Seewölfe - Piraten der Weltmeere 480. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 480 - Fred McMason


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ich nicht“, sagte der gleichgültig. „Aber ohne Kopf ist der sowieso zeitlebens ein Krüppel.“

      Etliche andere lachten roh. Es war bezeichnend für ihren Zustand, daß sie keinem mehr nachtrauerten. Je weniger es wurden, desto größer wurde ihr Anteil an der Beute.

      Diese Beute hatte allerdings einen recht üblen Widerhaken, dessen war sich jeder bewußt. Sie alle waren, seit sie den Schatz gefunden hatten, mehrfache Millionäre. Das viele Gold und die anderen Kostbarkeiten konnten sie in ihrem ganzen Leben nicht verbrauchen. Aber sie befanden sich in einer total verfahrenen Situation, denn sie waren buchstäblich festgenagelt und konnten die Höhle nicht mehr verlassen, seit der Beschuß von der „San Sebastian“ eingesetzt hatte.

      Einen Toten und mehrere Verletzte hatte das Feuer bereits gefordert.

      Sie hatten zwar noch Trinkwasser, aber mit dem Proviant sah es schlecht aus. Der bestand nur noch aus einigen Kokosnüssen, um die bald der große Streit entbrennen würde.

      Der ständige Beschuß nervte sie, und ihre Hoffnung, mit den beiden Jollen die „San Sebastian“ überfallen zu können, war auch dahin. Am Strand lagen nur noch Fetzen und Trümmer.

      Grotesk war die Situation, in der sie sich befanden. Vor ihren Augen lag das viele Gold, aber sie konnten damit nichts anfangen. Sie konnten im Extremfall sogar inmitten dieses unermeßlichen Reichtums elend verhungern oder verdursten.

      Dementsprechend war auch die Laune der Kerle. Die meisten starrten stumpf vor sich hin. Ein paar andere belauerten sich mißtrauisch, ob auch ja keiner von ihnen heimlich etwas klaute. Selbst das war ein Witz, denn es gab Reichtümer im Überfluß.

      Jetzt hockten die Kerle mißmutig, finster und verdrossen auf den Kisten mit Gold, Silber, Edelsteinen oder Schmuck und wußten nichts mit sich anzufangen. Sie waren mit ihrem Latein am Ende.

      „Das ist vielleicht ein Scheiß“, sagte Cabral tückisch. „Da sitzt man mit dem Arsch auf Gold und kann es nicht ausgeben. Wie lange soll das eigentlich noch weitergehen?“

      „Weiß ich doch nicht“, sagte Gutierrez voller Wut. „Glaubst du vielleicht, ich habe daran Spaß? Solange die Bastarde da unten uns befeuern, können wir gar nichts unternehmen.“

      „Ach, dann sollen wir wohl warten, bis sie ihre letzte Kugel verschossen haben, was? Aber da können wir lange warten. Die Hunde könnten ja auch auf die Idee verfallen, Verstärkung zu holen. Dann sitzen wir erst recht in der Klemme und werden ausgeräuchert.“

      „Verdammt, ich kann das nicht ändern!“ brüllte der Zweite nervös.

      „Wir müssen das aber ändern. Ich habe nämlich die Schnauze voll, und ich habe auch nicht die geringste Lust, mich von den Marineknechten erwischen zu lassen. Die fackeln nicht lange. Wen sie haben, dem ziehen sie gleich den Hals lang.“

      „Noch haben sie uns ja nicht“, sagte Machado beschwichtigend. „Uns wird schon noch etwas einfallen. Wir müssen die Nacht abwarten, dann sieht alles anders aus.“

      Der Decksälteste Cabral ging vor Wut fast die Wand hoch. Wütend versetzte er einer Goldtruhe einen Tritt. Dabei funkelte ihm aber noch immer die Gier aus den Augen.

      „Ich habe einen Plan“, sagte er nach einer Weile. „Wir können ja doch nicht alles mitnehmen, oder?“

      „Wie es aussieht, vermutlich nicht. Aber laß deinen Plan nur hören, vielleicht ist er gut.“

      „Er ist jedenfalls das Beste, was wir in dieser Situation tun können. Also, hört mal zu!“

      Etliche Kerle, denen die Gier nach Gold im Gesicht stand, scharten sich sofort um ihn und sahen ihn neugierig an. Auch Capitán und Zweiter näherten sich.

      Verdammt, sie wollten hier raus, aber sie wollten natürlich nicht auf den Reichtum verzichten. In Gedanken hatte jeder sich bereits ausgemalt, was er mit dem vielen Gold anfangen wollte. Jeder hatte da seine eigenen verrückten Ideen entwickelt.

