Seewölfe - Piraten der Weltmeere 20. Joe Vence

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 20 - Joe Vence


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nicht möglich, weiter als jetzt in die Agujera-Bucht zu segeln. Er war sich der Schwierigkeit bewußt, mit seiner Galeone in die Bucht von Valparaiso zu gelangen. Wenn er keinen Schaden nehmen wollte, brauchte er einen tüchtigen Lotsen. Dieser Mann schien der richtige für diese Aufgabe zu sein.

      Sie boten dem Indianer Platz auf einem bequemen Holzstuhl an. Doch er blieb stehen, legte beide Hände auf die Brust und sagte: „Yo Tetso.“

      „So, Tetso heißt er also.“ Hasard zeigte auf Drake und dann auf sich: „Capitano Draque und ...“ Ihm wollte nichts Richtiges einfallen. Schließlich sollten die Leute den Namen auch aussprechen können. Doch dann sagte er lächelnd: „Yo ‚Lobo del Mar‘.“ Das heißt auf spanisch schließlich nichts anderes als „Seewolf“. Doch dann wurde er wieder ernst und erklärte dem Indianer:

      „Queremos a Valparasio.“

      „Si, si“, sagte Tetso.

      „Du zeigst uns den Weg?“ Hasard konnte sich gut auf spanisch verständigen. „Si, si“, sagte Tetso immer wieder, „diabolos los Philippos!“

      Man nannte die Spanier Philippos nach ihrem König Philipp.

      Doch dann kamen Hasard wieder Bedenken. „Wird doch wohl keine Falle sein?“

      „Ach was, Mr. Killigrew, warum soll das eine Falle sein. Der Mann ist ehrlich. Alle Indianer hassen die Dons wie die Pest. Wir schlagen uns zwar mit den Dons herum, aber das ist so eine Art Turnier. Doch was die Spanier mit den Araukanern anstellen, ist unmenschlich. Wenn sie sie erwischen, martern sie diese zu Tode. Und alles nur wegen des gelben oder weißen Metalls.“

      Hasard grinste.

      Tetso hatte voller Staunen die reich ausgestattete Kammer bewundert, wenn er es sich auch nicht anmerken ließ. Jetzt schenkte ihm Hasard ein Glas Wein ein, um mit ihnen anzustoßen auf einen guten Weg nach Valparasio.

      Der Indianer bot ihnen noch mehr an. Er sagte: „Ich“, und hielt ihnen zweimal seine beiden Hände entgegen, zweimal zehn Finger, „bringe euch so viele amigos con un Capitan.“ Offenbar konnte er sehr viel Spanisch.

      Hasard sagte zu Drake: „Sie haben recht, Sir, die Sache geht klar. Die Brüder wollen auch den Dons an den Kragen. Wir können sie gut gebrauchen, um den Dons das Gold abzunehmen. Denn auf das gelbe Metall legen die Indianer keinen Wert.“

      „Si, si, si!“ Alle drei lachten.

      Im Morgengrauen tauchten fünf Kanus aus dem Nebel vor der Küste auf. In einem stand ein über sechs Fuß großer Mann, ein schneeweißes Schaffell um die Schultern. Auch er trug einen Palmenzweig in der Hand.

      Sie ließen die Jakobsleiter herunter. Hasard, der schnell geweckt worden war, erschien an Deck.

      Der Häuptling verbeugte sich. „Ingleses?“

      „Si, si.“

      Der Häuptling übergab Hasard den Palmenzweig und sagte: „Der große Toqui möge dich beschützen.“

      Die Boote schwabberten an der Jakobsleiter. Jetzt erschein auch Totso an Bord, strahlte wie ein alter Bekannter und zeigte auf die Axt und das Messer. Immer mehr Indianer stiegen an Bord, lachten, schwatzten und schleppten große Körbe herauf.

      Die Männer konnten es nicht fassen. Alle Körbe waren voller Lebensmittel. Als letzte und größte Gabe wuchteten zwei Indianer einen riesigen Packen die Jakobsleiter hoch. Darin fanden sie ein geschlachtetes Lama.

      „Muß ja wohl in Ordnung sein“, meinte Francis Drake, der auch an Deck erschienen war. „Ich habe aber so etwas noch nicht gegessen.“

      Doch der Kutscher, der auf der „Golden Hind“ als zweiter Koch in der Kombüse arbeitete, schnalzte mit der Zunge: „Männer, das wird ein Festessen!“

      Der Häuptling trat vor: „Ingleses y Pechuenches todos tiempos amigos.“

      „Ja, Engländer und Pechuenches sind immer Freunde“, sagte Drake.

