Seewölfe - Piraten der Weltmeere 249. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 249 - Davis J.Harbord


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langes Leben, viele Frauen und noch mehr Enkel wünsche. Die verstanden natürlich kein Wort. Und Hasard und Philip, die Zwillinge, waren zum Dolmetschen nicht verfügbar, weil sie in der Dekkung der Segeltuchverkleidung im Vormars hockten und mit Arwenack zusammen Datteln in sich hineinstopften.

      Ihr Vater hatte die Kuhl durchquert, war auf die Back gestiegen und tippte Carberry von hinten auf die Schulter.

      Carberry wirbelte herum, fuchsteufelswild, aber als er seinen Kapitän erkannte, grinste er gequält.

      „Willst du hier einen Krieg entfesseln, Mister Carberry?“ fragte Hasard sanft.

      „Da ist doch so ein Rübenschwein an Bord geklettert!“ empörte sich Carberry. „Einfach so. Und dann hat dieses Rübenschwein noch an Deck gespuckt, verdammt und verzwirnt. Und das auf meinem Schiff!“

      „Unserem Schiff, wenn ich nicht irre.“ Hasards Stimme blieb weiterhin sanft. „Oder hast du jetzt die ‚Isabella‘ übernommen, Mister Carberry?“

      Der Profos verneinte, wenn es auch nur wie ein Grunzen klang. Etwas verfing sich in seinem Haar, das die Dichte und Festigkeit einer Kabelgarnmatte hatte, und als er das Etwas aus dem Haar klaubte, entpuppte es sich als ein Dattelkern.

      Aus dem Vormars erklang ein verhaltenes Kichern.

      Langsam hob Carberry den mächtigen Schädel und spähte nach oben. Der Seewolf biß sich auf die Lippen und versuchte, ein steinernes Gesicht zu wahren.

      „Hast du das gesehen, Sir?“ fragte Carberry grollend.

      „Was?“

      „Mir ist was auf den Kopf gefallen.“

      „Ah!“

      „Jawohl, das hier!“ knurrte Carberry und zeigte seinem Kapitän den Dattelkern. „Dieses Mistvieh schmeißt mit Kernen nach mir.“

      „Arwenack?“

      „Wer sonst! Klaut Datteln und verunreinigt mit den abgelutschten Kernen das Deck! Na warte, du Affenarsch!“ Und damit begann der Profos aufzuentern.

      Der Fockmast wackelte. Schließlich war der Profos ein ziemliches Schwergewicht. Als er über die Püttingswanten turnte, flitzte der Schimpanse aus dem Vormars am Fockmast hoch und hangelte sich über ein Stag zum Großmast hinüber. Dort schwang er sich auf den Mars, schnitt Grimassen und betrommelte seinen Bauch. Er war schon ein ziemlicher Lümmel, dieser Arwenack. Und der Profos war kein Schimpanse mit der Fähigkeit, von Mast zu Mast zu springen oder wie ein Affe zu klettern. Da hätte er noch am Abend hinter Arwenack herturnen können – und den kürzeren gezogen.

      Daß die beiden anderen Lümmel dann wie Teufelchen aus dem Vormars hochschossen, war für Carberry Wasser auf die Mühlen seines Zorns.

      „Hiergeblieben!“ donnerte er.

      „Mist!“ flüsterte Hasard junior und lächelte unschuldsvoll. Laut sagte er: „Mister Profos, Sir?“

      „Was treibt ihr da?“

      „Datteln essen“, erklärte Philip junior und lächelte ebenfalls voller Unschuld.

      „Und die Kerne an Deck spucken, was, wie?“ röhrte Carberry.

      „Das war Arwenack, Mister Profos, Sir“, sagte Hasard junior.

      „Jawohl, das war Arwenack“, bestätigte Philip junior. „Ich hab gleich zu Arwenack gesagt, laß das sein, du Affe, hab ich gesagt, aber er hat’s immer weiter getrieben, und da hat Hasard ihm was auf die Pfoten gehauen – hast du doch, oder?“

      „Hab ich.“ Hasard junior nickte. „Aber dieser Affe …“

      „Wo sind denn eure Kerne?“ fragte Carberry lauernd.

      „Unsere Kerne? Hm.“ Philip schaute seinen Bruder fragend an.

