Seewölfe - Piraten der Weltmeere 498. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 498 - Fred McMason


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Narben in der Visage und ein vor Schreck weit geöffnetes Maul.

      „Hähähä!“ meckerte Old O’Flynn wie ein Ziegenbock, als diese kompakte Masse, vor Schreck zusammengekrümmt, wie eine Kanonenkugel direkt ins Wasser schlug. Eine Fontäne wie von einer Breitseite stieg säulenartig aus dem Meer und schien im Himmel zu detonieren.

      Er hörte noch einen erstickten und überraschten Schrei. Dann sah er nur noch eine weitere Gischtwolke.

      Weg war der Rabauke, genau wie er sich das hundertmal vorgenommen hatte. Jetzt konnte der Profos seinen Saufkopf im Meer abkühlen.

      Old O’Flynn begann immer lauter zu lachen, bis schließlich das Gelächter ansteckend wirkte und die Kerle alle zu grölen begannen. Der ganze Pfahlbau zitterte und wackelte.

      „Der Profos ist ins Meer geflogen“, sagte der Wikinger lachend. „Das hat dem Kerl wirklich mal gefehlt.“

      Der Kutscher sah richtig glücklich aus und hatte einen verklärten Blick drauf.

      „Bewundernswert“, sagte er zu Old O’Flynn, „du bist ein feiner Kerl, Donegal. Immer hackt dieser Rabauke auf uns herum.“

      Die beiden gaben sich die Hand und wollten sich ausschütten vor Lachen.

      „Wir müssen zusammenhalten“, sagte Old O’Flynn, der vor Lachen fast erstickte. „Mich einen alten Zausel zu nennen! Jetzt kann er über sein großes Maul nachdenken.“

      Wieder brandete Gelächter auf. Deutlich hörte er jedoch eine Stimme, eine Reibeisenstimme, die seiner Snugglemouse gehörte.

      Old O’Flynn wälzte sich schlaftrunken in seiner Koje herum und verstand die Welt nicht mehr.

      Dämmerig war es um ihn her, und er wußte im ersten Augenblick noch nicht so richtig, wo er sich befand.

      Eben noch hatte er überdeutlich den Profos durch die Rutsche sausen sehen und konnte nicht fassen, daß alles nur ein Traum war – ein sehr realistischer, aber eben doch nur ein Traum.

      Schade, dachte er bedauernd. Da liegt dieses Ungetüm von einem Profos ganz sicher schnarchend in der Koje, statt sich im Meer abzukühlen.

      Wieder hörte er Mary O’Flynn etwas sagen, aber er verstand den Sinn der Worte noch nicht, denn der Traum beschäftigte ihn sehr.

      „Ist der Kutscher da?“ fragte er.

      „Seit wann ist denn der Kutscher bei uns an Bord?“ fragte die rothaarige Mary. „Hast du geträumt, Mister O’Flynn?“

      „Ich glaube, ja“, erwiderte er kläglich, „aber ich muß den Kutscher unbedingt sprechen. Es ist sehr wichtig.“

      „Was ist denn so wichtig?“

      „Na, die Rutsche. Ich muß sie jetzt endlich bauen. Und zwar aus zwei Gründen …“

      „Saufen und rumstänkern“, zählte Mary auf, „das sind für dich zwei handfeste Gründe.“

      „Nein, nein. Einmal muß ich den Männern auf der Insel einen festen Treff mit Ausschank bieten, und zum zweiten sollst du ja auch ein Dach über dem Kopf haben, wenn unser Kindchen auf die Welt kommt. Das geistert mir schon lange durch den Kopf.“

      „Na, so was“, sagte Mary erstaunt. „Das sind allerdings gute Gründe, Donegal. Das hätte ich gar nicht vermutet.“

      „Genies werden immer verkannt“, meinte der Alte.

      „Sind das alle deine Gründe? Du hast im Schlaf gemeckert und gesprochen. Ich glaube, dir geht es vor allem darum, wieder dein Späßchen mit der Rutsche zu haben. Vor allem willst du wohl gern den Profos ins Meer sausen lassen. Oder täusche ich mich?“

      „Bewahre“, sagte Donegal empört. „Ich doch nicht. Für solche Späße bin ich schon zu alt.“

      „Für andere Späße warst du aber nicht zu alt“, sagte Mary anzüglich. „Steh jetzt auf, das Frühstück ist fertig.“

      „Aber danach muß ich unbedingt den Kutscher sprechen.“

      „Was hat denn der Kutscher damit zu tun?“

      „Der Kutscher ist ein weiser Mann. Wenn ich den mitnehme nach Andros, dann …“

      „Wo willst du hin?“ Die Reibeisenstimme nahm einen drohenden Unterton an und klang sehr erstaunt.

