Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Verfügung, wie du siehst. Aber wir nehmen nicht nur den Proviant mit. Wir holen uns jetzt auch den Schatz.“
„Den Schatz?“ Ihre Augen weiteten sich, sie hob die Hände zu einer Geste der Verblüffung. „Du hast ihn gefunden?“
„Ja.“ Er wandte sich seinen Männern zu. „Los jetzt, wir haben schon genug Zeit vertrödelt.“
Kurze Zeit später waren sie im Dschungel verschwunden – noch bevor Oka Mama und die beiden Piraten von der Landzunge zurück waren. Hasard hatte sich alle Details der Umgebung genau eingeprägt. Er führte seinen Trupp von nunmehr über drei Dutzend Männern und Frauen unter wiederholten Hinweisen auf die versteckten Fallen bis zu dem Eingang des Stollens, der hinter dickem Gestrüpp versteckt war.
Ilaria konnte kaum fassen, daß sie diesen Zugang zu der Höhle nie entdeckt hatte. Aber es gab eine Erklärung: Oka Mama und Mardengo hatten nie zugelassen, daß sich die Mädchen in diesen Bereich der Insel begaben. Mit Argusaugen hatten sie über ihren Schatz gewacht.
Eine lange Prozession durch den unterirdischen Gang bis zur Schatzgrotte hinauf begann. Mac Pellew stieß sich den Kopf und fluchte leise. Old O’Flynn glitt auf dem feuchten Untergrund aus und verlor eine Krücke, die ihm aber von Shane zurückgereicht wurde. Hasard verzichtete trotzdem darauf, Licht zu entzünden. Er hatte im Lager Fackeln entdeckt und sie mitgenommen, aber er wollte jetzt kein Risiko eingehen. Wenn auch nur ein schwacher Lichtstrahl ins Freie drang, konnte er sie verraten. Ob dann die Piraten oder die Spanier erschienen, war gleichgültig. Es mußte in dem Fall wieder gekämpft werden, der Seewolf aber wollte jedes unnötige, sinnlose Blutvergießen vermeiden.
Sie erreichten die Höhle und atmeten auf. Das Rauschen des Wasserfalls war zu vernehmen, und wieder klang der Donner der Kanonen zu ihnen herauf.
Sie versammelten sich um die Schatzkisten und Truhen, und Hasard sagte: „Hier sind wir vorläufig sicher. Ich weiß noch nicht, wie ich die ‚Isabella‘ zurückerobere. Wenn sie mit in das Gefecht eingegriffen hat – was mit Sicherheit anzunehmen ist –, müssen wir erst den Ausgang abwarten. Ganz gleich, ob die Piraten oder die Spanier siegen, die ‚Isabella‘ wird heute nacht wieder vor der Insel ankern, entweder in der Flußmündung oder in der Bucht. Dann schlagen wir zu.“
„Wie?“ wollte Blacky wissen.
„Das überlegen wir uns jetzt“, entgegnete Hasard und ließ sich auf dem Deckel einer Truhe nieder. Leise begann er mit seinen Männern zu beratschlagen.
Eine der spanischen Galeonen sank! Feuer waren an Deck ausgebrochen, mehrere Lecks klafften unter der Wasserlinie im Rumpf, rauschend drang das Wasser ein. Der Kapitän gab das Schiff auf, die Besatzung sprang ins Wasser, um sich zu retten, denn jeden Augenblick konnte die Pulverkammer in die Luft fliegen.
Sie explodierte mit einem Donnergetöse, bevor die Galeone ganz unterging – und Mardengos Piraten stimmten ein johlendes Triumphgeschrei an.
Doch der wahre Stand der Dinge sah anders aus, darüber konnte auch das Sinken der einen Galeone nicht hinwegtäuschen. Don Augusto Medina Lorca und Don Lope de Sanamonte hatten immer noch vier Schiffe. Die „Santa Veronica“, die durch den Angriff der „San Carmelo“ und der „Isabella“ schwer in die Bredouille geraten war, hatte sich trotz einiger bedenklicher Treffer erstaunlich gut gehalten.
Don Augusto hatte genug Männer. Er ließ die Lecks schnell wieder abdichten, so gut es ging, und in der Zwischenzeit ging der Kampf weiter. In fliegender Hast wurden die Kanonen nachgeladen und erneut abgefeuert – und dieses Tempo konnte Mardengo nicht halten.
Er hatte nur noch wenige Männer. Der größte Teil von ihnen war erschöpft, hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Die Munition ging zur Neige. Das einzige Schiff, das in absehbarer Zeit noch gefechtsbereit sein würde, war die „Isabella“. Aber mit nur einem Schiff konnte Mardengo nicht gegen die Feinde bestehen, es sei denn, es geschah ein Wunder.
