Seewölfe - Piraten der Weltmeere 580. Davis J.Harbord
räusperte sich nachdrücklich, um den erbosten Profos zu bremsen.
Old Donegal hingegen ließ sich keineswegs erschüttern. Daß er den Profos hereingelegt hatte, ging ihm aalglatt runter und erfüllte ihn mit grinsender Genugtuung, da konnte der Profos noch so toben und ihn alles mögliche nennen.
Und er goß noch Wasser auf die Mühle, indem er von oben herab sagte: „Natürlich hab ich’s gewußt – jeder Dummbart weiß, daß Federkiele an Bord meist knapp sind und nur von jenen verwahrt und benutzt werden, die den Schreibkram erledigen. Zu diesem Kreis zählt üblicherweise die unmittelbare Schiffsführung. Wenn ein Profos plötzlich Schreibgelüste verspürt, dann muß er schon selbst zusehen, wie er sich die Gerätschaften dazu verschafft, nicht wahr? Allerdings hat das dann vor einer Wette zu geschehen. Aber du warst viel zu versessen darauf, mir einen überzubraten. Jetzt hast du verloren und führst dich wie ein wildgewordener Affe auf.“ Old Donegal kniff die hellen Augen zusammen. „Willst du dich etwa auch noch davor drücken, eine Wettschuld einzulösen?“
„Ich bin ein Ehrenmann!“ schnappte der Profos.
„Wie schön!“ säuselte Old Donegal. „Dann steht dem ja nichts mehr im Wege, daß ich dir ein Loch in deine Geldkatze saufen werde. Sieh nur zu, daß sie gut gefüllt ist, mein Guter. Ich pflege nur vom besten Wein zu trinken, keine Maultierpisse. Dazu sollten wir vielleicht ein zartes Spanferkelchen verspeisen – oder knackige Gänsebrüstchen! Lammrippchen wären auch nicht schlecht. Was meinst du?“
„Wie du möchtest“, sagte der Profos gequält und hatte nur den einzigen Trost, daß der Gewinner der Wette nicht Paddy Rogers war. Denn Paddy war der größte Fresser unter den Arwenacks. Der würde allein zwei Spanferkel auf Anhieb verdrücken und hinterher noch fragen, wann es denn was zu essen gäbe. Na ja, auch Old Donegal konnte ganz schön reinhauen, aber gegen Paddy war er, eher ein harmloser Esser.
„Wir werden sehr gepflegt an Land schießen“, fuhr Old Donegal genüßlich fort, „nicht in billige Pinten, wo sie uns gekochte Ratten als Kaninchenbraten vorsetzen und mit Fusel vergiften wollen. Stimmst du mir zu, Mister Carberry?“
„So sei es“, sagte der Profos, und seine Stimme war nur noch ein müder Abklatsch dessen, was man sonst als die Trompeten von Jericho bezeichnen konnte.
Zum ersten Male schaltete sich der Kutscher ein, der bisher schweigend zugehört hatte. Er sagte: „Ich las davon, daß es auf Sizilien Puppentheater gäbe, wohl eine griechische Überlieferung. Vielleicht könnt ihr euch so etwas auch in Palermo anschauen.“
Der Profos stierte ihn entgeistert an. Puppentheater! Mein Gott, das fehlte noch!
Natürlich – Old Donegal spitzte die Ohren.
„Kannst du das näher erklären, Mister Kutscher?“ fragte er.
Der Kutscher räusperte sich gemessen und erwiderte: „In solchen Puppentheatern werden melodramatische Stücke aufgeführt. Als Hauptakteure treten mit Gelenken versehene Puppen auf, die menschliche Bewegungen nachahmen können. Sie werden von hinter der Bühne unsichtbaren Personen gelenkt, die auch dazu sprechen. Zum Teil mit Musikbegleitung.“ Erneutes Räuspern des Kutschers, bevor er fortfuhr: „Bei den Darstellern handelt es sich um Zauberer, Drachen und sonstige Ungeheuer sowie um fürstliche Damen und Ritter, um Bauern, Knechte, Handwerker, Mägde und so weiter. Häufig haben die vorgeführten Stücke einen derb-komischen Inhalt.“
„Zauberer, Drachen und sonstige Ungeheuer“, wiederholte Old Donegal, und es war seiner Stimme anzuhören, daß ihn die Vorstellung an derlei mächtig anregte. Er blickte zu Carberry. „Das müssen wir uns unbedingt ansehen, unbedingt, verstehst du?“
Carberry verfluchte die verdammte Wette insgeheim und dachte wieder an Fatima, die Blume von Istanbul, und Kalibans Gauklertruppe.
„Solche Vorführungen“, sagte er, „dienen doch nur dazu, die Leute, die zuschauen, abzulenken und ihnen in die Taschen zu fassen. Das kennen wir doch. In Istanbul wurden dir und Mac die Taschen ausgeräumt, als Fatima ihre Bauchwackelkünste vorführte.“
„Das betrifft mich diesmal nicht“, erklärte Old Donegal unverblümt, „denn weil du mich ausführen mußt, brauche ich keine Geldkatze mitzunehmen. Folglich kann mir kein Langfinger in die Tasche fassen. Wo nichts ist, da gibt’s auch nichts zu holen. Aber du mußt natürlich aufpassen, das ist klar, damit du alles berappen kannst, was ich esse, trinke und mir ansehen will.“
„So ein dusseliges Puppentheater schaue ich mir nicht an“, sagte Carberry mürrisch, „da kannst du allein hingehen – ich setz mich solange in eine Schenke und warte, bis der Quatsch vorbei ist.“
„Nichts da!“ fauchte Old Donegal. „Von wegen in eine Schenke setzen! Da besäufst du dich, und ich kann zusehen, wo ich Geld herkriege, wenn ich noch einen trinken will. Du hast mich zu begleiten, ohne wenn und aber. Du bist mein Gastgeber, und ich bin dein Gast, um dessen Wohlergehen du dich zu sorgen hast. Und wenn ich in ein Badehaus gehe, wirst du das ebenfalls tun, weil du aufpassen mußt, daß mir niemand mein Holzbein klaut!“
„Badehaus“, murmelte der Profos mit schwacher Stimme, „auch das noch.“
Mac Pellew kicherte und erntete einen schiefen Blick vom Profos.
„Ist doch herrlich, Ed!“ tönte der Zweitkoch der Arwenacks, der sich in seltsamer Verkennung seiner rein äußerlichen Attribute für den Liebling aller Frauen hielt. „In Badehäusern hüpfen leichtgeschürzte Ladys rum und steigen sogar zu dir ins Wasser, um mit dir ein bißchen zu planschen.“
„Da erhältst du Unterricht in deiner Fummel-Sprache“, ergänzte Matt Davies grinsend.
Aber selbst solche verlockenden Aussichten vermochten den Profos nicht aufzuheitern. Zur Zeit konnte man ihn als den trübseligsten aller Arwenacks bezeichnen. Dagegen war sogar der griesgrämige Mac Pellew – die Miesmuschel vom Dienst – ein Ausbund an Heiterkeit.
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