Seewölfe Paket 17. Roy Palmer
Hasard grinsend, „vorher gibt es noch Arbeit.“
Auch die Zwillinge waren mittlerweile zur Stelle und begrüßten ihren Vater mit begeistertem Johlen. Plymmie folgte ihnen im Eiltempo, eifrig schwanzwedelnd drängte sie sich zwischen die Jungen, die den Seewolf umarmten. Plymmie gab erst Ruhe, als Hasard sie ausgiebig streichelte.
„Wie hast du das bloß geschafft?“ meldete sich Old Donegal Daniel O’Flynn zu Wort, nachdem es etwas ruhiger geworden war. „Von den Dons hört und sieht man nichts. Haben die etwa überhaupt nichts mitgekriegt?“
„So ist es“, erwiderte Hasard und nickte. Er konnte nicht umhin, den Männern in knappen Worten von seiner gelungenen Befreiungsaktion zu berichten.
Auch auf der „Wappen von Kolberg“, die in zwei Kabellängen Entfernung auf Parallelkurs segelte, waren die Männer munter geworden. Freudiges Gebrüll klang herüber. Hasard trat ans Schanzkleid und winkte mit beiden Armen. Drüben auf dem Achterdeck sah er seinen Vetter, der das Spektiv absetzte und sein Winken erwiderte. Das Mondlicht und der klare Himmel ermöglichten eine hervorragende Sicht.
Auf Anweisung des Seewolfs wurde das spanische Beiboot mit einem Tampen in Schlepp genommen.
Dann galt es, die wichtigeren Dinge zu tun.
„Wir greifen sofort an“, sagte Hasard kurz entschlossen. „Ben, laß den letzten Fetzen Tuch setzen.“
„Aye, aye, Sir“, erwiderte Ben Brighton freudestrahlend. Seine Worte gingen in den Beifallsrufen der Männer unter. Ihnen allen juckte es mächtig in den Fingern, den Dons die Lektion zu erteilen, die sie verdient hatten.
Während sich der Seewolf in die Kapitänskammer begab, um sich mit passender Kleidung aus eigenen Beständen zu versorgen, ertönten an Deck die energischen Kommandos des Ersten Offiziers.
Bramsegel und beide Blindesegel wurden gesetzt, nachdem die Entscheidung Hasards zur „Wappen von Kolberg“ signalisiert worden war. Arne ließ die Blinde und das Fockmarssegel setzen, auf die sie bisher verzichtet hatten. Mit einem handigen Wind aus Nordost nahmen die beiden Schiffe jetzt rauschende Fahrt über Backbordbug auf, nachdem sie bislang lediglich als Fühlungshalter fungiert hatten. Auch das ehemalige Flaggschiff des polnischen Generalkapitäns Witold Woyda hatte hervorragende Segeleigenschaften und war der „Isabella“ fast ebenbürtig. Für einen Generalkapitän bauten die Polen eben nur das Beste vom Besten.
Hasard kehrte nach wenigen Minuten an Deck zurück. Er trug eine Lederweste und hatte seinen Gurt mit dem Degen und dem schweren sechsschüssigen Radschloßdrehling angelegt. Als er über den Niedergang zum Quarterdeck und weiter zum Achterdeck aufenterte, ertönte bereits Ben Brightons schneidender Befehl.
„Klar Schiff zum Gefecht!“
Auch von der „Wappen von Kolberg“ wehten entsprechende Kommandos herüber. Auf der „Isabella“ setzte jene Wuhling ein, die für einen Außenstehenden ein unbeschreibliches Durcheinander sein mochte. Dennoch verlief all dies nach tausendfach geübtem Reglement. Jeder Handgriff saß, und weitere Kommandos waren nicht mehr erforderlich.
Wie eine perfekte Maschinerie waren die Männer aufeinander eingespielt. Al Conroy, der schwarzhaarige Stückmeister, teilte seine Geschützmannschaften ein und ließ die 25-Pfünder und 17-Pfünder klarieren. Auch die Drehbassen auf der Back und auf dem Achterdeck wurden geladen. Der Kutscher und Mac Pellew waren unterdessen in der Kombüse damit beschäftigt, das Feuer kräftig anzufachen und die Kohlebecken bereitzustellen.
Zu dieser Arbeit, die in Minutenschnelle erledigt werden mußte, trugen auch die Söhne des Seewolfs ihren Teil bei. Wieselflink halfen sie, Sand auf den Decksplanken auszustreuen. Sie schleppten außerdem Pützen mit Wasser heran, die nach einem genauen Plan auf den Decks verteilt wurden. Während des Gefechts konnten dadurch entstehende Brandherde im Handumdrehen gelöscht werden. Anschließend trugen die Junioren die Eisenbecken mit der glimmenden Holzkohle aus der Kombüse und plazierten sie nach Al Conroys Anweisung zum Zünden der Geschützlunten.
