Seewölfe - Piraten der Weltmeere 29. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 29 - John Curtis


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umzugehen. Aina verzog verächtlich die Lippen.

      Nein, von da her drohte keine Gefahr, die drohte lediglich von jener Schaluppe, die weiter hinten in der kleinen Bucht lag und von den Spaniern immer dann benutzt wurde, wenn sie eine ihrer Niederlassungen weiter im Norden der Küste besuchen wollten. Es galt, schnell die offene See zu gewinnen und die Insel zu erreichen, nur so konnte sie sich vor den verhaßten Gringos in Sicherheit bringen.

      Aina zog das schwere Segel hoch. Sie brauchte dazu die ganze Kraft, über die sie verfügte, aber sie schaffte es.

      Der Wind blähte das Segel, das Auslegerboot legte sich weit über, als es von einer Bö gepackt in die Nacht hinausschoß.

      Abermals erschallte wütendes Gebrüll. Die Spanier hatten das helle Segel entdeckt. Donnernd entluden sich ihre Musketen, und die Kugeln surrten Aina nur so um die Ohren. Ein paar von ihnen durchschlugen das Segel, aber das Mädchen trafen sie nicht.

      Das Auslegerboot hatte inzwischen unter dem günstigen Wind stark an Fahrt gewonnen. Eine erste Regenbö, die in diesem Augenblick auf Culebra niederprasselte, entzog es der Sicht der hin und her rennenden Spanier.

      „Bemannt die Schaluppe!“ übertönte die Stimme eines Corporals das allgemeine Durcheinander. „Diese verdammte rote Hexe darf uns nicht entwischen! Sie hat einen von uns erstochen, den Alcalden schwer verwundet und Juan niedergeschlagen! Beeilt euch Männer, diese Indianernutte greifen wir uns, oder der Alcalde wird uns die Fußsohlen rösten lassen!“

      Lautes Geschrei antwortete ihm, dann stoben die Soldaten auseinander.

      Aina hatte nicht verstanden, was der Corporal seinen Männern zugebrüllt hatte, aber sie wußte es auch so. Sie holte das Segel dichter und änderte den Kurs ihres Bootes. Dabei fuhren die Finger ihrer Linken wie zufällig über die Klinge des Messers, das sie dem Spanier entrissen hatte.

      Nein, lebendig würden die Gringos sie nicht fangen, niemals!

      Das Auslegerboot erreichte die offene See. Aber in diesem Moment erkannte Aina die neue Gefahr, die in der Dunkelheit auf sie lauerte. Der Wind nahm stetig zu. Gischtende Wogen überrannten das niedrige Auslegerboot und ließen es mit jeder Minute mehr und mehr zu ihrem Spielball werden.

      Aina kauerte sich ins Heck. Die Nacht war mittlerweile so finster geworden, daß sie die Hand nicht mehr vor Augen sah. Sie spürte die heftigen Bewegungen und hörte das Ächzen der Verbände, mit denen der Ausleger am Rumpf befestigt war. Woge um Woge holte sie ein, hob sie mitsamt ihrem Boot auf den Kamm und ließ sie gleich darauf ins nächste Wellental hinuntertaumeln.

      Aber das Boot hielt dem Wetter stand, jedenfalls vorläufig.

      Aina begann zu frösteln. Splitternackt, völlig ungeschützt kauerte sie fast bewegungslos im Heck und stemmte sich gegen das mit Pflanzenfasern festgelaschte Paddel, das zugleich als Ruder diente. Regenböen prasselten auf sie nieder, das Auslegerboot nahm Wasser über. Es schwappte Aina bei jedem Roller und jeder Schlingerbewegung um die Füße.

      Das Mädchen biß die Zähne zusammen. Ihre Hände tasteten im Boot umher, bis sie einen aus Pflanzenfasern gedrehten Strick erwischten. Sie band das Ruder fest und begann, das hin und her schwappende Wasser mit den bloßen Händen auszuschöpfen.

      Aina war sich völlig im klaren darüber, daß sie dabei um ihr Leben kämpfte. Sie mußte die Nacht überstehen und warten, bis der Sturm wieder nachließ. Erst dann konnte sie überlegen, was sie weiterhin tun würde. Längst hatte sie nicht mehr die geringste Vorstellung davon, wo jene Insel liegen mochte, die ihr Ziel gewesen war. Aina wußte nur eins: So schlimm dieses Wetter auch für sie war, es würde die Spanier zwingen, in den Hafen von Culebra zurückzukehren und die Suche nach ihr zunächst aufzugeben. Und damit gewann sie wertvolle Zeit.

      Der Sturm nahm weiter an Stärke zu. Er zwang Aina, kurz vor Mitternacht das Segel zu reffen. Sie schaffte es gerade noch rechtzeitig, denn schon die nächste Sturmbö, die über ihr flachbordiges Boot wegheulte, hätte es zum Kentern gebracht.

      Zitternd vor Kälte und Erschöpfung klammerte sie sich danach für einen Moment an den Mast. Ihre Lippen preßten sich zusammen, ihre kleinen Hände ballten sich zu Fäusten.

      Sie würde nicht aufgeben, dieser Alcalde sollte noch erfahren, was es hieß, die Tochter des Häuptlings der Nicaraos zu schlagen.

      Aina hockte sich an den Mast. Dann band sie sich mit einem der Taue, mit denen sonst das Segel bedient wurde, fest. Sie spürte, daß die Götter ihr helfen würden, Rache zu nehmen, daß sie in dieser Nacht nicht sterben würde.

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