Seewölfe - Piraten der Weltmeere 510. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 510 - Fred McMason


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wo „Isabella“ und „Empress“ lagen, befand sich südlich der Ankerbucht des Korsen auf der Insel Cozumel.

      Die Besatzungen beider Schiffe waren noch wach. Hasard wartete bereits ungeduldig auf das Auftauchen der Jolle, in der sich Ferris Tucker und Dan O’Flynn befanden.

      Schon seit Stunden hatte er sich gefragt, ob das Unternehmen der beiden Männer nicht doch zu riskant war. Sie hatten den Auftrag gehabt, dem Korsen jenes Buch zu entwenden, in welchem er nach Aussage eines seiner Kerle die Positionen seiner zahlreichen Perlenverstecke eingetragen hatte. Der Mann, der das verraten hatte, war infolge einer Schußverletzung gestorben, hatte aber noch mitteilen können, daß della Rocca über seine Perlenverstecke genau Buch zu führen pflegte.

      „Die Jolle hält auf uns zu!“ rief Blacky.

      Sofort reckten sich Köpfe nach vorn. Die Jolle war nur ein kaum sichtbarer Schatten, der langsam näher glitt.

      „Na endlich“, sagte Ben Brighton erleichtert, der neben dem Seewolf auf der Kuhl stand. „Offenbar haben sie es doch geschafft.“

      „Das bleibt noch abzuwarten“, sagte Hasard. „Gewißheit haben wir erst, wenn sie da sind. Trotzdem bin ich erleichtert, denn die beiden sind heil und gesund, wie es den Anschein hat.“

      Jetzt waren auch die beiden Gestalten in der Jolle zu sehen.

      Smoky und der Profos reckten ebenfalls die Köpfe vor. Edwin Carberry grinste über sein narbiges Gesicht.

      „Ist doch immer wieder eine Freude, wenn die alten Rübenschweine wohlbehalten aufkreuzen, was, wie?“ meinte er. „Dan schwenkt etwas in den Händen“, fügte er hinzu.

      „Klar, womit soll er sonst schwenken“, brummte Smoky und starrte ebenfalls angestrengt in die Dunkelheit, wo die Gestalten jetzt immer deutlicher zu erkennen waren.

      Der Profos, der sich durch Smokys Worte veralbert fühlte, wollte erst zu einer geharnischten Antwort ansetzen, aber dann winkte er ab, denn neben ihnen tauchte nun auch noch Mac Pellew auf, und dessen Gesicht sah im schwachen Licht der Sterne mehr als grämlich aus. Es war so leidvoll verzogen, als kehrten die beiden Männer gerade von einer Seebestattung zurück.

      „Sie sind es“, murmelte Mac, aber das klang keinesfalls fröhlich. Es klang dumpf, traurig und hohl.

      „Klar sind sie es“, erwiderte Carberry ungehalten. „Aber das ist noch lange kein Grund, so sauertöpfisch in die Gegend zu plieren. Freu dich lieber, daß sie wieder zurück sind.“

      „Ich freu mich ja auch, aber alles zu seiner Zeit. Wenn man sich vorher schon freut, kann man sich nachher nicht mehr so freuen.“

      „Mann, hat der wieder Ansichten“, sagte Smoky erschüttert. „Eines Tages verwandelt er sich noch in ein Faß Essig oder in eine riesige Trauergurke.“

      „Eine dürre Trauergurke“, verbesserte Carberry grinsend. „Sagen wir mal, eine sehr dürre grämliche Seetrauergurke, wenn’s das gibt.“

      Immer deutlicher waren die beiden Männer in der Jolle zu erkennen. Dan schwenkte erneut triumphierend den Gegenstand, bis ihn auch die anderen erkannten.

      Grinsen erschien in den Gesichtern, denn jedem war klar, um was es sich bei dem Gegenstand handelte.

      „Die Kanonensöhne haben es also geschafft und dem Korsen das Buch geklaut“, sagte Ben Brighton erleichtert. „Das Feuer muß sie so abgelenkt haben, daß sie nichts bemerkten.“

      Auf der Kuhl der „Isabella“ hatten sich mittlerweile alle Seewölfe versammelt. Auch Old O’Flynn mit den Zwillingen, Martin Correa und den beiden Dänen Sven und Nils waren dabei. Jeder wartete sehnsüchtig auf die Neuigkeiten.

      Dan O’Flynn und Ferris Tucker enterten auf und wurden sofort von den anderen umringt.

      „Alles glattgegangen“, berichtete Dan, während er das „Logbuch der Perlen“ dem Seewolf übergab. „Wir hatten nicht die geringsten Schwierigkeiten, das Buch zu mausen.“

      „Hat euch niemand bemerkt?“ fragte Hasard erstaunt.

