Seewölfe - Piraten der Weltmeere 309. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 309 - Roy Palmer


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      „Fünf Fa-aden!“ ertönte Bob Greys nächste Fadenmeldung.

      „Zwei Strich Backbord!“ befahl Hasard, dann wandte er sich Ben, Big Old Shane und Old O’Flynn zu und sagte: „Früher oder später müssen wir zwangsläufig auf die Passage stoßen, die uns direkt nach Abo führt. Ich hoffe auch immer noch, daß wir einem anderen Schiff begegnen, dessen Besatzung uns Auskünfte geben kann.“

      „Viereinhalb Faaaaden!“ schrie Bob Grey, und nun mußte Hartruder gelegt werden, um dem drohenden Unglück zu entgehen. Die Männer fluchten auf ihren Stationen und wischten sich den Schweiß aus dem Gesicht. Immer wieder warfen sie Blicke außenbords, wo im klaren Wasser deutlich Untiefen zu erkennen waren, die an Backbord und Steuerbord vorbeiglitten.

      Bob bereute bereits, daß er sich freiwillig gemeldet hatte – die Fadenmeldungen rutschten hinauf und kletterten wieder hinunter, ganz nach den Launen der Natur. Es war ein mühsames Geschäft, immer wieder die Tiefe auszuloten, und die Verwünschungen, die auch er auszustoßen begann, konnten mit Carberrys Kraftausdrücken durchaus konkurrieren.

      So loteten und tasteten sich die Seewölfe durch das Inselgewirr. Die Suche nach einer Fahrrinne erwies sich jedoch als sinnlos, und so sehr Bill, der sich als Ausguck im Großmars befand, sich auch bemühte – es war kein Schiff zu sichten, das sich ihnen näherte.

      Über zwei Stunden lang hielten sie durch, dann aber passierte, was sie alle längst erwartet hatten. Die „Isabella IX.“ lief auf, es gab einen heftigen Ruck und ein Knirschen, dann saß sie fest. Bob Grey mußte sich mit beiden Händen an der Verkleidung der Galionsplattform festhalten, sonst wäre er glatt außenbords gekippt. Er konnte gerade noch verhindern, daß die Lotleine ganz abrollte und im Wasser verschwand. Fluchend packte er sie und hieb vor Wut mit der Faust auf die Planken.

      „Verdammter Mist“, sagte er. „Es hat doch alles nichts genutzt.“

      2.

      „Wenn mich nicht alles täuscht, sind wir vierkant aufgebrummt“, sagte Old O’Flynn. „Ich meine, wir hängen nicht einfach nur ein bißchen fest. Wir sitzen voll auf.“

      „Und zwar auf einer Rundkippe“, fügte der Seewolf hinzu. „Wenn wir schon etwas anrichten, dann gleich ordentlich. Das wolltest du doch sagen, oder?“

      „Ja. Aber das wäre auch dem besten Kapitän der Welt passiert.“

      „Da bin ich aber froh“, sagte Big Old Shane trocken. „Deine Worte geben einem den nötigen seelischen Halt, Donegal.“

      „Willst du mich verhöhnen?“ zischte der Alte.

      „Ruhe“, sagte der Seewolf. „Streitet euch jetzt nicht, das können wir am allerwenigsten gebrauchen. Ich verlange äußerste Disziplin. Ferris, du siehst unter Deck nach, ob Lecks zu verzeichnen sind. Sollte das der Fall sein, holst du dir sofort fünf Männer als Unterstützung und fängst mit dem Ausbessern an.“

      „Aye, Sir.“ Ferris verschwand vom Achterdeck und turnte mit polternden Schritten die Niedergänge hinunter, um unter Deck alles zu untersuchen.

      Hasard begab sich auf die Kuhl und blickte seine Männer einen nach dem anderen an.

      „Eigentlich bin ich fast erleichtert“, sagte er. „Es mußte ja mal sein. Soviel Glück hat keiner, daß er jeder Klippe ausweichen kann. Macht euch keine Sorgen, wir kriegen die Lady schon wieder frei.“

      Bob Grey hatte die Back geentert, trat an die achtere Balustrade und zuckte mit den Schultern, als Hasard auch zu ihm schaute.

      „Tut mir leid, Sir“, sagte er. „Aber es ist wirklich nicht meine Schuld.“

      „Das nimmt auch keiner an, Bob“, sagte Hasard. „Du hast deine Aufgabe ordentlich versehen. Niemand wirft dir was vor.“ Er drehte sich wieder zur Crew hin um und fügte hinzu: „Das gilt auch für euch.“

      „Danke, Sir“, sagte Carberry. „Wenn einer der Kerls Bockmist gebaut hätte, hätte ich ihm auch schon längst die Haut in Streifen von seinem Affenarsch gezogen.“

      Ferris kehrte an Oberdeck zurück, atmete zweimal tief durch und meldete: „Kein Wassereinbruch, Sir. Die Lady ist trocken. In der Beziehung haben wir also doch Glück gehabt.“

      „Ja“, sagte der Seewolf. „Wenigstens diesen Vorteil haben wir.“

      Er begann, sich selbst ein genaues Bild von der Lage zu verschaffen. Die Crew hatte das Großsegel natürlich sofort geborgen, als die „Isabella“ aufgelaufen war, und hatte auf diese Weise verhindert, daß sie noch weiter auf die Klippe rutschte.

