Seewölfe - Piraten der Weltmeere 607. Burt Frederick
Impressum
© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-96688-021-3
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Burt Frederick
Die Pilgerschiffe
Das neue Leben fordert schon in London die ersten Opfer
Der Kerl übertönte, sogar den Lautenspieler.
„Eine holde Maid im grünen Hain …“, sang der Musikant.
Sofort grölte dieser aufgeblasene Kerl, was ihm dazu einfiel: „Ja, was mag ihr wohl geschehen sein?“
Röhrendes Gelächter und schrilles Kichern waren die Folge. Der Mann mit der Laute gab auf. Er nahm sein Instrument herunter, stieg von dem kleinen Podest neben der Theke des „Red Dragon“ und schickte sich an, zu gehen.
Der Gröler wurde auf ihn aufmerksam. Im Kreis der Weiber, die sich um ihn geschart hatten wie Motten um eine Ölfunzel, sprang er auf.
„He, he, mein Freund! Wirst du hier fürs Klampfen und Krächzen bezahlt oder nicht?“
„Ja, Sir“, antwortet der Musikant und drehte sich um. „Aber nicht dafür, mir einen blökenden Esel anzuhören.“
Die Hauptpersonen des Romans:
Robert Granville – der Kapitän der „Discoverer“ ist ein Hundesohn, der sich an armen Auswanderern bereichern will.
Delia Mercer – ist jung und hübsch und schafft es, für ihre Familie die Reisekosten für die Fahrt in die Neue Welt zu verdienen.
Frank Davenport – der adlige Nichtstuer meint, auf der Schebecke der Seewölfe große Töne spucken zu können.
Elisabeth I. – erteilt dem Seewolf einen Auftrag, von dem weder er noch seine Männer besonders entzückt sind.
Philip Hasard Killigrew – braucht Härte und diplomatisches Geschick, um sich durchzusetzen.
Inhalt
1.
Schlagartig wurde es so still in der Schenke, daß es wie ein Kanonenschuß geklungen hätte, wenn in diesem Moment eine Muck zerbrochen wäre. Der Gröler, ein gutgekleideter Mann mit blasierter Miene und vornehm blasser Gesichtshaut, riß die Augen weit auf und kriegte den Mund nicht wieder zu. Dann wich das Blasierte einem Ausdruck blanker Wut.
Die Hafenmädchen, die ihn umlagerten, hatten erschrocken die Hand vor den Mund geschlagen. Einige sahen den respektlosen Lautenspieler empört an, als seien sie auf der Seite ihres Gönners. Andere schienen unschlüssig zu sein, was sie mehr bewundern sollten – den Mut des Mannes mit der Laute oder das heilige Donnerwetter, das der sehr ehrenwerte Mister Frank Davenport gleich vom Stapel lassen würde.
Auch im übrigen Schankraum war die Reaktion unterschiedlich. Jene Hälfte, wo Tische und Stühle standen, war den gut zahlenden Gästen vorbehalten. Handwerksmeister, Kaufleute und Kapitäne ließen sich dort nieder, um sich mit Getränken und Gunstbeweisen verwöhnen zu lassen. Auch Gäste adliger Herkunft waren dort gelegentlich anzutreffen – wie jener grölende Mister Davenport.
All die anderen scharten sich rings um die Theke. Dichtgedrängt standen sie mit den Bierkrügen in der Hand und starrten den Musikanten an, den sie nur als einen zurückhaltenden und fast scheuen Mann kannten.
Ein Raufbold war er ohnehin nicht. Daß er auf diese Weise aufbegehrte, bewies wohl nur, wie sehr ihn das Getue dieses Schnösels Davenport getroffen hatte. Jeder der einfachen Männer – Seeleute und Hafenarbeiter zumeist – war auf der Seite des Lautenspielers.
Die käuflichen Weiber und ihre Zechkumpane an den vornehmeren Tischen hatten sich unterdessen die ganze Zeit von Davenports albernen Scherzen aufheitern lassen. Keine Frage also, daß sie daher auf seiner Seite stehen würden.
Davenport klappte endlich den Mund zu und schluckte trocken. Er war sich der Wirkung seiner Worte bewußt, als er betont leise sprach: „Ich nehme an, daß ich mich nicht verhört habe. Nun, wenn dem so ist, mußte ich es mir soeben bieten lassen, mich mit einem äußerst dummen Tier vergleichen zu lassen. Und das von einem Strolch, der sich Sänger nennt, obwohl er jault wie ein Köter, dem gerade auf den Schwanz getreten wurde!“
Gelächter der Männer und unterdrücktes Kichern der Weiber hinter vorgehaltener Hand waren sein Beifall.
Davenport blickte in die Runde und nickte in dem grimmigen Bewußtsein, es recht zu tun. Er war entschlossen, sich noch nicht zufriedenzugeben. Der unverfrorene Lautenzupfer würde zu spüren kriegen, was es hieß, einen Mann von Rang und Namen zu beleidigen.
Beleidigung? Ach was! Was dieser Wurm sich geleistet hatte, grenzte geradezu an frevlerisches Benehmen. Einer aus dem Pöbel, der sich erdreistete, einen Adligen mit verbalem Schmutz zu bewerfen. Ungeheuerlich!
Davenports Wut wuchs, je mehr er darüber nachdachte. Hölle und Teufel, er hatte im Grunde das Recht, diesen Strolch auf der Stelle niederzuschießen.
Der Musikant, ein schlanker Mann namens Anthony Armstrong, stand stocksteif und war zu einer Entgegnung nicht mehr in der Lage. Sein Mut hatte ihn verlassen. Die Männer, die in seiner unmittelbaren Nähe ausharrten, sahen, wie er sich bemühte, ein Zittern zu unterdrücken.
Wieder herrschte Stille in der Schenke. Der Wirt und seine Helfer hinter der Theke wußten, daß es ratsam war, sich aus einer Auseinandersetzung herauszuhalten. Die große Schar der Männer auf der Thekenseite des Schankraums stand stumm und regungslos. Aus ihrer Bewunderung für Armstrong wurde mehr und mehr Wut auf jenen Schnösel, der hier den dicken Mann markierte. Die harten Gesichter der Männer zeigten dies deutlich genug.
Die Zechkumpane des Hochwohlgeborenen wurden unsicher. Das spöttische Grinsen verschwand aus ihren Gesichtern. Wenigstens sie wußten die Lage richtig einzuschätzen. Denn die Männer, die dort dem Musikanten eine unverholene Rückenstärkung gaben, waren von einer Sorte, die sich nicht so leicht unterdrücken ließ. Ungerechtigkeiten wurden nicht einfach mehr hingenommen. Mancher Schikanierer unter den Handwerksmeistern, Kaufleuten und Kapitänen hatte schon erleben müssen, daß ihm in dunkler Nacht das Fell versohlt worden war – ohne Zeugen.
Frank Davenport scherte sich nicht um diese Feinheiten. Ebensowenig taten es die käuflichen Weiber, die fest daran glaubten, daß Geld die Welt