      „Nein. Auf der Back der ‚Bonifacio‘ befand sich nur ein Ankerposten, und der hatte nur Augen für das ausgebrochene Feuer. Inzwischen stürzten aus den Hütten Männlein und Weiblein, die mächtig aufgeregt waren. Wir konnten mit der Jolle direkt und ungesehen am Heck des Schiffes anlegen und dann aufentern. Wir nahmen uns gleich gezielt die Kapitänskammer vor, und nach einer Weile wurde Ferris fündig.“

      „Und wo befand sich das Buch?“ fragte Hasard, während er es in der Hand hielt und musterte.

      Der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker grinste breit.

      „Hinter der Kopfvertäfelung der eingebauten Koje. Die Vertäfelung sieht wie ein Kassettenmuster aus, die sich durch Leisten voneinander abheben. Nun, eine Leiste war etwas dunkler als die anderen infolge häufiger Benutzung. Ich brauchte nur noch in ein kleines Fach hinter einem aufspringenden Türchen zu greifen, und damit war das Problem auch schon gelöst.“

      „Ihr seid sicher, daß es das richtige Buch ist?“ fragte Hasard.

      „Ganz sicher. Wir haben beim Licht einer kleinen Kerze einen kurzen Blick hineingeworfen. Es ist das Buch mit den Angaben der Perlenverstecke.“

      Hasard betrachtete es lächelnd. Das Buch war in Schweinsleder gebunden und sah kostbar aus. Er nickte zufrieden und setzte sich auf die Kuhlgräting.

      „Das habt ihr prächtig hingekriegt“, lobte er. „Im nachhinein erschien mir das Unternehmen fast etwas zu riskant, aber ihr habt es geschafft. Jetzt wollen wir mal einen Blick hineinwerfen. Schirmt die Lampe ein wenig ab, damit wir nicht meilenweit zu sehen sind.“

      Die Lampe wurde abgeschirmt, bis ihr Lichtschein nur noch die unmittelbare Umgebung erhellte. Wieder standen alle herum, um einen Blick in das geheimnisvolle Buch zu werfen.

      „Jetzt brauchen wir nur noch zu den vorgegebenen Stellen zu segeln und ein bißchen buddeln“, sagte Paddy Rogers. „Noch einfacher hätte der Korse es wirklich nicht machen können.“

      Als Hasard die erste Seite aufschlug, fielen ihm die Zwillinge Hasard und Philip fast über die Schulter, so neugierig waren sie.

      Der Seewolf stieß einen leisen bewundernden Pfiff aus und blickte aufmerksam auf das, was della Rocca pedantisch genau aufgezeichnet hatte.

      „Donnerwetter“, sagte er anerkennend. „Der Korse scheint ein hervorragender Kartograph zu sein. Von dem können wir fast noch etwas lernen.“

      Er zeigte die Seite kurz herum und sah, daß die anderen ebenfalls anerkennend nickten. Selbst Dan O’Flynn, der sich aufs Kartographieren verstand, schloß sich davon nicht aus.

      „Der Mann ist schon fast ein Genie“, sagte er. „Offenbar ist er sogar in der Lage, aus der Sicht eines Vogels seine Zeichnungen anzufertigen. Wahrhaftig, sehr erstaunlich.“

      Die Zeichnungen waren kunstvoll mit Tusche und spitzem Federkiel angefertigt worden. Della Rocca hatte offenbar sehr viel Zeit damit verbracht, die Karten zu zeichnen. Aber er war wirklich ein Könner, das ließ sich nicht bestreiten.

      Schon auf den ersten Blick wurde Hasard jedoch sehr schnell klar, daß es gar nicht so einfach war, die Aufzeichnungen zu entziffern.

      „So einfach ist das nicht“, sagte er zu Paddy Rogers und den anderen, die gebannt auf die erste Seite blickten. „Mit dem Hinsegeln und Buddeln ist es nicht getan. Vorher muß erst noch der Grips ein wenig angestrengt werden.“

      Der Kutscher war ebenfalls interessiert näher getreten und warf einen Blick über Hasards Schulter. Er hatte schon einmal eine geheimnisvolle Schatzkarte enträtselt und damit bewiesen, daß er logisch denken konnte.

      Auf den ersten Blick schaute alles relativ einfach aus, so sahen es die meisten.

      Auf dem Blatt war der Verlauf einer Küstenlinie mit einigen Buchten ausgezeichnet. Das Wasser war schraffiert und hob sich somit vom Land deutlich ab, das der Korse weiß gehalten hatte.


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