      „Nach – nach Andros, wegen der Pfahlbauten.“

      „Mister O’Flynn! Würdest du mir bitte erklären, was du da willst und warum ich nichts davon weiß? Was geistert jetzt wieder in deinem Schädel herum?“

      „Die Rutsche, sie soll ein Pfahlbau werden.“

      „Weshalb unbedingt ein Pfahlbau?“

      O’Flynn glaubte, einen etwas schrillen Ton in der Stimme seiner Frau zu hören.

      „Äh, wegen der Rutsche natürlich. Sie soll ins Meer führen, damit der verdammte Profos mal kräftig geduscht wird. So ganz nebenbei natürlich nur. Deshalb muß ich nach Andros, um die Pfahlbauten zu studieren, und der Kutscher muß mit, weil er die Zeichnungen anfertigt.“

      „Als Architekt?“ Deutlich war der Hohn herauszuhören.

      „So ungefähr.“

      „Vielleicht willst du aber auch nur nach Andros, um mit den Mädchen ein bißchen herumzuschäkern?“

      „Aber liebste Mary“, sagte Old O’Flynn lahm.

      „Ich bin nicht deine liebste Mary, verdammt noch mal, Mister O’Flynn. Ich bin deine liebe Mary. Wäre ich deine liebste Mary, so hieße das, daß du mindestens noch eine weitere Mary hättest. Ich hoffe, du kapierst den Unterschied.“

      So langsam wurde der Alte biestig und störrisch. Er war mittlerweile aufgestanden und an Deck gegangen.

      Martin Correa lungerte auf dem Vorschiff herum und grinste heimlich. Da zieht wieder mal ein Gewitter auf, dachte er. Das erste Donnergrollen ist schon zu hören, und dann dauert es auch meist nicht lange, bis die Blitze zucken.

      Old O’Flynn humpelte über die Planken. Sein Gesicht war zerknittert, und während er humpelte, hob er den Zeigefinger dozierend in die Höhe.

      „Wenn ich sage, ich segle nach Andros, dann segle ich nach Andros“, erklärte er kühn. „Und ich möchte den sehen, der einen O’Flynn davon abhält. Ja, den möchte ich sehen. Schließlich geht es um das Wohl und Wehe aller Leute auf der Insel.“

      „Ich weiß, um was es dir geht. Mir hast du nichts davon gesagt.“

      „Ich möchte den wirklich sehen, der mich von der Reise abhält“, wiederholte O’Flynn, diesmal wesentlich lauter als vorher. „Ich hoffe nur, liebe Mary“, und dieses „liebe Mary“ betonte er ganz besonders stark, „daß du das nicht bist.“

      „Iß jetzt deine Pfannkuchen!“ rief Mary total verärgert.

      „Ich pflege heute keine Pfannkuchen zu essen, weil ich keinen Hunger habe und weil die Sache mit dem Kutscher vorgeht. Außerdem ist mir der Appetit vergangen. Iß deine Pfannkuchen selbst, oder gib sie Martin, der sieht so hungrig aus.“

      Die liebliche Snugglemouse war, den Tränen nahe. Mit diesem alten Bock war heute nicht zu reden. Der hatte sich mal wieder in eine Idee verrannt, von der ihn niemand abbrachte.

      Einen Augenblick erwog sie, ihm die Bratpfanne an den sturen Schädel zu donnern, aber dann stellte dieser Mister O’Flynn ganz sicher wieder etwas an, das erschreckende Ausmaße annahm.

      „Dann laß dir von deinem Kutscher Pfannkuchen backen!“ schrie sie.

      Mit grimmigem Gesicht enterte Old O’Flynn wort- und kommentarlos in die Jolle ab, um zur „Isabella“ zu pullen.

      Aber Mary O’Flynn war eine leidenschaftliche Frau, und es wurmte sie, daß der Sturkopf einfach wortlos verschwand.

      „Kannst du nicht


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