Seewölfe - Piraten der Weltmeere 158. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 158 - Fred McMason


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sein Handwerk sicher ebensogut wie er selbst. Sidonia war aber kein Seemann, wie Howard gehört hatte. Der König von Spanien hatte ihm den Posten eines Generalkapitäns angehängt, und Sidonia hatte sich in diese Rolle gefügt. Darin mochte er sich wahrscheinlich todunglücklich fühlen. Bisher hatte er die Armada jedenfalls vorzüglich geführt, das erkannte Howard neidlos an.

      Soviel Howard wußte, sollte Medina Sidonia sogar den Anstand gehabt haben, sich vor dem König als ungeeignet für den Posten des Generalkapitäns zu bezeichnen.

      „Die Sichel der Formation beginnt, eine Wende zu fahren, My’lord“, hörte er neben sich die Stimme des Ersten. „Welche Befehle haben Sie?“

      „Zunächst einmal abwarten“, entgegnete Lord Howard gelassen. „Wir bleiben auf Backbordbug bis vor Portland Bill. So Gott will, wird es uns dann gelingen, in die Lücke zu stoßen.“

      „Aye, aye“, sagte Gardiner bewundernd.

      Die ersten Spanier fuhren eine Wende und gingen auf Steuerbordbug. Damit hielten sie von Portland ab und mußten einen Schlag seewärts steuern. Es dauerte eine geraume Zeit, bis das Manöver beendet war. Manche der Schiffe reagierten nur sehr schwerfällig und wälzten sich buchstäblich mühsam auf den anderen Bug wie dicke überfressene Kühe, behäbig und faul.

      Auf Lord Howards Gesicht erschien wieder das feine wissende Lächeln.

      Diesen Entschluß der Spanier gedachte der Lordadmiral gründlich zu nutzen.

      Sie blieben immer noch hart am Wind und auf nördlichem Kurs.

      Admiral Sir John Frobisher, der das Flaggschiff „Triumph“ befehligte, winkte einen vorläufig letzten Gruß zur „Isabella VIII.“ hinüber und änderte den Kurs.

      „Ein Satansbraten, dieser Killigrew“, sagte er andächtig zu seinem ersten Offizier, der neben ihm auf dem Achterkastell stand. „Woher nimmt dieser Mann nur immer so vortreffliche Ideen? Hm, er denkt anscheinend weiter als wir alle zusammen.“

      Lieutenant O’Connor nickte zustimmend und blickte sich nach der „Isabella“ um, die jetzt im Kielwasser der „Triumph“ zurückblieb. Ein weiteres Schiff, die „Le Vengeur“, blieb ebenfalls zurück.

      Frobisher wußte nicht genau, was die beiden Männer planten, aber er ahnte es ungefähr.

      Jedenfalls hatte der Seewolf ihn auf diese verwegene Idee gebracht, und Frobisher gedachte, sie so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.

      Das, was der Seewolf ihm vorgeschlagen hatte, hörte sich im Grunde genommen ganz einfach an. Es war aber äußerst kompliziert und nicht ungefährlich.

      Ein paar Seemeilen östlich von Portland Bill gab es eine lange flache Muschelbank, die unregelmäßig zum Wasserspiegel von Südwest nach Nordost aufstieg. Shambles nannte man diese tückische Muschelbank. Von der Landspitze Portland Bill lief der Gezeitenstrom mit fast vier Knoten auf die Shambles zu. Bei ablaufendem Wasser nun – so die Überlegung des Seewolfs – wird die Ebbe zwischen der Ostküste Portland und den Shambles wie durch einen Schlauch gepreßt. Eine vorzügliche Falle! Vorausgesetzt, man dachte in den Regionen eines Seewolfs.

      Bei Einsetzen der Ebbe wollte Frobisher möglichst dicht unter Land auf der südlichen Ostseite der Insel vor Anker gehen und einen Ruderschaden vortäuschen.

      Das mußte die Spanier geradezu anlocken und sie zum Angriff auf die „Triumph“ verleiten. Damit aber, so hatte es sich der Seewolf ausgerechnet, war das Schicksal der angreifenden Schiffe so gut wie besiegelt, denn der Ebbstrom würde sie unbarmherzig auf die Muschelbänke treiben. Selbst wenn der Angreifer Glück hatte, würde er zumindest im Ebbstrom herumzappeln, ohne etwas unternehmen zu können.

      Frobisher holte mit der rechten Faust aus und schlug sie in seine linke Handfläche. Der Knall ließ O’Connor zusammenzucken.

      Ja, das gefällt dem alten Kämpen, dachte der Lieutenant, das möbelt ihn auf und läßt ihn immer wieder anerkennend in Richtung der Seewolfs-Galeone nicken.

