammt noch mal. Ich will dir mal was sagen, du verlauste Kombüsenkakerlake: du bist nämlich zu faul, zur achteren Proviantlast zu gehen, um die Sauerkrautportionen für deinen Pampenfraß zu holen. Das ist es!“

      „Jawohl! Das ist es!“ schrie der Kutscher. „Du merkst aber auch alles, du hirnrissiger Ochsenfrosch. Und jetzt will ich dir mal was sagen: kannst du mir wohl verraten, warum der Kartentisch im Ruderhaus und nicht in der Vorpiek ist?“

      „Ha! Weil er dort hingehört, natürlich.“

      „Natürlich! Natürlich! Und warum sollen dann Sauerkrautfässer nicht zur Kombüse gehören, he? Aber nein, dem Kutscher wird zugemutet, wegen jeder Sauerkrautportion nach achtern zu latschen und mit dem Zeug über die Dreiviertellänge des Schiffes wieder zurückzumarschieren. Und das bei Seegang, Sturm und übers Deck fegenden Brechern. Aber fressen wollt ihr, nicht wahr? Verstau doch deine verdammten Beiboote in der achteren Proviantlast und hole sie von dort raus, wenn sie gebraucht werden. Aber nein, die müssen unbedingt hier mittschiffs gelagert sein – weil das praktischer ist, nicht wahr? Aber ich will’s auch praktisch haben, und darum bleiben die Sauerkrautfässer bei der Kombüse – klabasta!“

      Der Profos hatte mit offenem Munde zugehört. Das waren natürlich völlig neue Gesichtspunkte. Er kratzte sich den Nacken. Na, so unrecht hatte der Kutscher gar nicht. Eigentlich war es Unsinn, die Fässer achtern zu stauen.

      „Hm“, sagte er, „geht klar. Die Fässer bleiben bei der Kombüse. Ist wohl praktischer so.“ Er blickte sich um und runzelte die narbige, breite Stirn. „Was ist denn hier los?“ Und dann grollte seine Stimme wie Donner: „Hier wird nicht gefaulenzt, ihr schrägen Barsche! Hopp-hopp! Bewegt euch! Steht nicht rum und bohrt Löcher in die Planken! He, Bob Grey! Paß auf, daß der Segeltuchballen nicht über die Pier rollt und ins Wasser kippt, verdammt und quergenäht! Welcher Idiot hat den Ballen so dämlich an die Kiste gelehnt? Muß ich mich um alles kümmern …“

      Er war wieder in Fahrt, der Profos. Und der Kutscher hatte seinen Willen durchgesetzt. Die Männer grinsten.

      Eine zweite Unterbrechung ergab sich eine halbe Stunde später. Es war der blonde Schwede Stenmark, der gerade in den Besan geentert war, um eine Talje zu klarieren. Er entdeckte den stämmigen, kurzbeinigen Mann mit dem rötlichen Spitzbart zuerst.

      „Achtung! Admiral von Steuerbord! Hat Kurs auf die ‚Isabella‘!“ rief er zu Carberry hinunter, der in Höhe des Besans auf der Pier stand und die feste Part der Talje an einer Kiste anschlug.

      Carberry ließ das Ende der Talje sinken, drehte sich langsam um und kniff die Augen zusammen.

      Ja, der sehr ehrenwerte Admiral Sir Francis Drake hatte sein Flaggschiff, die „Revenge“, die noch im Dock lag, verlassen und marschierte auf die „Isabella“ zu. Soweit Carberry erkennen konnte, war Drakes Gesicht reichlich verkniffen.

      „Kapitän wahrschauen!“ zischte Carberry dem Altmoses Bill zu, der bei ihm stand.

      „Aye, aye!“ Bill verschwand wie der Blitz.

      Carberry beschäftigte sich weiter mit dem Ende und tat sehr eifrig. Dem Admiral hatte er wieder den Rücken zugedreht. Mal abwarten, was der Kerl will, dachte er.

      Die „Isabella“ und die „Le Vengeur lagen mit der „Revenge“ in Fehde – oder noch härter ausgedrückt: sie befanden sich im Kriegszustand.

      Die ganze Geschichte war geradezu lachhaft, aber sie hatte ihre


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