      Auf dem Vorderkastell begannen sie den Anker zu hieven, nachdem die Araukaner die Boote abgestoßen hatten. Dann schob sich die „Golden Hind“ aus der Agujera-Bucht nach Süden in Richtung Valparaiso.

      Die fünf Kanus der Indianer folgten ihnen. Die Araukaner hielten sich dicht unter der Küste, doch weit genug entfernt, um den Klippen zu entgehen. Tetso, der „Lotse“, stand neben dem Rudergänger am Kolderstock. Immer wieder warnte er, indem er auf die gischtige Küste zeigte: „Huecubu!“

      Das mußte ein böser Teufel sein.

      Gestenreich, mit vielen unbekannten Worten brachte er sie sicher die Küste entlang.

      Auf der Höhe von San Juan rauschte wieder die Ankertrosse. Voller Staunen und Freude erblickten sie die große spanische Galeone.

      „Verdammt, da liegt ja der Teufelsbraten!“

      Hasard rief zu Dan hoch: „He, reiß deine Augen auf! Wie heißt dieser schmucke Kasten?“

      Dan O’Flynn, der gerissene Bursche, stammte wie der Seewolf aus Falmouth in Cornwall. Er war kaum erwachsen, hatte aber die schärfste Zunge und auch die schärfsten Augen von allen Männern an Bord.

      „ ‚Los Reyos‘ heißt dieser sturmreife Kasten! Denen werden wir es aber zeigen.“

      „Halt an dich! Du wirst noch genug zu tun kriegen!“ rief Hasard zu ihm hoch. Dann kümmerte er sich um die Kanus. Er winkte den Araukanern zu, sich an die den Spaniern abgewandte Seite der „Golden Hind“ zu legen. Auf keinen Fall sollten die Spanier die Indianer sehen.

      Dabei strich er mit seinen kräftigen braunen Händen durch sein schwarzes Haar. Die tiefen Kerben in seinem Gesicht zeigten seine Entschlossenheit. Die Narbe quer über seine linke Wange, die er einem Indianerpfeil zu verdanken hatte, färbte sich wieder rot. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, daß die Narbe auch noch über Augenbraue und Stirn verlief.

      „Was ist, Mr. Killigrew?“

      „Ach nichts, Sir. Das da ist endlich ein fetter Brocken für uns. Wird Zeit, daß wir so etwas erwischen. Unsere Männer sind auch wild auf einen harten Kampf. Und diese Burschen“, er zeigte auf die fünf Kanus, „haben eine Wut auf die Philippos. Das ist gut für uns.“

      „Lassen Sie ihnen ein paar Pinten Whisky in die Boote schicken, damit sie etwas Feuer unter den Hintern kriegen.“

      Das war die richtige Aufgabe für Edwin Carberry, dem Profos. Grinsend sagte er auf englisch: „Der große Toqui soll euch schützen.“

      Batuti wollte die Spanier wohl überrennen: „Spanier nix viel Bumbum, sonst mit uns aus.“

      Aber noch schien alles friedlich.

      2.

      Die Dons winkten von ihrem Schiff herüber. Sie freuten sich, einem anderen Schiff zu begegnen und mit ihm im selben Hafen zu liegen. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß die „Golden Hind“ etwas anderes sein könnte als eben auch ein spanisches Schiff. Vielleicht war die Wache an Bord auch nicht mehr ganz nüchtern?

      Francis Drake meinte zynisch: „Warum sollen denn ausgerechnet diese Kerle die ganze Welt beherrschen.“

      Killigrew grinste grimmig.

      Nur hundert Yards entfernt lag die spanische Galeone und schwoite um ihren Anker – keine Entfernung für seine harten Männer.

      Die Spanier auf der „Los Reyos“ wurden immer lebhafter und luden die vermeintlichen Landsleute zu sich ein.

      „Una botella de Malaga! Muchas botellas!“ Sie grölten, winkten mit den Flaschen und zeigten auf zwei große Fässer an Deck.

      Das konnten Drake und seine Männer auch mit bloßem Auge erkennen.

      „Venga! Venga!“ brüllten die Dons wieder und wieder.

      Hasard lachte und sagte: „Das könnt ihr haben. Aber nicht wie ihr denkt!“

      Er


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