Seewölfe - Piraten der Weltmeere 606. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 606 - Davis J.Harbord


Скачать книгу
und ein Killigrew geworden, allerdings ein sehr anderer und recht eigenwilliger Killigrew und nach meiner Meinung der bisher beste Teil dieser Räubersippe, aber eben ein Killigrew.“

      „Danke für den Heiligenschein“, knurrte Hasard. „Was willst du von mir, Abe? Du hast irgendwas im Sinn.“

      „Nun ja.“ Doc Freemont legte die Hände auf den Rücken, betrachtete die weißgescheuerten Planken der Schebecke, hob wieder den Kopf und sagte: „Weißt du, es gibt da allerlei Ungereimtheiten in dieser Erbschaftssache. So ist zum Beispiel der Notar drei Tage nach seiner öffentlichen Verlesung des Testaments von Lady Anne plötzlich verschieden, offenbar durch Gifteinwirkung. Mord oder Selbstmord, ist da zu fragen. In dem Testament ist Simon Llewellyn von Lady Anne als Erbe eingesetzt. Ist das Testament gefälscht? Und starb Lady Anne überhaupt eines natürlichen Todes oder wurde er gewaltsam herbeigeführt? Obwohl mich das alles nichts angeht, bin ich der Ansicht, daß du es zumindest deiner verstorbenen Pflegemutter schuldig bist, diese Dinge zu klären. Das ist es, was ich dir sagen wollte.“

      „Aha!“ schnappte Hasard. Dann schwieg er. Seine Stirn war gekraust, und auch er starrte – wie zuvor Doc Freemont – auf die Planken.

      Es war Edwin Carberry, der Profos, der die Stille an Bord durchbrach.

      „Ich frage mich“, sagte er polternd, „wie diese beiden Rübenferkel nach England gelangt sind? Vor vier Jahren ließen wir sie als Gefangene der Spanier auf den Grand Cays zurück und nahmen an, sie würden nach Fort St. Augustine verbracht, wo die Dons ja mit Vorliebe Gefangene zum Entwässern der Sümpfe einsetzen. Etwa ein Dreivierteljahr später waren Jean Ribault, Renke Eggens und einige unserer Männer vom Bund ebenfalls Gefangene der Spanier in Fort St. Augustine und stießen dort auf Sir Johns Galgenvögel. Unsere Männer konnten fliehen, die Kerle um den Bootsmann O’Leary aber auch. Wir begegneten der Schaluppe, mit der sie getürmt waren, und schossen sie zusammen. Erinnerst du dich, Sir?“

      Hasard nickte düster. „Ich erinnere mich, Ed. Ich erinnere mich auch an die Haie. Wie es aussah – für uns jedenfalls – hatte keiner von den Lumpenkerlen eine Chance, zu überleben. Aber wir prüften das auch nicht nach. Wie dem auch sei – offenbar überlebten meine beiden sogenannten Brüder und schafften es, nach England zurückzukehren. Für mich ist das ein Rätsel. