Seewölfe - Piraten der Weltmeere 157. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 157 - Davis J.Harbord


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unter sich, denn sie waren in dem Raum ebenfalls anwesend. Für Hasard war das ein Quell unerschöpflichen Amüsements, weil die beiden wie zwei Pferdehändler miteinander schacherten, und oft genug mußte Hasard als der ehrliche Makler zwischen ihnen entscheiden, was die Königin und was die Royal Navy erhalten sollte. Dabei hielt er es für richtiger, der Royal Navy einen im Verhältnis größeren Anteil an Gold- und Silberbarren zu übereignen, der vom Wert her besser zu bestimmen und zu taxieren war als Perlen und Edelsteine.

      Um neun Uhr am Vormittag war mit dem Transport der Ladung begonnen worden. Es würde ein arbeitsreicher Tag werden, bis die Laderäume der „Isabella“ entleert waren.

      Und es stellte sich sehr schnell heraus, daß die Schreibarbeit an den Tischen umständlich und zeitraubend sein würde. Aber es ging nicht anders. Hasard wollte sich nicht noch einmal vorwerfen lassen, er betrüge die Königin und begehe Unterschlagungen – wie sie von seinen Gegnern 1580 als Gerüchte in Umlauf gesetzt worden waren, um ihn zu vernichten.

      Natürlich waren er und seine Männer nicht mittellos, wenn die riesige Schatzladung in den Towergewölben verschwunden war. Schließlich stand jedem Kapitän, der als Kaperfahrer unterwegs gewesen war, ein gerechter Anteil der Beute zu. Aber die Seewölfe waren ja freiwillig nach England zurückgekehrt, um ihrer königlichen „Bessy“ die Ausbeute ihrer Kaperfahrten zu übergeben. Sie hätten ja auch in der Karibik bleiben können, für immer.

      Aber noch etwas hatte sie nach England zurückgetrieben – ihr Wissen um die bevorstehende Auseinandersetzung mit Spanien. Wenn es soweit war, wollten sie dabeisein und auf ihre erprobte Weise den Dons das Fürchten beibringen. Das waren sie ihrem Land und der „Bessy“ schuldig.

      Sie waren über die sieben Weltmeere gefahren – vagabundierende Abenteurer in der grenzenlosen Freiheit der See, aber Patrioten waren sie dennoch geblieben. Und wenn sie etwas für England taten, dann freiwillig und niemals unter Zwang.

      Um so weniger schmeckte es ihnen, daß dieser Gockel von Hauptmann in Generalspose auf der Pier herumstolzierte und offensichtlich meinte, sie als Kulis oder minderes Volk betrachten zu müssen.

      Der Ärger begann damit, daß sich dieser Kerl dann direkt an der Gangway zur „Isabella“ aufbaute, als habe er persönlich den Transport der Kisten und Truhen von Bord zu überwachen. Dabei ging ihn dieser Transportweg einen Dreck an. Im übrigen schleppten die Seewölfe im gewissen Sinne ihren eigenen Besitz in den Towerraum. Erst dort wechselte er in den Besitz der Königin und der Schatzkasse der Royal Navy über. Also war die Anwesenheit dieses Hauptmanns total überflüssig.

      Thomas Milford, Hauptmann der königlichen Garde, schleppte an seiner Seite einen Degen mit einem riesigen Korb als Handschutz mit sich herum, außerdem ein Reitstöckchen, das er lässig und unentwegt gegen seine Stulpenstiefel klatschte. Dabei trug er eine Miene zur Schau, als sei der Anblick der Pier, der „Isabella“ und besonders der Männer dieses Schiffes eine Beleidigung für seine blaßblauen Augen oder ein schlechter Geruch für seine fleischige Nase.

      Seine Miene wurde noch überheblicher, als Batuti, der riesenhafte Gambia-Neger, mit einer Kiste auf der Schulter, die er mit beiden Händen festhielt, über die Gangway zur Pier balancierte.

      Batuti ging an ihm vorbei, ohne ihn zu beachten.

      „He, Nigger!“ rief Hauptmann Milford.

      Batuti kümmerte sich nicht darum. Er hieß nicht „Nigger“. Im übrigen waren in der Kiste Goldbarren gestapelt. Er hatte keine Lust, sich aufhalten zu lassen. Die Kiste war schwer genug, um von zwei Männern getragen zu werden.

      Milford stieß einen grunzenden Wutlaut aus, sprang hinter Batuti her und fetzte ihm das Reitstöckchen über den rechten Oberschenkel.

      „Bleib stehen, Nigger!“ schrie er. „Wenn du an einem Hauptmann der Garde Ihrer Majestät der Königin vorbeigehst, hast du zu grüßen, verstanden?“

      Batuti war bei dem unvermuteten Hieb etwas zusammengezuckt. Langsam drehte er sich um, die Kiste immer noch auf den Schultern, und blickte den Hauptmann an.

      Ruhig sagte er: „Nix verstanden, Mistah. Warum soll Batuti grüßen. Nix dich kennen, also auch nix grüßen, savvy?“

      „Was – was …“ Milford keuchte. „Du schwarze Mißgeburt wagst es, einem Hauptmann die Grußpflicht zu verweigern.“ Das Stöckchen in seiner Hand zitterte.

      Langsam setzte Batuti die Kiste ab. Als er sich aufrichtete, wuchs er um gut zwei Köpfe über Milford heraus.

      „Mistah“, sagte er, immer noch ruhig, „nenn Batuti nicht schwarze Mißgeburt. Batuti dich auch nicht weißer Bastard nennen. Eine Haut so gut wie andere, schwarz genauso gut wie weiß …“

      „Du dreckiger Niggerlümmel!“ brüllte der Hauptmann und hob das Stöckchen, um es Batuti ins Gesicht zu schlagen. „Dir werd ich …“

      Er brach ab. Eine Faust, hart wie ein Schraubstock, umklammerte sein Handgelenk und drückte seinen Arm nach unten.

      Milford warf sich herum.

      Vor ihm, wie ein granitener Klotz, stand ein Mann mit zernarbtem Gesicht, einem wüsten Rammkinn und schiefergrauen Augen, in denen ein gefährliches Licht glimmte. Hinter ihm tauchten andere Männer auf mit Mienen, die allerlei versprachen, nur nichts Gutes.

      Der Narbenmann zog mit der anderen Hand das Stöckchen aus der Hand Milfords, betrachtete es kopfschüttelnd, zerbrach es in zwei Teile und warf sie verächtlich weg.

      „Hier wird nicht geschlagen, Mister“, sagte er grollend.

      „Dieser Nigger hat mich beleidigt!“ schrie der Hauptmann schrill und rieb sich das rechte Handgelenk. „Und Sie werden mir sofort meinen Reitstock ersetzen! Wer sind Sie überhaupt?“

      „Edwin Carberry, Profos der ‚Isabella‘, Mister.“

      „Für Ihresgleichen bin ich mit ‚Sir‘ anzureden!“ schrie der Hauptmann.

      Carberry schloß seine rechte Hand zur Faust, betrachtete sie und streichelte mit der Linken darüber. Dann fixierte er den wutbebenden Hauptmann.

      „Hör zu, du Gardewürstchen“, sagte er. „Erstens: Niemand, auch du nicht, hat das Recht, Batuti, einen Mann der ‚Isabella‘-Crew, anzupöbeln oder ihn zu schlagen. Zweitens: Deinen Zahnstocher kannst du dir selbst ersetzen. Drittens: Mit ‚Sir‘ rede ich nur Personen an, die diesen Titel auch verdienen. Hampelmänner wie dich rede ich überhaupt nicht an, die lasse ich allenfalls an dieser Knospe riechen.“ Er hielt dem Hauptmann die rechte Faust unter die Nase. „Oder ich ramme sie durchs Deck, daß sie auf dem Kielschwein reiten können.“ Er stieß sein Rammkinn vor. „Oder ich wring sie aus und häng sie zum Trocknen an die Großrah.“ Carberrys Stimme wurde tükkisch. „Oder wär’s dir lieber, wenn ich dir die Haut streifenweise von deinem Affenarsch ziehe und an unser Kombüsenschott nagele?“

      Dem Hauptmann der königlichen Garde Thomas Milford stand der kalte Schweiß auf der Stirn. Zögernd wich er vor Carberry zurück. Dieses fürchterliche Monster schien vor nichts zurückzuschrecken. Und die anderen Kerle hinter ihm sahen aus wie ein Rudel mordlüsterner Wölfe.

      „Buh!“ machte Carberry und sprang vor.

      Milford zuckte zusammen, warf sich herum, und dann rannte er, als sei eine alles verschlingende Sturmflut hinter ihm her.

      Aber nur das Gelächter der Seewölfe verfolgte ihn. Er hörte es bis in den Towerraum, wo die Schreiber mit ihren Federkielen über die Pergamente kratzten.

      Lord Burghley hob stirnrunzelnd den Kopf, als der Hauptmann in den Raum keuchte.

      „Was ist denn mit Ihnen los, Milford?“ fragte er unwillig.

      „Empörend – es ist empörend!“ stieß der Hauptmann hervor.

      „Was ist empörend?“

      „Das Benehmen dieses – dieses Gesindels!“ Der Hauptmann zeigte mit dem Daumen in die Richtung, in der die „Isabella“ an der Pier lag.

      Lord Burghley


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