Wieder donnerten die Breitseiten der Spanier, und einer der Einmaster wurde unter dem ohrenbetäubenden Gebrüll seiner Mannschaft zerhackt. Sehr schnell waren die Trümmer und die Gestalten in der See verschwunden.
Eine spanische Galeone befeuerte jetzt den anderen Einmaster, die beiden anderen wandten sich mit der „Santa Veronica“ gegen die „Isabella“ und die „San Carmelo“. Es dauerte nicht lange, und auch der Einmaster sank. Es gab nur zwei Überlebende. Sie versuchten, sich schwimmend in Sicherheit zu bringen, doch die Spanier töteten sie durch Musketenfeuer.
Dies war der Moment, in dem der Pirat, der Don Augusto und Don Lope als Lotse gedient hatte, sich trotz seiner Fesseln ins Wasser zu werfen versuchte. Er war wie von Sinnen. Doch bevor er das Schanzkleid erreichte, hatte Don Lope seine Pistole hochgerissen und auf ihn abgedrückt. Der Mann starb vor seinen Augen.
„Tod diesen Hundesöhnen!“ brüllte Don Lope. „Entert ihre Schiffe! Schlagt sie nieder!“
„Ich gebe hier die Befehle, vergessen Sie das nicht!“ fuhr ihn Don Augusto an.
„Ja! Aber wir werden siegen!“
„Das ist gewiß!“ schrie Don Augusto, und wieder gab er den Befehl zum Feuern.
Wenig später war es soweit – Gato und seinen Kerlen an Bord der „San Carmelo“ ging die Munition aus. Nur noch wenige Kugeln und ein bißchen Pulver standen ihnen zur Verfügung, dann war das Ende da. Die Spanier würden sie schonungslos zusammenschießen.
Alle Träume hatten sich zerschlagen, an den Schatz war nicht mehr zu denken, auch nicht an einen heimlichen Aufbruch von Pirates’ Cove und die Trennung von Mardengo. Jetzt ging es um das nackte Leben.
„Wir ziehen uns zurück!“ schrie Gato.
Mardengo hörte es, er stand auf dem Achterdeck der „Isabella“. Er stieß eine Verwünschung aus, dann brüllte er: „Nein! Bleibt hier, ihr Bastarde! Gato – kämpft bis zum Letzten!“
Gato antwortete nicht. Er war sich mit seinen Männern einig: Sie hörten nicht mehr auf Mardengos Befehle. Sie wollten nicht sterben. Die „San Carmelo“ war zum Untergang verdammt, aber sie konnten die Haut noch retten – und genau das wollten sie tun.
Schwerfällig halste die „San Carmelo“, dann war es der Westwind, der ihre Flucht begünstigte. Gato wollte die Insel im Osten runden und irgendwo an Land verschwinden, vielleicht auf der Landzunge. Es war das Klügste, was er tun konnte.
Mardengo hatte keine Möglichkeit, ihn zurückzuhalten. Er mußte sich gegen die „Santa Veronica“ und eine zweite Galeone zur Wehr setzen, die ihn jetzt in die Zange nahmen und unaufhörlich mit Schüssen eindeckten.
Den Kapitänen der beiden anderen Galeonen hatte Don Augusto bereits seine Befehle zugebrüllt, als Gatos Ruf erklungen war. Sie fielen mit ihren Schiffen vom Wind ab und nahmen die Verfolgung der „San Carmelo“ auf.
Don Augusto wollte die „San Carmelo“ nicht entwischen lassen. Der Tod von Don Helder Avarez mußte gerächt werden. Es gab kein Erbarmen für die Piraten, sie mußten sterben.
Gato bemerkte die Verfolger, als er den nordöstlichen Zipfel der Insel gerundet hatte. Er ging auf südlichen Kurs, ließ auch den letzten Fetzen Tuch setzen, erreichte aber nichts. Die „San Carmelo“ lief nur noch sehr langsam, keine drei Knoten schnell. Sie hatte schwere Schlagseite, ihr Schanzkleid drohte unterzuschneiden. Bald würde sie derart mit Wasser vollgelaufen sein, daß sie von selbst sank.
Die spanischen Galeonen holten immer mehr auf. Gato dachte nicht daran, die letzten drei, vier Kugeln auf sie abzufeuern. Damit erreichte er nichts.
Er gab seinen Kerlen den Befehl: „Springt ins Wasser! Wir schwimmen an Land!“
Doch jetzt eröffneten die Galeonen mit ihren Buggeschützen das Feuer. Zwei Kugeln schlugen in das Heck der „San Carmelo“, die eine knickte das Ruderblatt weg, die andere lag unter der Wasserlinie und stanzte ein neues Loch. Das Rauschen des eindringenden Wassers war auf dem Oberdeck zu vernehmen.
„Springt!“ brüllte Gato.
Doch