Seewölfe - Piraten der Weltmeere 238. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 238 - Roy Palmer


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Sie gesagt?“

      „Ja, aber es ist ein Dreimaster, groß, mit starker Armierung. Er …“

      Der Rest seiner Worte ging in dem Getöse unter, mit dem die feindlichen Kugeln die Galeone erreichten. Wieder ging ein Teil des Backbordschanzkleides zu Bruch, aber bedenklicher schien der Treffer zu sein, der irgendwo weiter unten im Schiffsleib zu verspüren war. Eine weitere Kugel heulte flach übers Hauptdeck und riß einen Mann mit sich, dessen gellender Todesschrei alle anderen Laute übertönte und sich dann an Steuerbord in der Nacht verlor.

      „Zur Hölle“, rief Cantieri, „wer sind diese Teufel?“

      „Engländer“, erwiderte Benedetti. „Soviel habe ich aus ihren Worten verstanden. Ihr Schiff ist groß …“

      „Das haben Sie mir eben schon gesagt, verflucht!“

      „… und hat dunkel gelohte Segel“, fuhr der Erste Offizier fort. „Natürlich segelten sie ohne jegliche Beleuchtung heran, so daß wir sie erst im allerletzten Moment sahen. Dann setzten sie uns einen Schuß neben die Bordwand.“

      „Ein einziges Schiff!“ brüllte Cantieri, der kaum noch an sich halten konnte. „Und dazu noch in Lee! Wir sind in der Überzahl, wir haben die bessere Position! Er ist total übergeschnappt, daß er das wagt! Wir zerhacken ihn, schießen ihn zusammen, schicken ihn auf den Grund der See, diesen verdammten Bastard! Wo bleiben die ‚Tirrenia‘ und die ‚Leonardo‘?“

      „Sie holen auf!“

      „Aber nicht schnell genug!“

      „Sie schaffen es!“ schrie Benedetti. „Sie staffeln heran! Sehen Sie doch, Signore, wir können diese Hurensöhne von Engländern umzingeln und von drei Seiten befeuern!“

      Cantieri hob den Kopf und hielt aus zusammengekniffenen Augen nach der Galeone „Tirrenia“ und der Zweimastkaravelle „Leonardo da Vinci“ Ausschau, die im Kielwasser der „Michelangelo“ segelten. Aber er konnte ihre Konturen vorläufig nur ganz schwach in der Dunkelheit erkennen.

      „Profos!“ rief er. „Zweite halbe Backbordbatterie – Feuer!“

      „Feuer!“ schrie der Profos.

      Die Luntenstöcke mit den glimmenden Zündschnüren senkten sich auf die Bodenstücke der Zwölf- und Siebzehnpfünder, mit denen die Galeone ausgerüstet war. Knisternd fraß sich die Glut durch das Pulver in den Zündkanälen bis aufs Zündkraut. Die Kanonen ruckten zurück und spien Feuer, Rauch und Eisen aus, fünfmal in kürzesten Zeitabständen. Aus zehn Geschützen bestand die Backbordbatterie der „Michelangelo“, weitere zehn Kanonen befanden sich auf der Steuerbordseite des Hauptdecks. Insgesamt verfügte das Schiff über zwei Dutzend Zwölf- und Siebzehnpfünder, wenn man die Bug- und Heckgeschütze mitrechnete.

      Fast gleichzeitig mit der „Michelangelo“ schoß jedoch auch der Gegner, und wieder lagen zwei oder drei seiner Kugeln beängstigend gut im Ziel. Da brach, knackte und splitterte es an Bord des Italieners, da flogen die Trümmer in alle Himmelsrichtungen und brüllten die verwundeten Männer in Todesangst.

      „Satan!“ stieß Cantieri keuchend hervor. „Wie kann der Hund so schnell seine. Steuerbordgeschütze nachladen? Wie schafft er das bloß?“ Indem er die Frage mehr an sich selbst als an Benedetti stellte, gab er sich auch schon die Antwort: Der Gegner war besser armiert und schien bei jeder Attacke immer nur drei oder vier seiner Kanonen abzufeuern.

      „Er luvt an und hält auf uns zu!“ schrie der Ausguck über ihren Köpfen.

      Cantieri verließ seine Deckung und arbeitete sich bis zum Profos vor.

      „Haben wir nicht getroffen?“ fuhr er ihn an. „Was ist los, warum besorgen wir es ihm nicht?“

      „Bislang nur zwei Treffer!“ rief der Profos.

