Seewölfe - Piraten der Weltmeere 186. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 186 - John Curtis


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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-522-4

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

      1.

      Der Abend legte seine ersten Schatten über die Bucht von Faanui. Der Himmel im Westen von Bora-Bora hatte sich blutrot gefärbt. Im Innern der Insel, dort, wo der Osthimmel sich bereits mit dem Dunkel der herannahenden Nacht überzog, ragten stumm und drohend die Gipfel des Paja und des Otemanu empor.

      Bora-Bora, die Perle der Inseln unter dem Winde, erlebte unruhige Zeiten. Sie kannte das zwar, denn viele Kriege hatten bereits ihre weiten Strände und die felsigen Hänge aus dunklem Basalt überzogen. Und auch an den steilen Hängen des Paja und des Otemanu waren schon die Todesschreie vieler Menschen verhallt, die dort den Göttern geopfert worden waren.

      Aber das alles lag fast Jahrtausende zurück, und den wilden Jahren war eine Periode des Friedens gefolgt. Die Insel war reich, sie bot ihren Bewohnern alles, was sie zum Leben brauchten. Die Brotfrucht, Früchte in Hülle und Fülle, das klare Wasser kühler Quellen, weite, weiße Strände, die mit Kokospalmen bestanden waren, blauen Himmel, Sonne, das weite Meer und die herrliche Bucht Faanui, in der es sich nach Herzenslust baden ließ.

      Vor Stürmen schützte die Insel ein weiter, sie umgebender Ring aus Korallen. Dort brach sich die Wucht der Wogen. Für fremde Eindringlinge, die dieses Paradies in guter oder auch böser Absicht besuchen wollten, gab es nur eine einzige Passage, die zwischen den Korallen hindurch an die Strände Bora-Boras führte. Dorthin, wo hübsche junge Mädchen mit brauner Haut, langen dunklen Haaren und lachenden Augen auf ebensolche jungen Männer warteten.

      Nein, niemand hatte auf Bora-Bora damit gerechnet, was dann, eines Morgens, geschehen war. Kanonendonner rollte über die See heran. Die Bewohner der Insel stürzten aus ihren Hütten, liefen zum Strand hinunter und schoben ihre Auslegerboote ins Wasser. Sie paddelten durch die Bucht bis Moto Mute, dem vorgelagerten Schwemmland, das die Innenseite des Korallenrings bildete.

      Aber sie sahen nichts, sie hörten lediglich den rollenden Geschützdonner, der immer lauter und heftiger zu ihnen herüberdrang. Sie trauten sich jedoch nicht, mit ihren Auslegerbooten hinauszusegeln aufs offene Meer, um nachzuschauen. Ihr alter Häuptling, der Papalagi, hatte es ihnen streng verboten.

      Gegen Abend dieses verhängnisvollen Tages tauchte erst ein Segel über der Kimm auf, dann ein zweites und schließlich auch noch ein drittes.

      Die Bewohner von Bora-Bora staunten. Noch nie hatten sie derartig große Fahrzeuge gesehen. Die Schiffe näherten sich rasch der Insel, durchsegelten schließlich auch die Passage von Teavanui und ankerten dann in der Bucht von Faanui.

      Fragend blickten die Menschen auf den alten Papalagi, der stumm auf dem Schwemmland stand und die Fremden beobachtete. An seinem Gesichtsausdruck erkannten sie, daß er die Götter befragte, aber sie schienen ihm eine befriedigende Antwort zu verweigern.

      Schließlich richtete sich der Papalagi auf.

      „Ihr kehrt in eure Hütten zurück“, sagte er. „Ich werde die Fremden fragen, was sie auf Bora-Bora wollen. Fremde haben für unsere Insel noch nie etwas Gutes bedeutet.“

      Die Inselbewohner gehorchten ihrem Papalagi. Sie stiegen in ihre Boote und paddelten zurück. Aber noch bevor sie den Strand erreichten, brüllten die Geschütze der großen Schiffe auf, und viele starben. Auch der Papalagi.

