Seewölfe - Piraten der Weltmeere 80. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 80 - Roy Palmer


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wußte, daß er dem Profos Respekt zu zollen hatte. Carberry konnte fuchsteufelswild werden, wenn jemand frech wurde. Außerdem wußte Bill noch nicht richtig, wie dieser Bulle von einem Mann zu nehmen war. Er ließ lieber die Finger davon. Der einzige, der dem Profos jemals Paroli geboten hatte – so wurde an Bord der „Isabella“ erzählt –, war der Seewolf höchstpersönlich gewesen. Der hatte seinerzeit auf Drakes „Marygold“ Carberry das Fürchten gelehrt.

      Bill seufzte wieder.

      Um soweit gehen zu können, mußten ihm tatsächlich erstmal die Haare auf der Brust und ein paar Muskeln mehr wachsen.

      2.

      Hasard setzte das Spektiv ab. „Drei Inseln“, sagte er. Er stand am Backbordschanzkleid des Achterdecks, neben Ben, Ferris, Shane und Old O’Flynn. „Ich glaube, die größte davon erwähnte Jean Ribault einmal, als wir über diesen Küstenstrich sprachen. Er nannte sie Ile du Diable oder so ähnlich.“

      Ben horchte auf. „Teufelsinsel? Warum?“

      „Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht.“

      „Wir könnten sie anlaufen“, schlug Big Old Shane vor. „Vielleicht finden wir eine Bucht, in die wir unsere ‚Isabella‘ verholen können. Ich meine, wir könnten dort vielleicht in aller Ruhe auf den schwarzen Segler warten.“

      Hasard schüttelte den Kopf. „Nein. Nichts für ungut, Shane, aber ich will kein Risiko eingehen. Die Spanier haben immer noch eine Stinkwut auf uns. Denk mal an den Konvoi, den wir an der Nordküste von Kuba ausgenommen haben, denk an die anderen zuletzt erlebten Abenteuer mit den Dons – das alles haben sie lange noch nicht verdaut. Und sie suchen uns. Vielleicht haben wir sie schon wieder am Hals. Ich will jetzt so wenig Zusammenstöße wie möglich mit ihnen haben. Ich will nach Kap Hoorn.“

      Ben sagte: „Und du meinst, auf der Insel würden sie uns aufstöbern?“

      „Ich bin überzeugt davon.“

      „Das heißt, es gibt spanische Siedlungen auf den Inseln?“ fragte der alte Donegal Daniel O’Flynn.

      Hasard lachte. „Da bin ich überfragt. Ich habe nur so ein dumpfes Gefühl, daß hier früher oder später Philipps auftauchen könnten. Das ist alles. Ich halte es für besser, wenn wir weitersegeln.“

      Carberry, von alledem wenig berührt, marschierte schon wieder über die Kuhl, und zwar auf das Vordeck zu. Das Kombüsenschott stand offen.

      „Kutscher!“ brüllte er. „Wird’s bald mit dem Frühstück? Zum Henker, ich habe einen Kohldampf, der schon auf keine Kuhhaut mehr geht!“

      Der Kutscher mühte sich mit dem Entfachen der Holzkohlefeuer ab.

      Aber aus dem Frühstück wurde nichts mehr.

      Und in den nächsten Minuten nahm die Situation eine so dramatische Wende, daß der Kutscher sich überhaupt hütete, jedwede Art von Feuer zum Glimmen zu bringen.

      „Deck!“ schrie Dan O’Flynn wieder aus dem Hauptmars. „Steuerbord voraus Mastspitzen!“

      Hasard fuhr herum, lief zum gegenüberliegenden Schanzkleid der Steuerbordseite und hob wieder das Spektiv ans Auge. Wie gebannt hielt er in der von Dan angegebenen Richtung Ausschau, vermochte aber nichts zu entdecken.

      Er verließ das Achterdeck, hastete auf die Kuhl, begab sich mit einem federnden Satz auf das Steuerbordschanzkleid und enterte behende in den Leehauptwanten auf.

      Er kletterte über die Segeltuchverkleidung des Großmarses hinweg und kauerte sich neben O’Flynn. Arwenack, der Schimpanse, hockte ebenfalls hier oben in dem luftigen, schwankenden Posten. Er quittierte Hasards Erscheinen mit einem freudigen Laut.

      Hasard tätschelte ihm den Kopf, dann richtete er seinen Kieker erneut nach Süden und forschte nach den Mastspitzen.

      Diesmal sichtete er sie, hauchfein nur über der schwachen Linie, an der der Himmel mit der See zusammenzustoßen schien. Schemenhaft, kaum wahrnehmbar zeichneten sich die Toppen und die Stengen mit ihren Flögeln ab.

