Seewölfe - Piraten der Weltmeere 526. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 526 - Frank Moorfield


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von Shanghai gelegenen Hangtschou-Bucht ein Gewitter hereinzubrechen.

      An den Mündungen von drei der insgesamt sechs Steuerbord-Culverinen blühten gewaltige Feuerblumen auf. Der nachfolgende Donner rollte mit Urgewalt über die kabbelige See, dann rumpelten die schweren Geschütze in ihren Holzlafetten zurück, bis sie von den Brooktauen aufgefangen wurden.

      Die Dschunke, die Ben Brightons Drehbassenschuß empfangen hatte, und der schon vorher von Edwin Carberry ein Segel zerfetzt worden war, konnte im Augenblick nur in Umrissen wahrgenommen werden, weil sich eine grauschwarze Pulverwolke zwischen sie und die „Santa Barbara“ geschoben hatte. Der Wind zerriß diese Wolke jedoch bald, und dann sahen die Seewölfe, was geschehen war.

      Der Piratensegler war von zwei der schweren Eisenkugeln getroffen worden, und das war mehr, als sie erhofft hatten, weil sich das Schiff noch nicht in voller Breite als Ziel dargeboten hatte. Auf dem Vorschiff waren erneut die Fetzen geflogen. Am meisten aber hatte den Chinesen ein Schuß Nils Larsens zugesetzt. Die Kugel hatte ein riesiges Loch in die Bordwand geschlagen, und zwar direkt an der Wasserlinie. Die Dschunke nahm Wasser auf.

      „Das war Maßarbeit!“ rief Al Conroy. „Sie werden sich von jetzt an mehr mit sich selber beschäftigen müssen.“

      Die Wuhling an Bord der Dschunke war nicht zu übersehen. Die Schnapphähne wimmelten wie Ameisen durcheinander. Viele von ihnen feuerten – ohnmächtig vor Wut – ihre Musketen ab, einige ließen Pfeile von armbrustähnlichen Waffen schnellen, ohne damit die „Santa Barbara“ zu erreichen. Aber sie schienen nach wie vor fest zum Entern des fremden Schiffes entschlossen zu sein.

      Ihr Geschrei wurde plötzlich vom Krachen der zwei kleinen Backbordgeschütze überlagert, die die Seewölfe wie Spielzeuge anmuteten. Ihre Kugeln erreichten die Galeone nicht und ließen schäumend das Wasser aufspritzen.

      „Die sind noch nicht satt!“ brüllte Edwin Carberry. „Merkt ihr nicht, daß sie einen Nachschlag haben wollen, was, wie?“

      Er selber hielt sich auf das Geheiß Al Conroys hin mit seiner Drehbasse zurück, denn diese Geschütze sollten erst wieder eingesetzt werden, sobald die Culverinen nachgeladen wurden.

      Al Conroy warf einen fragenden Blick zum Achterdeck.

      „Ich glaube, Ed hat recht, Sir!“ rief er dann.

      Der Seewolf lächelte. „Einen Moment noch! Die Dschunke beginnt gerade, sich zu drehen. Gleich wird sie ein noch besseres Ziel abgeben. Inzwischen sollten wir jedoch die Kerle, die auf unser Heck zuhalten, bedienen.“

      „Aye, Sir!“ Al Conroy veranlaßte, was nötig war.

      Diesmal brüllten drei Kanonen der Backbordseite der „Santa Barbara“ auf.

      Das Ziel war sehr begrenzt, denn der Bug der Dschunke war genau auf die Backbord-Breitseite der Galeone ausgerichtet. Dennoch traf eine der Kugeln, fegte dicht über das Deck, hieb eine Schneise in die Gestalten der Angreifer und in verschiedene Aufbauten und verschwand dann irgendwo im Achterdeck.

      Dennoch gab es keine Verschnaufpause.

      Jetzt waren die Arwenacks an der Steuerbordseite wieder an der Reihe, denn „ihre“ Dschunke war aus dem Ruder gelaufen und gab ein hervorragendes Ziel ab. Während die ersten drei Culverinen noch nachgeladen wurden, begannen die anderen wie Ungeheuer zu fauchen.

      Innerhalb weniger Sekunden gab es den zweiten Mast der Dschunke nicht mehr. Er kippte nach Steuerbord, zertrümmerte das Schanzkleid und ging schließlich samt Segel und Bambusgerüst über Bord. Außerdem klafften in der Nähe des Hecks zwei schwarze, gezackte Löcher.

      Damit war das Schicksal des Piratenseglers besiegelt. Darüber waren sich nicht nur die Seewölfe im klaren, sondern auch die Schnapphähne selbst. Die Dschunke nahm gewaltige Mengen an Wasser auf, an eine Fortsetzung des Angriffs oder gar ein Entern war nicht mehr zu denken. Die Chinesen waren jetzt in der Tat voll mit sich selber beschäftigt. In wilder Panik begannen sie, zwei Boote auszusetzen.