Big Old Shane nahm unterdessen den Platz im Großmars ein, ausgestattet mit seinem riesigen englischen Langbogen und einem ganzen Arsenal von verschiedenen Pfeilen, Batuti, gleichfalls mit Langbogen und Pfeilen, enterte in den Fockmars auf. Gemeinsam waren die beiden Bogenschützen in der Lage, dem Gegner ein wahres Höllenfeuer unter dem Hintern zu entfachen, und das schon auf eine Entfernung, bei der die Bordgeschütze noch zu schweigen hatten.
Für alle Fälle baute Ferris Tucker auf der Back seine Höllenflaschenabschußapparatur auf, ein handliches Gerät, dessen Konstruktion den frühgeschichtlichen Steinschleudern nachempfunden war. Für eine glutheiße Begrüßung waren alle Vorbereitungen getroffen.
Vom Achterdeck der „Wappen von Kolberg“ signalisierte nun auch Arne von Manteuffel Gefechtsbereitschaft. Per Handzeichen gab Hasard die Bestätigung, daß er verstanden hatte.
Wenige Minuten später zeichnete sich bereits die dickbauchige Silhouette der „Santissima Madre“ im Mondlicht ab. Auf die Entfernung sah die Wasseroberfläche aus wie gekräuseltes flüssiges Blei. Hasard und Ben Brighton beobachteten die spanische Galeone ununterbrochen mit dem Kieker.
Dort war es an Deck noch immer ruhig. Die Wachen schienen keinen Verdacht geschöpft zu haben. Daran, daß ihnen die englische und die deutsche Galeone mit wechselndem Abstand folgten, hatten sie sich offenbar gewöhnt.
„Daß du ihnen entwischt bist, haben sie noch nicht bemerkt“, sagte Ben Brighton kopfschüttelnd.
„Dann gibt es für sie ein böses Erwachen“, entgegnete der Seewolf grinsend.
Zügig schmolz die Distanz zwischen Verfolgern und Verfolgten zusammen. Als die „Isabella“ und die „Wappen“ bis auf vier Kabellängen heran waren, wurde auf der „Santissima Madre“ alarmierendes Gebrüll laut. Denn daß die beiden Verfolgerschiffe sich nun zur von achtern aufsegelnden Zange formiert hatten, mußte auch der einfältigsten Deckswache klar werden.
„Mister Conroy!“ brüllte der Seewolf.
„Sir?“
„Gib ihnen Zunder von der Back!“
„Aye, Sir!“ Der Stückmeister wirbelte herum und war mit wenigen langen Sätzen an Ort und Stelle.
Ben Brighton signalisierte den deutschen Gefährten, daß der erste Angriff mittels der Drehbassen erfolgen sollte. Shane und Batuti erhielten Order, sich solange zurückzuhalten, bis die ersten Schüsse gefallen waren.
Entnervtes Geschrei war von der „Santissima Madre“ zu hören, als die beiden Galeonen mit rauschender Fahrt herannahten. Das Verhängnis ließ sich nicht mehr aufhalten, viel zu spät hatten die Spanier begriffen, daß die Faust in ihrem Nacken zum Zuschlagen ansetzte.
Hasard dachte an Rodriguez de Coria, der in diesen Minuten wahrscheinlich Befehl gab, den gottverdammten Bastard Killigrew aus der Vorpiek zu holen und ihn als Geisel an den Mast zu binden. Vielleicht erlitt das „Onkelchen“ einen neuen Ohnmachtsanfall, wenn sich herausstellte, daß sich der Gefangene heimlich empfohlen hatte.
Beide Drehbassen auf der Back waren feuerbereit. Al Conroy ließ es sich nicht nehmen, diese erste, wichtige Aufgabe selbst zu erledigen. Geduckt stand er an dem schwenkbaren Hinterlader an Steuerbord und taxierte die sich rasch verringernde Entfernung, während die „Isabella“ sich dem Spanier von Steuerbord achteraus näherte.
Die Kommandos der Dons waren jetzt schon deutlich zu hören. Al Conroy grinste. Sie bemühten sich verzweifelt, ihre Geschütze noch zu klarieren.
Sorgfältig visierte er an. Dann stieß er blitzschnell die Lunte ins Zündloch, ohne den Lauf auch nur um einen Bruchteil zu versetzen. Brüllend entlud sich das Geschütz in seiner Gabellafette.
Das Krachen des ersten Schusses zerfetzte die Stille der Nacht.
Und dann ging es Schlag auf Schlag.
Al Conroy wartete den Erfolg der ersten Ladung nicht ab. Er hastete zur Drehbasse an Backbord, während Bob Grey und Sam Roskill das abgefeuerte Geschütz bereits nachluden. Auch auf der Back der „Wappen