      „Lassen Sie die Leute unterrichten“, sagte Frobisher, und in seinen kühlen grauen Augen tanzten kleine Funken. „Wir laufen in einer halben Stunde von Nordosten her zwischen Shambles und der Portland Ostküste hindurch. Etwas weiter nördlich gehen wir dann vor Anker.“

      „Aye, Sir, ich gebe aber zu bedenken, daß wir starken auflandigen Ostwind haben.“

      „Na und?“ polterte Frobisher los. „Das soll mich den Teufel scheren. Der Wind hat sich gefälligst nach uns zu richten!“

      O’Connor blickte auf Frobishers fleischige Nase, auf den Knebelbart des Admirals und seufzte ergeben.

      Na schön, dachte er, dann soll der Alte das dem Wind gefälligst selber sagen, vielleicht hörte der sogar auf ihn.

      Frobisher war nicht mehr zu bremsen. Er war von dieser tollkühnen Idee geradezu besessen, und nichts würde ihn jetzt mehr davon abhalten, die Dons in die Falle zu lokken. Für die Spanier mußte dieser mehr als tausend Tonnen große Riesenköder so verlockend wirken, daß sie blindlings auf ihn hereinfielen.

      O’Connor gab den Befehl weiter, und innerhalb kürzester Zeit wußte jedermann an Bord, um was es ging. Das brachte die Kerle richtig hoch, und auf ihren Gesichtern lag ein impertinentes Grinsen, das nicht mehr verschwinden wollte.

      Wartet nur, ihr lausigen Dons, hieß dieses Grinsen, euch werden wir es schon zeigen!

      Frobisher scherte sich jetzt nicht mehr um die Formation der Dons, die den Kurs geändert hatten. Er konzentrierte sich voll und ganz auf sein Vorhaben und nahm den Rudergänger des Flaggschiffes höchstpersönlich ins Gebet.

      „Sie werden jetzt so segeln, Mister Paine, wie Sie noch nie in Ihrem Leben gesegelt sind, verstanden? Ein einziger Fehler, und wir sitzen auf Land. Dann haben die Dons allen Grund, sich zu freuen. Geben Sie also Ihr Bestes, Mann!“

      Das Gesicht des Rudergängers war maskenhaft starr. Er wußte, daß es ein Problem war, bei diesem auflandigen Wind zwischen den Shambles und der Ostküste hindurch zu steuern. Genau gesagt, war es ein verteufeltes Risiko, und wenn er etwas vermurkste, dann würde ihn der Admiral eigenhändig über Bord werfen.

      So nickte er hastig, preßte ein gemurmeltes „Aye, aye, Sir“ durch die Zähne und konzentrierte sich auf die Führung des großen Schiffes.

      Der Wind blies immer noch mit gleicher Stärke. Über die kabbelige See tanzten kleine Schaumkronen. Der Himmel war grau und wolkenverhangen.

      Es war kurz vor neun Uhr morgens, als Frobishers Flaggschiff „Triumph“ noch bei Flut unendlich vorsichtig zwischen den Shambles und der Ostküste hindurchsegelte. Sie lief jetzt, von Nordosten kommend, Südwestkurs, und Frobisher warf vom Achterkastell aus einen nachdenklichen Blick auf jene kritische Stelle, die sich unter Wasser verbarg und ein Schiff vom Bug bis zum Heck der Länge nach mühelos aufschlitzen konnte. Die Engländer kannten diese Stelle genau, und die Spanier würden die Muschelbank erst bemerken, wenn es für sie zu spät war.

      Frobisher warf einen Blick auf die Sanduhr, die jeweils die halbe Stunde anzeigte und dann wieder umgedreht werden mußte. In einer Stunde würde der Ebbstrom einsetzen, bis dahin mußte die „Triumph“ auf der südlichen Ostseite der Insel bereits vor Anker liegen.

      Eine bange halbe Stunde verging, der auflandige Ostwind schob das große Schiff näher zum Land. Der Rudergänger fluchte verhalten, während Admiral Frobisher unruhig auf dem Achterkastell von Backbord nach Steuerbord wanderte.

      Dann hatten sie es geschafft. Der Anker fiel und faßte Grund. Das große Schiff wurde in eine schwimmende Festung verwandelt, ohne daß die Spanier etwas davon ahnten.

      Frobisher ließ einen Teil der Besatzung am Heck versammeln, und gleich darauf herrschte dort eine emsige Aktivität. Zahlreiche Männer benahmen sich wie die Verrückten, fummelten am Ruderschaft herum und brüllten sich gegenseitig an.

      Die Falle war aufgebaut, perfekt, wie es schien. Der Admiral war zufrieden, er brauchte jetzt nur noch abzuwarten, bis die ersten Dons in die Falle gingen.

      Etwas


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