      „Die Männer sollen besser zielen!“

      „Besser zielen!“ brüllte der Profos. „Jagt ihm Löcher in den Bauch, oder ich gebe euch die Peitsche zu spüren!“

      Leone Cantieri warf einen Blick über das zertrümmerte Schanzkleid und konnte die Umrisse des fremden Schiffes erkennen, das jetzt keine halbe Kabellänge von der Bordwand der „Michelangelo“ entfernt geisterhaft aus dem Dunkel auftauchte. Zwei Mündungsfeuer blitzten über der Back auf, die Kugeln pfiffen heran. Wieder duckte er sich.

      Drehbassenfeuer, dachte er, mein Gott, jetzt versuchen sie, uns zu entern. Sie sind heran, ehe wir Unterstützung durch die „Tirrenia“ und die „Leonardo“ erhalten. Gerechter Gott, sie sind wahrhaftig mit dem Teufel im Bund.

      Wieder spürte er Panik in sich aufsteigen und wußte sie nicht mehr zu bezwingen.

      Man schrieb das Jahr 1591, es war die Nacht vom 8. auf den 9. November, eine Nacht, die sie alle nicht wieder vergessen würden, vorausgesetzt, sie würden diese Stunde überhaupt lebend überstehen.

      Leone Cantieri sprang selbst an eins der Geschütze, um es auf den heransegelnden Feind zu richten und abzufeuern.

      Zu spät, dachte er, viel zu spät, sie schaffen es, sie entern uns.

      Franco Benedetti eilte ebenfalls den Geschützführern zu Hilfe und warf, während er an einer der Culverinen hantierte, seinem Kapitän einen verstohlenen Blick zu.

      Du mußt sterben, dachte er, ich aber werde leben, glücklich und zufrieden leben. Er hatte das Bild in jener verschwiegenen Osteria des Hafens von Livorno wieder deutlich vor Augen: Vor drei Tagen war er von dem geheimnisvollen Fremden angesprochen worden, der des Spanischen mächtig war und sich ihm gegenüber als Lord Henry ausgegeben hatte. Bei einem vollen Becher Chianti hatte sich Lord Henry zu ihm vorgebeugt und ihm viel Geld versprochen, Gold, Silber und Diamanten.

      Benedetti konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

      Er sah zu dem Schiff, das sich drohend näher und näher schob.

      Die Culverine, von Cantieri gezündet, stieß brüllend ihre Ladung aus dem Rohr. Die Kugel schlug dem Piratenschiff in das Galion und knickte ihm den Bugspriet mitsamt der Blinde halb weg. Die Männer der „Michelangelo“ jubelten, doch weder Cantieri noch Benedetti, noch der Profos oder einer der anderen Schiffsoffiziere fielen mit in das Gelächter und Geschrei ein.

      Sie alle wußten, daß der Treffer am Lauf der Dinge nichts mehr zu ändern vermochte.

      Lord Henry, dachte Franco Benedetti, ich werde reich sein, sehr reich, denn ohne mich wäre es dir nie gelungen, dieses Schiff aufzubringen und den Schatz zu erbeuten – den Schatz der Medici.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, stand auf dem Achterdeck der „Isabella VIII.“ und hob lauschend den Kopf.

      „Sir!“ rief Bill, der Ausguck, vom Großmars aus – nicht übermäßig laut, aber doch verständlich. „Hörst du das?“

      „Sicher“, entgegnete er. „Kanonendonner vor der Küste. Weiß der Teufel, was da los ist.“

      „Ich kann die Mündungsblitze der Geschütze sehen“, sagte Bill. „Bislang scheinen es zwei Schiffe zu sein, die miteinander im Gefecht liegen – nein, einen Augenblick! Jetzt mischt sich auch ein Dritter mit ein!“

      Hasard richtete seinen Blick nach Osten und sah den zuckenden Schein der Feuer, die wie Wetterleuchten über die Kimm geisterten.

      „Bist du sicher, daß es eine Seeschlacht ist?“ fragte er.

      „Ja, Sir. Es ist eine Bewegung in dem Geschehen, wie sie an Land nicht möglich wäre. Die Blitze verlagern sich ständig weiter nach Süden.“

      „Gut, danke, das genügt mir vorerst“, sagte Hasard. „Halte weiterhin die Augen offen.“

      Er sann darüber nach, wer sich wohl dort drüben, vor der Küste der Toskana, miteinander schlug, gelangte aber zu keinem Schluß. Vielleicht wieder Türken, dachte er, die irgendeinen Konvoi oder ein paar harmlose Fischer überfallen haben, vielleicht sogar ein Kerl wie Ahmet Aydin, einer seiner Verbündeten – möglich ist alles.


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