      „Nun laß endlich deine Gedanken raus“, sagte der Zweite unwillig.

      Cabral hockte sich auf eine der Truhen. Mit finsterem Gesicht starrte er die Kerle an, die sich um ihn geschart hatten.

      „Wir stopfen uns die Taschen voll“, sagte er in die Stille hinein. „Jeder nimmt sich, soviel er tragen kann, und dann hauen wir ab. Wenn wir uns Hemden, Taschen und Stiefel mit Goldstückchen, Edelsteinen oder Perlen vollstopfen, so ist das eine ganze Menge, und man kann verdammt viel damit anfangen.“

      „Moment mal“, sagte Gutierrez.

      „Laß mich doch ausreden, verflucht! Wir trennen uns natürlich, und jeder geht seiner eigenen Wege. Dann fällt es auch nicht auf. Auf die Art können wir jedenfalls eine ganze Menge wegschleppen.“

      Ein paar Kerle brummten beifällig.

      „Sehr gut“, sagte ein Kreole gierig, „das ist wenigstens ein Stück vom großen Kuchen und besser als gar nichts. Klar, damit bin ich einverstanden.“

      Einige andere blickten den Bullen unentschlossen an und waren verunsichert. Sie wollten lieber alles haben und nicht nur „ein Stück vom großen Kuchen“.

      Anderen wieder flackerte die Gier aus den Augen. Die Hauptsache, sie erwischten ein paar Goldstücke oder ein paar Perlen. Damit hatten sie zumindest für die nächste Zeit ausgesorgt.

      Plötzlich war die Situation spannungsgeladen. Die Taschen vollstopfen und verschwinden, hierbleiben und abwarten – die Kerle wußten immer noch nicht so recht, für was sie sich entscheiden sollten. Aber immer noch waren etliche dafür, sich sofort abzusetzen und mitzuschleppen, was nur mitzuschleppen war.

      Der Zweite durchkreuzte jedoch ihre Hoffnungen. Sein Gesicht war höhnisch und abfällig verzogen, als er zuhörte. Dann winkte er verächtlich ab.

      „Das würde nur ein Feigling tun, aber für Feiglinge ist hier kein Platz. Wir nehmen alles oder überhaupt nichts, damit das klar ist. Wer allerdings abhauen will, der kann es tun, aber mit leeren Taschen. Hier stopft sich niemand die Klamotten voll und verschwindet.“

      „Richtig“, sagte Machado und stellte sich damit auf seine Seite. „Das ist auch meine Ansicht.“

      „Deine Ansicht interessiert mich einen Scheiß!“ brüllte Cabral. Dann drehte er sich um und sah den Zweiten, tückisch an.

      „Und das bestimmst du jetzt, was? Aber da hast du dich geirrt, mein Freund. Ich, Manzo, Casco, Domingo und Toluca sind die ersten gewesen, die die Schatzhöhle besetzt haben. Das solltest du nicht vergessen, mein Lieber. Folglich gehört die Höhle uns. Ihr Halunken seid erst viel später erschienen, und jetzt reißt ihr das Maul auf. Aber nicht bei mir. Du und der saubere Capitán haben überhaupt nichts mehr zu vermelden, und ihr braucht auch keine großen Töne spucken. Die Zeiten, in denen der Sack da Capitán und du Zweiter waren, sind endgültig vorbei. Ich unterstelle mich keinem Kommando mehr. Wer hier groß rumtönt, dem hau ich was aufs Maul.“

      „Paß nur auf, daß du nicht was aufs Maul kriegst“, sagte der Zweite wutentbrannt. „Du Scheißer sorgst hier nur für Ärger, und davon haben wir schon genug.“

      „Und du Oberscheißer kotzt hier groß nun!“ schrie Cabral. „Das hast du schon immer gut gekonnt, aber damit ist jetzt Schluß.“

      Der Zweite wandte sich um. Es sah so aus, als starre er voller Wut in den finsteren Teil der Höhle.

      „Ja, damit ist jetzt Schluß“, sagte er dann ruhig, während er sich wieder umdrehte und höhnisch grinste. „Endgültig Schluß.“

      Er hielt eine Pistole in der Faust und richtete sie auf Cabral, der langsam von seiner Goldkiste aufstand und blaß wurde.

      „Du hinterhältiger Dreckskerl“, keuchte er.

      „Du hast es gut“, sagte Gutierrez kalt, „du brauchst dir keine Gedanken mehr über das Gold zu machen, und die Taschen wirst du dir auch nicht mehr vollstopfen.“

      Nach dem letzten Wort drückte er eiskalt ab.


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