      „Wir sitzen mit dem Vorschiff auf“, sagte er zu der inzwischen komplett auf dem Hauptdeck versammelten Mannschaft. „Das bedeutet, daß wir unsere Lady über den Achtersteven von der Klippe ziehen müssen. Dan, hättest du Lust auf ein Bad?“

      „Wenn du mich so fragst – natürlich“, antwortete Dan O’Flynn und grinste. Was das bedeutete, wußte er ganz genau, denn sie hatten ja schon vor dem Eiland Gotska Sandö nähere Bekanntschaft mit dem Wasser der Ostsee geschlossen. Es war biestig kalt. Gegen diese Temperaturen gab es im Fall eines Falles nur zwei Mittel: viel Bewegung und Öl, mit dem man sich den ganzen Körper einrieb.

      Hasard hatte dem Kutscher bereits eine entsprechende Anweisung gegeben, und jetzt erschienen die Zwillinge und brachten einen Topf voll Öl. Hasard und Dan entkleideten sich bis auf ihre kurzen Hosen, die sie unter dem eigentlichen Beinkleid trugen. Als Waffen nahmen sie nur ihre Messer mit, deren Sitz im Gurt sie sorgsam überprüften.

      Dann tauchten sie ihre Hände in das Öl und fetteten sich am ganzen Körper ein. Niemand beneidete sie um ihr Vorhaben. Es war alles andere als ein Vergnügen, in dem eiskalten Wasser am Rumpf der Galeone hinunterzutauchen, wie Hasard es plante.

      „Also, dann – sehen wir uns unsere Klippe mal aus der Nähe an“, sagte der Seewolf. Er stand schon am Backbordschanzkleid der Kuhl, schob sich über die hölzerne Handleiste, verharrte für einen Augenblick auf der obersten Stufe, die außenbords zum Auf- und Abentern beim Längsseitsgehen von Booten dienten, und ließ sich dann mit vorgestreckten Armen vornüberkippen. Wie ein Pfeil tauchte er in die Fluten und verschwand darin, es gab nur einen schwachen Klatscher.

      Dan folgte seinem Beispiel und stieß ebenfalls in das Wasser hinunter. Ein Panzer aus Eis schien sich um seine Brust zu schließen und drückte ihn wie eine Zentnerlast in die Tiefe. Er sah Hasard neben sich, erkannte auch das Graublau des Felsens, auf dem das Schiff festsaß, und ruderte mit Armen und Beinen, um sich in die richtige Lage zu bringen.

      Nebeneinanderher schwammen sie auf den Klippfelsen zu. Hasard schob sich an der Wölbung des Schiffsbauches entlang und arbeitete sich bis zum Kiel vor, dann tastete er den Felsen mit beiden Händen ab, um sich über dessen Beschaffenheit genau zu informieren.

      Er drehte sich zu Dan um und gab ihm durch ein Zeichen zu verstehen, daß er auch die andere Schiffsseite untersuchen wollte. Dan antwortete durch eine Gebärde. Er hielt mit, noch setzte ihm die Kälte nicht allzusehr zu, und auch Atemluft hatte er noch genug.

      Beide Männer krochen zwischen Schiffsbug und Felsen zur Steuerbordseite hinüber, glitten bis nach achtern und verharrten dabei immer wieder, um ihre Nachforschungen anzustellen. Schließlich erreichten sie das frei im Wasser hängende Heck der „Isabella“. Hasard befaßte sich der Gründlichkeit halber auch mit dem Ruderblatt. Es war völlig intakt. Er sah wieder zu Dan, der mit den von seinem Mund aufsteigenden Luftblasen wie ein seltsames Wesen anmutete. Noch einmal verständigten sie sich durch Gesten, dann ließen sie sich von der Auftriebskraft des Wassers mitnehmen und kehrten an die Oberfläche zurück.

      Trotz des Öls und der kräftigen Arm- und Beinarbeit, mit der sie sich zur Bordwand bewegten, spürten sie die Kälte jetzt am ganzen Leib. Ben hatte eine Jakobsleiter ausbringen lassen. Dan klammerte sich als erster an den hölzernen Sprossen fest und enterte im Affentempo auf. Der Seewolf folgte ihm.

      Zitternd vor Kälte klommen sie über das Schanzkleid


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