      „Endlich haben sie genug“, sagte der Kutscher.

      Der Blick des Seewolfs war skeptisch.

      „Kann sein“, meinte er, „aber so ganz sicher bin ich mir da noch nicht. Die Dschunke ist zwar verloren, daran gibt es keinen Zweifel, aber ich könnte mir vorstellen, daß sich die Kerle mit ihren Booten an uns heranmachen wollen. Schließlich gibt es noch die zweite Dschunke, von der man sich einige Unterstützung verspricht.“

      Der Kutscher kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf.

      „Hm“, meinte er. „Möglich ist das schon, wenn man bedenkt, wie fanatisch diese Gelbmänner sind.“

      Der Seewolf fuhr fort: „Wir werden unsere derzeitige Position nicht verändern und uns jetzt wieder der zweiten Dschunke widmen.“

      Die Arwenacks wußten, wo es lang ging.

      Die zweite Dschunke segelte trotz des Treffers rasch heran.

      „Sollen wir diese Haie preiswert bedienen, Sir?“ fragte Al Conroy. „Die eine Kugel hat ihnen anscheinend den Appetit nicht verdorben.“

      „Sie bemühen sich, uns so wenig wie möglich Zielfläche zu bieten“, sagte der Seewolf. „Ich schlage deshalb vor, daß wir sie wegen der besseren Streuwirkung mit unseren Drehbassen beehren. Und sollten sie noch näher aufsegeln, dann haben wir ja noch einige andere Mittelchen, nicht wahr?“

      Die Männer grinsten. Und ob sie die hatten.

      Von der ersten Dschunke ging keine Gefahr mehr aus. Sie krängte stark nach Backbord über und würde bald sinken. Ferris Tucker brachte deshalb einen Teil seiner Flaschenbomben auf das Achterdeck.

      Auch Big Old Shane und Batuti, der herkulische Gambia-Mann, wußten, was der Seewolf gemeint hatte. Beide begaben sich mit ihren riesigen Langbogen zum Heck.

      „Wir sind bereit, Sir“, sagte Batuti. „Sie sind bald in unserer Reichweite, und wir spielen ihnen gerne zum Tänzchen auf.“

      „Na los denn“, sagte der Seewolf und gab den Feuerbefehl für die anderen Drehbassen.

      Darauf hatten Old Donegal und der Kutscher nur gewartet. Sie brachten die leichten, schwenkbaren Kanonen sofort in die richtige Stellung und zündeten sie.

      Im Nu war auch auf der zweiten Dschunke der Teufel los. Etliche Piraten wurden von dem gehackten Eisen der Drehbassen erwischt, andere wurden unter herabstürzenden Teilen der Segel und Bambuslatten begraben.

      Trotzdem schien ihr Anführer die Lage rasch wieder in den Griff zu kriegen. Er schien regelrecht davon besessen zu sein, dieses große und sicher recht kostbar beladene Schiff der „fremden Teufel“ zu entern. Immer wieder trieb er seine Kerle mit wütenden Befehlen an.

      Der Seewolf warf einen Blick nach Steuerbord, denn dort bahnte sich ein seltsam beklemmendes Schauspiel an. Die zerschossene Dschunke schickte sich an, auf Tiefe zu gehen. Ihr Vorschiff befand sich bereits unter Wasser, der Rest würde in wenigen Augenblicken folgen.

      Die Piraten hatten sich in die beiden Boote gezwängt – bis auf jene, die sich an herumtreibenden Wrackteilen festklammerten. Und siehe da, der Seewolf hatte sich nicht getäuscht. Die fanatisierten und beutegierigen Kerle in den Booten dachten nicht an Flucht, sondern pullten mit aller Kraft auf die „Santa Barbara“ zu. Offenbar glaubten sie, die Galeone doch noch mit Unterstützung der zweiten Dschunke in die Zange nehmen und entern zu können.

      „Mut haben sie ja“, sagte der Seewolf, „oder besser gesagt: Todesverachtung.“ Er gab Al Conroy einen Wink. Kurz darauf eröffneten Edwin Carberry und Ben Brighton wieder das Feuer aus ihren Drehbassen.

      Die Wirkung blieb nicht aus. Eins der Boote wurde zerfetzt – genau in dem Augenblick, in dem die Dschunke mit einem lauten Zischen und Gurgeln in den Fluten versank. Die Piraten im zweiten Boot, das noch etwas weiter entfernt war, schienen nun doch die Flucht vorzuziehen. Jedenfalls drehten sie ab und pullten davon, als seien tausend Teufel hinter ihnen her.

      Von dieser Seite drohte keine Gefahr mehr, dafür aber von achtern. Die


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