Seewölfe - Piraten der Weltmeere 196. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 196 - Roy Palmer


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ihr das nicht gleich sagen können?“

      Smoky lachte. „Wir dachten, ihr würdet uns auf die Entfernung bis zum Ufer nicht verstehen!“

      Rasch war die Jolle jetzt heran und ging längsseits der Bordwand der „Isabella“. Die Jakobsleiter war noch seit der ereignisreichen Nacht ausgebracht und am Schanzkleid belegt. Smoky und Al vertäuten die Jolle und enterten an den hölzernen Sprossen auf. Sie sprangen auf die Kuhl und begrüßten stürmisch ihre Kameraden.

      „Wir brauchen erst mal eine Stärkung“, sagte Smoky. „Wir haben einen ziemlich langen Marsch hinter uns.“

      „Ich hole Rum“, sagte der Kutscher. Er drehte sich um und eilte zur Kombüse.

      „Uns wäre es lieber, wenn du den Rum mit heißem Wasser verdünnen würdest!“ schrie Al ihm nach.

      Ben Brighton hatte das Quarterdeck verlassen und trat vor die beiden hin. „So“, sagte er. „Jetzt macht’s mal nicht so spannend. Was ist geschehen? Wo habt ihr Philip junior und Hasard junior gefunden, und warum seid ihr nicht gleich alle zurückgekehrt?“

      Smoky grinste. „Die Zwillinge haben heute nacht einen Schutzengel getroffen, sonst hätten die Maoris sie wahrscheinlich überwältigt und verschleppt. Ja, sie hätten sie ganz bestimmt in ihren Pah gebracht, wie sie es auch mit Bill vorgehabt hatten …“

      „Maoris? Pah? Was sind denn das für komische Wörter?“ rief Luke Morgan.

      „Und was ist das für ein Schutzengel, von dem du faselst?“ knurrte der Profos. „Ist dir die feuchte Dschungelluft nicht bekommen?“

      Ben hob die Hände. „Ruhe, nicht alle durcheinander! Laßt Smoky zu Ende reden!“

      Die Männer verstummten. Ben hatte von Hasard das Kommando über die „Isabella“ übernommen, seine Worte hatten Befehlsgewalt.

      Smoky grinste immer noch. „Also, ich will mich deutlicher ausdrücken. Die Maoris sind die Eingeborenen, mit denen wir schon so nett Bekanntschaft geschlossen haben. Der Pah – das ist ihr Dorf. Und der Schutzengel, der Philip und Hasard aus der Patsche geholfen hat, ist ein waschechter Engländer. Er heißt Sumatra-Jonny und stammt aus Bristol. Er hat uns so ziemlich seine ganze Lebensgeschichte erzählt, aber wir haben keine Zeit, sie euch jetzt zu wiederholen.“

      Er unterbrach sich, denn der Kutscher war mittlerweile mit zwei Mucks voll heißem Wasser und Rum eingetroffen. Smoky und Al nahmen die Gefäße entgegen und tranken in kurzen Schlucken. Erst, als er seine Muck fast bis zur Hälfte geleert hatte, fuhr Smoky fort.

      „Sumatra-Jonny hat die Zwillinge in die Berge geführt, um sie vor den Maoris zu schützen. Dort oben hinauf, ins vulkanreiche Gebiet mit den Geysiren, den Schlammvulkanen und den wassergefüllten Sinterterrassen, trauen sich die Wilden nämlich nicht, weil sie glauben, dort hausen ihre Gottheiten.“

      „Hol’s der Henker“, brummte Carberry. „Das ist vielleicht eine wilde Geschichte, Mann. Ja, wie, zum Teufel, habt ihr denn die Spur bis in die Berge verfolgen können?“

      „Dreimal darfst du raten“, sagte Al Conroy.

      Carberrys Augen begannen wild zu funkeln, und seine Miene verzerrte sich wieder zu einer zornigen Grimasse. „Ich will aber nicht raten, Mister Conroy. Ich will’s von dir hören.“

      „Sir John“, sagte Smoky schlicht. „Wir fanden ihn in einem Wald aus Kaurifichten. Er hatte sich verirrt, trug aber eine Botschaft von den Zwillingen am Bein. Sie hatten sie auf ein Stückchen Rohleder geritzt.“

      „Verdammt!“ Der Profos gab sich alle erdenkliche Mühe, immer noch grimmig dreinzuschauen. „So war das also. Und wo ist das verfluchte Mistvieh abgeblieben?“

      „In den Bergen. Bei Jonnys Wohnhöhle. Bei Hasard und den anderen“, erwiderte Al Conroy fröhlich.

