Seewölfe - Piraten der Weltmeere 607. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 607 - Burt Frederick


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dich zu äußern, Sangesbruder. Mag sein, daß du dich für deine Frechheit entschuldigen willst. Noch hast du die Möglichkeit, es zu tun. Obwohl es dir die Strafe nicht ersparen wird.“

      Anthony Armstrong biß sich auf die Lippen. Von allen Anwesenden hatte er am wenigsten getrunken. Deshalb fühlte er sich höchst ernüchtert. Welcher Teufel hatte ihn nur geritten, daß er gewagt hatte, dem Gröler die Meinung zu sagen? Er räusperte sich und war soweit, sich tatsächlich zu entschuldigen.

      Bewegung entstand hinter ihm. Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter. Erstaunt drehte er sich um. Der Mann, der sich her angeschoben hatte, war einen halben Kopf größer als die meisten anderen, hatte Schultern wie ein Kleiderschrank und ein gutmütiges Gesicht, in dem jetzt allerdings harte Furchen entstanden waren.

      „Oh, hallo, Gregory“, sagte Armstrong leise, als dürfe der Hochwohlgeborene es nicht hören. „Dich habe ich noch gar nicht gesehen heute abend.“

      „Bin auch erst vor zehn Minuten reingekommen“, antwortete Gregory Mulhollen. Er wandte sich der höhergelegenen Seite der Schenke zu, wo die Tische von einer Balustrade abgegrenzt wurden. Mulhollen war Zimmermann. Jeder kannte ihn, da er als Vorarbeiter auf der Kinsgate-Werft einen guten Ruf hatte. Er erhob seine Stimme zu dröhnender Lautstärke. „Allerdings bin ich noch früh genug dagewesen, um das Wichtigste mitzukriegen.“

      Oben, an den Tischen, standen die ersten auf und gingen. Der Lautenspieler atmete erleichtert auf. Die Männer rings um Mulhollen knurrten zornig zustimmend. Erst jetzt zeigten auch die Dirnen Anzeichen von Unsicherheit. Immer mehr Männer entfernten sich aus ihrer Nähe, zum Ausgang hin.

      Davenports vornehme Blässe wurde wächsern. Die erhobene Nase sank tiefer. Von einem Atemzug zum anderen erweckte er den Eindruck, daß er sich sehnlichst ein Loch im Boden wünschte, um darin versinken zu können. Um so mehr schien es ihn zur Verzweiflung zu bringen, daß er sich wie festgewurzelt fühlte.

      Der riesenhafte Mulhollen bewirkte das.

      Fast ein Dutzend Männer schlossen sich dem Zimmermann an, als dieser sich der Balustrade näherte.

      Anthony Armstrong strahlte vor Freude. Er ging zu dem Podest zurück, setzte sich auf den Hocker und hob die Laute auf die Oberschenkel.

      Jetzt konnte er über die Köpfe der anderen hinwegblicken. Wenn Mulhollen und die anderen aufrechten Burschen es wünschten, würde er ein Spottlied anstimmen.

      Die ersten im Kreis von Davenports Weibern wollten aufspringen.

      „Ihr bleibt!“ donnerte Mulhollen.

      Sie erstarrten und wagten nicht mehr, sich zu rühren.

      Bis auf wenige Kaufleute, die an den entferntesten Tischen ausharrten, waren Davenports Zechkumpane verschwunden.

      Mulhollen schob die Jackenärmel hoch und legte seine muskulösen Unterarme auf die Balustrade.

      „Nun, Mister Davenport“, sagte er mit spöttischer Höflichkeit. „Jetzt möchtest du am liebsten weglaufen, was?“

      Die „Ladys“ in der Umgebung des Hochwohlgeborenen sperrten den Mund auf. Daß jemand so respektlos mit ihrem sehr ehrenwerten Gönner redete, hatten sie noch nicht erlebt – abgesehen von der Unverschämtheit des Musikanten vor wenigen Minuten. Was fiel diesem ungehobelten Klotz ein! Gab es denn niemanden, der ihn zurechtwies?

      Nein. Man konnte sich in der ganzen Schenke umsehen, da war keiner, der sich noch auf Frank Davenports Seite geschlagen hätte. Die wenigen Kaufleute, die eben noch mit ihm gezecht hatten, waren zu schadenfrohen Zuschauern geworden.

      Das Erstaunen der Dirnen wuchs noch, als sie ihren adligen Freund in einer unerwarteten Vertraulichkeit antworten hörten.

      „Ich befehle dir, Mulhollen, mich in Ruhe zu lassen. Du hast nicht das Recht, dich in eine Angelegenheit einzumischen, in der ich kraft meines Standes die rechtmäßige Gewalt ausübe.“

      „Weißt du was?“ Mulhollen grinste.