      „Haben wir verschluckt“, erklärte Hasard junior. „Möchtest du auch eine Dattel, Mister Profos, Sir? Sollen gut für den Stuhlgang sein, hat der Kutscher gesagt. Ehrlich. Ich glaub, bei mir wirkt’s schon.“ Er schaute seinen Bruder an und kniff schnell ein Auge zu – das linke, das dem Profos abgewandt war. „Bei dir auch?“

      „Bei mir auch“, sagte Philip junior prompt. „Es grummelt in meinem Bauch – oh!“ Er krümmte sich etwas zusammen und zauberte einen leidenden Ausdruck in seine Miene. „Ich – ich muß mal …“

      Und damit enterte er affengleich ab. Hasard junior flitzte hinterher, vorbei am Profos, dem es zum zweiten Male an diesem Morgen die Sprache verschlagen hatte.

      Er hatte ja ein gutes Herz unter seiner rauhen Schale, der bärbeißige Profos. Besorgt starrte er nach unten. Die beiden Rübenschweinchen rasten, jeder mit einer Pütz bewaffnet, ins Vordeck.

      „Den Magen verdorben“, murmelte er vor sich hin und enterte ab. Der Kutscher mit seinen verdammten Weisheiten! Gut für den Stuhlgang, ha!

      Vater Hasard stand noch auf der Back. Er hatte alles gehört und alles gesehen.

      „Sie haben die Kerne mit verschluckt“, sagte der Profos, als müsse er die beiden Lümmel entschuldigen.

      „Hm.“ Weiter äußerte sich Hasard nicht dazu.

      „Das kann bös ausgehen, Sir.“ Carberrys Stirn war voller Falten. Sorgenfalten, richtig tief eingegraben. „Diese Kerne sind verdammt hart, Sir. Meinst du, ihre Mägen verkraften das? Und die Dinger müssen doch dann achtern raus, aber so was Hartes …“ Der Profos kaute auf seiner Unterlippe und wußte nicht, wie er sich weiter verständlich machen sollte. Außerdem irritierte ihn, daß Vater Hasard nicht an seinen Sorgen teilnahm.

      Und was sagte Vater Hasard? Er sagte: „Wenn sie so dämlich sind, Datteln mit den Kernen zu essen, dann müssen sie eben zusehen, wie sie das mit der Verdauung geregelt kriegen. Hättest du die Kerne mit runtergeschluckt, Ed?“

      „Nein.“

      „Na also.“ Hasard grinste ein bißchen. „Und wer Dattelkerne runterschluckt, müßte eigentlich noch Prügel beziehen – wegen seiner Dämlichkeit. So sehe ich das jedenfalls. Oder siehst du das anders, Ed?“

      Jetzt äußerte sich Carberry mit einem: „Hm.“

      Hasard spann seinen Faden weiter. „Vielleicht aber haben sie die Kerne gar nicht runtergeschluckt.“

      „Nicht runtergeschluckt?“ Carberry war ehrlich entrüstet. „Aber das haben sie gesagt, Sir. Und der Teufel soll mich holen, wenn das nicht stimmt!“

      „Er holt dich.“

      „Wie bitte?“ Jetzt knurrte der Profos. „Du meinst …“

      „Genau.“ Und Hasard wandte sich um, warf einen Blick über die Kuhl, winkte Smoky, der andächtig zugehört hatte, zu und befahl: „Hasard und Philip sollen sich bei mir auf der Back melden!“

      „Aye, aye, Sir.“ Smoky tauchte im Vordeck unter.

      Zwei Minuten später erschienen Hasard und Philip junior auf der Back – ohne die Pützen. Der Profos stand da wie ein angriffslustiger Stier. Bei ihm war das jene Haltung, bei der er sich etwas geduckt und die Hände in die Hüften gestemmt hatte, den Kopf leicht schiefgeneigt, das Rammkinn vorgeschoben.

      „Die Kerne“, sagte Vater Hasard sehr freundlich und mit Milde. „Habt ihr die verschluckt, oder habt ihr sie nicht verschluckt?“

      „Nicht verschluckt“, sagte Hasard junior.

      „Nicht verschluckt“, sagte Philip junior.

      Da war nicht zu übersehen, daß sie beide sehr gerade standen und der Kopf mit ihrem Rücken eine genauso gerade Linie bildete. Ihre Augen funkelten in dem gleichen eisigen Blau wie die ihres Vaters. Ihre Lippen bildeten den gleichen strengen Schnitt – etwas jünger vielleicht, aber nicht weniger trotzig. Der Ausdruck in ihren Gesichtern sagte: Nur zu, nagele uns an den Großmast und laß die Neunschwänzige tanzen. Aber einen Mucks kriegst du nicht zu hören. Den Gefallen tun wir dir nicht.

      Vater


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