      Etwas später ruderten die Fremden an den Strand. Sie waren schwer bewaffnet. Die Inselbewohner, die das Massaker in der Bucht überlebt hatten, wollten in die Berge fliehen. Aber die Fremden verfolgten sie, fingen sie wieder ein, verhörten sie, vergewaltigten die jungen Mädchen und Frauen und hielten jede Woche einen Gerichtstag ab.

      Auf Bora-Bora erstarb das Lachen der Menschen. Die jungen Mädchen badeten nicht mehr in der Bucht, sondern versteckten sich in den Bergen zusammen mit ihren jungen Männern. Auch die Alten waren längst geflohen. Die Hütten am Strand von Bora-Bora waren verwaist.

      Die großen Schiffe lagen noch immer in der Bucht von Faanui, furchteinflößende Kolosse, die hin und wieder ihre Tod und Verderben bringenden Feuerrohre erdröhnen ließen, damit die Inselbewohner ja nicht vergaßen, daß es sie noch gab.

      Aber dann kam der Tag, an dem der neue Herrscher von Bora-Bora den Inselbewohnern befahl, in ihre Hütten zurückzukehren, anderenfalls er sie alle fangen und töten lassen würde. Dieser Mann nannte sich El Supremo, der Göttliche, und er war ein Riese von Gestalt mit einem langen grauen Bart und merkwürdig brennenden Augen.

      Die Inselbewohner fürchteten ihn, und so gehorchten sie seinem Befehl. Sie kehrten in ihre Hütten zurück und sahen zu ihrem größten Erstaunen, daß auch andere Menschen, die eine weiße Haut hatten wie El Supremo, der Göttliche, gefangen waren wie sie und Sklavendienste leisten mußten wie sie und geschlagen wurden wie sie.

      Die Inselbewohner verstanden gar nichts mehr, denn ihre eigenen Götter schienen sie verlassen zu haben. Aber die Zeit verging, und die Soldaten El Supremos wachten darüber, daß hart gearbeitet wurde auf Bora-Bora. Schließlich war aus der einst so paradiesischen Insel eine Festung geworden. Am weißen Strand erhoben sich hohe Palisaden mit spitzen Pfählen. Keiner der Inselbewohner durfte je das Innere dieser Festung betreten und jene, die die Soldaten El Supremos hineinschleppten, sah niemals jemand wieder. Angst und Schrecken verbreiteten sich auf Bora-Bora vor dem neuen Gott, der sich zu Füßen der heiligen Berge Paja und Otemanu niedergelassen hatte und unvorstellbar grausam regierte.

      El Supremo hielt Hof. Dazu hatte er sich auf einem thronartigen Gebilde niedergelassen. Er war in ein weites weißes, mit Goldfäden durchwirktes Gewand gehüllt. Ein grauer Bart und schulterlanges graues Haar, das von einem Stirnband gehalten wurde, verlieh ihm das Aussehen eines Patriarchen. Aber dieser erste Eindruck wurde bei näherem Hinsehen durch das scharfe Profil, die zusammengepreßten Lippen und die brennenden Augen sofort wieder zerstört.

      Mit der Rechten führte er eine herrische Geste aus.

      „Bringt sie her“, befahl er zwei Spaniern, die in devoter Haltung vor seinem Thron standen. „Ruft den Foltermeister und seine Knechte. Diesmal werden sie reden, sie werden mir, dem Gott dieser Insel, alles sagen, was ich wissen will. Alles!“

      Die beiden Spanier verneigten sich. Dann zogen sie sich unter weiteren tiefen Bücklingen im reich geschmückten saalartigen Raum zurück, um den Foltermeister und seine Knechte zu holen. Zwei andere Spanier entfernten sich auf gleiche Weise, um die beiden Gefangenen, von denen El Supremo gesprochen hatte, herbeizuschaffen.

      Durch den Thronsaal ging ein Raunen. Die meisten Augenpaare richteten sich auf die Folterbank, die bereits zu Füßen des Göttlichen aufgestellt worden war, und auf das Feuer, das mit bläulicher Flamme in dem großen Kohlebecken tanzte.

      Viele der Spanier, die an diesem Abend von El Supremo in den Thronsaal befohlen worden waren, empfanden so etwas wie ein Lustgefühl in bezug auf die bevorstehende Folterung.


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