      „Hut ab vor deinen scharfen Augen“, sagte Hasard.

      „Glaubst du etwa, ich lasse nach?“ erwiderte Dan.

      „Nein. Aber ich glaube was anderes.“ Hasards Miene wurde grimmig. „Wer immer die fremden Schiffe auch sind, freundlich gesonnen sind sie uns bestimmt nicht. Sie scheinen ihren Kurs zu wechseln.“

      Dan blickte nun auch wieder durch sein Fernrohr. „Stimmt. Erst hatten sie Kurs nach Norden, jetzt drehen sie auf Nordosten ab. Was hältst du davon?“

      „So wenig wie du. Sie haben uns ebenfalls entdeckt.“

      „Und jetzt reagieren sie.“

      „Aber sie kneifen nicht vor uns aus“, sagte Hasard.

      „Sondern?“

      „Sie verlegen uns den Weg.“

      „Der Teufel soll sie holen“, stieß Dan aus.

      Hasard wartete noch ein paar Minuten, bis sich die fremden Segler deutlicher vor ihm im Morgenlicht abhoben, dann konnte er jeden Zweifel über ihre Identität ausräumen.

      „Spanier“, murmelte er nach einem erneuten Blick durch das Spektiv. „Die Hoheitszeichen flattern in den Toppen. Ich will keine Schwarzmalerei betreiben, Dan, aber ich glaube nicht, daß das harmlose Kauffahrer oder Silbergaleonen Seiner durchlauchten Majestät, Philipps II., sind.“

      „Also Kriegsschiffe?“

      „Ich denke schon.“

      „Verdammt und zugenäht“, sagte Dan.

      Hasard kehrte wieder auf die Kuhl zurück, klomm zum Quarterdeck hoch und rief seinen Männern zu: „Alle Mann auf Gefechtsstation. Klar Schiff zum Gefecht, und zwar im Eiltempo!“

      „Aye, aye“, dröhnte Carberrys Stentorstimme. „Klar zum Gefecht. Lauft, ihr Himmelhunde, wetzt, hopp-hopp, an die Geschütze, im Galopp, sonst ziehe ich euch die Haut in Streifen von euren Affenärschen!“

      Sofort setzte hektische Betriebsamkeit ein. Das Trappeln nackter Fußsohlen auf Oberdeck, das Knarren der Stückpforten und das Rumpeln der Kanonen auf ihren Hartholzrädern waren die Geräuschkulisse, die das konzentrierte Schuften der Crew begleitete.

      Längst hatte der Kutscher die Kombüse wieder verlassen. Die Kessel blieben kalt, die Morgenmahlzeit fand nicht statt. Der Kutscher streute Sand auf Deck aus, damit die Männer an den Geschützen bei einem eventuellen Gefecht einen festeren Stand hatten. Er ließ hölzerne Kübel und Segeltuchpützen außenbord ab und holte Seewasser herauf, das er zum Befeuchten der Wischer bereitstellte.

      Hasard beobachtete die Vorbereitungen auf der Kuhl. Während nur ein winziger Teil der Mannschaft zum Ausführen der Segelmanöver an den Brassen und Schoten verblieben war, hockte das Gros bei den Culverinen.

      Sechzehn 17-Pfünder waren das, acht auf jeder Seite. Sie verfügten über außerordentlich lange Rohre, ein Umstand, der der „Isabella“ in fast allen Gefechten einen Vorteil sicherte.

      Die Culverinen waren in Ladestellung gebracht worden, Zugtaljen hielten sie bis zum Abschluß dieses Vorganges noch in der vorgeschriebenen Position. Weitere Taljen würden sie später in Feuerstellung bringen, und jede Kanone wurde durch ein Brooktau in ihrem Rückstoß aufgefangen, wenn es hart auf hart ging.

      Matt, Gary, Smoky, Blacky und all die anderen füllten mit den Kellen Pulver in die Bodenstücke der Geschütze. Danach preßten sie mit den Ansetzern Kabelgarn auf die Pulverladungen. Schließlich führten sie die Rundkugeln ein, die durch weitere Wergknäuel in ihrer Lage gehalten wurden. Zuletzt wurden die Zündlöcher mit Pulver gefüllt.

      Ein ganzes Arsenal verschiedenartiger Geschosse lag bereit: Kettenkugeln, Kastenkugeln, Stabkugeln und Kartätschenkugeln in Leinwandbeuteln. Letztere waren eine von Al Conroys neuesten Spezialfertigungen.


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