      Davenport blinzelte irritiert. „Was denn?“

      „Ich nehme mir das Recht. Einfach so.“

      Davenport schnappte nach Luft. Er sah dabei aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. „Aber – das – das …“

      „Das hättest du nicht gedacht, was?“ Die Männer, die einen Halbkreis um Mulhollen gebildet hatten, lachten glucksend. Der Zimmermann grinste breiter. „In Ordnung. Über was wollen wir zuerst reden? Über die Frage, warum du dich als Mann von Stand in Kneipen wie diese verirrst?“

      „Das – das geht niemanden etwas an“, stammelte Davenport.

      „Doch, mich und ein paar von den anderen hier. Oder müssen wir dir erst die Schuldscheine, die du unterschrieben hast, unter die Nase halten? Wie wär’s, wenn du mal etwas arbeiten würdest, um uns das Geld zurückzuzahlen? Wo hast du dir diesmal was zusammengeschnorrt, damit du dich hier aufspielen kannst?“

      „Das ist ungeheuerlich!“ keuchte der Hochwohlgeborene.

      Mulhollen überhörte es. „Nennen wir die Dinge beim Namen, Davenport. Meine Freunde und ich waren so unvernünftig, dir Geld zu leihen, als wir dich noch nicht richtig kannten. Auch wir sind auf dein Gefasel vom unverschuldet notleidenden Adligen hereingefallen. Natürlich nur, weil wir alle schon was getrunken hatten. Sonst hätten wir ja auch kein Mitleid mit so einem Dreckstück wie dir gehabt. Du leihst dir Geld von unsereinem, der dafür hart arbeiten muß, und du schämst dich nicht, einen rechtschaffenen Mann wie Anthony Armstrong anzustänkern? Wer gibt dir dazu das Recht, he?“

      Davenport zuckte zusammen. „Ich – ich weiß nicht, von was du redest.“

      „Dann müssen wir deinem Gedächtnis wohl auf die Sprünge helfen“, knurrte Mulhollen. „Oder war es jemand anders als du, der ständig dazwischenbrüllte, als Anthony versuchte, das zu tun, wofür er vom Wirt bezahlt wird – zu singen?“

      Die „Ladys“ blickten zu Davenport auf, gespannt, welche Antwort er geben würde. Aber alles, was sie hörten, war ein immer verworreneres Stammeln. „Be-be-stimmt, da-da mu-muß ein an-anderer …“

      Mulhollen schwang sich mit einem Satz über die Balustrade, dessen Eleganz ihm bei seiner Körpergröße kaum jemand zugetraut hätte. Davenport duckte sich, als ahnte er den ersten Hieb, der ihn treffen mußte, voraus. Dann wollte er fliehen und nach hinten weg. Aber da war die geballte Ansammlung weicher weiblicher Formen, die sich nicht so schnell durchdringen ließ.

      Die enttäuschten, ungläubigen Blicke der Käuflichen trafen ihn bis ins Mark. Der Zimmermann packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich heran. Davenport zappelte vergeblich. Die Augen schienen ihm aus den Höhlen zu quellen.

      „Du wirst dich bei Anthony entschuldigen“, zischte Mulhollen. Sein Gesicht war nur um Fingerbreite von dem käsigen Weiß des anderen entfernt. „Jetzt sofort. Mit folgendem Wortlaut: Sehr geehrter Mister Armstrong, ich bitte Sie für meine Unverschämtheit vielmals um Entschuldigung. Hast du das? Wiederhole das!“ Er schüttelte ihn.

      „Niemals!“ kreischte Davenport. „Das ist unter meiner Würde! Das brauche ich nicht zu tun!“

      „Dann werden wir dich eben ein bißchen zwingen“, entgegnete Mulhollen mit hartem Grinsen.

      Er wollte sich mit dem Zappelnden in Bewegung setzen, um ihn zum Podest des Lautenspielers hinüberzuschleifen.

      Urplötzlich begann Davenport, sich wie wahnsinnig zu gebärden. Mit aller Kraft, die er hatte, schlug und trat er um sich. Dazu schrie er mit schriller Stimme.

      Mulhollen war auf diese Verrücktheit nicht gefaßt gewesen. Deshalb traf ihn ein Tritt des Ehrenwerten sehr empfindlich. Er krümmte sich und ließ den Kerl ungewollt los. Mulhollens Gefährten, die eingreifen wollten, waren nicht rechtzeitig zur Stelle.

      Davenport warf sich herum und schnellte auf die Front der „Ladys“ zu. Kreischend wichen sie auseinander. Einige stürzten, und ein zeterndes Knäuel von buntgewandeten Leibern entstand.

      Der


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