      „Der Teufel soll die alte Nebelkrähe holen“, sagte der Narbenmann. „Jetzt hab ich sie also wieder am Hals. O Hölle und Verdammnis, was für einen miesen Fang habe ich doch mit dem elenden Biest gemacht.“

      Er fluchte noch eine Weile herum, aber keinem entging, daß sich seine Miene merklich geglättet hatte. Und noch eine Wandlung ging mit dem rüden, rauhbeinigen Profos vor sich: In seinen Augen stand jetzt ein fast glückseliger, gerührter Ausdruck. Er wollte es nicht eingestehen, aber er freute sich schon jetzt auf das Wiedersehen mit Sir John. Plötzlich schien er bereit zu sein, sich mit aller Welt zu versöhnen, auch mit den Maoris, wenn es sein mußte.

      „Was ist mit den Riesenvögeln?“ wollte der Kutscher wissen. „Haben die euch nicht angefallen?“

      „Die Moas?“ Smoky winkte ab. „Die sind friedlich. Es gibt noch andere Laufvögel auf Neuseeland, aber kein einziger davon ist für die Menschen gefährlich. Und was noch erstaunlicher ist: Es gibt keine Raubtiere auf der Insel.“

      „Augenblick mal“, sagte Sam Roskill verblüfft. „Woher habt ihr denn all diese Weisheiten?“

      „Von Sumatra-Jonny natürlich, das ist doch klar“, erklärte der Kutscher.

      Smoky nickte. „Stimmt haargenau. Er lebt schon seit anderthalb Jahren hier, wenn auch gegen seinen Willen. Er wurde hier ausgesetzt, und zwar von einem Sklavenfänger, auf dem er irrtümlich angeheuert hatte. In den achtzehn Monaten seines Hierseins hat er alles kennengelernt, was hier kreucht und fleucht. Es ist hochinteressant, seinen Berichten zuzuhören.“

      „Neuseeland, so heißt also diese Insel?“ erkundigte sich Matt Davies.

      „So hat Sumatra-Jonny sie getauft.“

      „Aber wir dachten doch, dies wäre immer noch das Südland!“ rief Jeff Bowie. „Ist es denn ganz sicher, daß dieser Jonny sich nicht täuscht?“

      „Völlig sicher“, erwiderte Smoky.

      Ben Brighton sagte: „Hasard hat das ja von Anfang an behauptet. Und er hat recht behalten, das müssen wir ihm neidlos zugestehen.“

      Dan O’Flynn, der im Großmars jedes Wort verstanden hatte, legte in diesem Moment die Hände als Schalltrichter an den Mund und rief zu ihnen nach unten: „Und mein Alter war auch überzeugt davon, daß wir hier eine Insel vor uns haben und nicht den rätselhaften Kontinent!“

      „Streitet das vielleicht jemand ab?“ brüllte der Profos. „Ihr O’Flynns seid doch alle gleich: vorlaute Dickschädel, Besserwisser und Meckerbeutel. Man sollte euch die Haut in Streifen abziehen, jawohl, das sollte man!“

      „Sir!“ schrie Dan. „Mister Brighton, darf ich abentern, um Mister Carberry meine Meinung zu sagen?“

      „Abgelehnt!“ rief Ben zurück. Er wandte sich dem Decksältesten zu und sagte: „So weit, so gut, Smoky, aber du hast eine meiner Fragen noch nicht beantwortet. Warum seid ihr nicht alle zur ‚Isabella‘ zurückgekehrt?“

      „Befehl von Hasard“, erwiderte Smoky. „Al und ich haben die ausdrückliche Order, den Profos, Ferris und Batuti zu holen und mit ihnen in die Berge aufzusteigen. Der Rest der Crew bleibt an Bord und hält sich bereit, um einen eventuellen Angriff der Maoris auf unsre alte Lady zurückzuschlagen. Ferris, du sollst so viele Hämmer und Äxte wie möglich mitnehmen. Batuti, vergiß deinen Morgenstern nicht.“

      „Was, wie?“ sagte Carberry. „Sollen wir vielleicht die Felsen zertrümmern?“

      Fast alle grinsten, aber Smoky blieb ernst.

      „Genau das“, erwiderte er. „Es gilt, in einer Moa-Höhle, die Jonny genau kennt, ein Stückchen Schwerarbeit zu leisten. Aber Hasard meinte, dazu würdet ihr wohl gern bereit sein.“

      Ben Brighton verzog ärgerlich das Gesicht. „Jetzt hör aber endlich auf, uns so auf die Folter zu spannen, Smoky. Es muß doch einen triftigen Grund dafür geben, sonst hätte Hasard euch nicht mit einer solchen Order losgeschickt.“

      „Ja. Es gibt einen sehr triftigen, handfesten Grund.“

      „Und der wäre?“

      „Auf


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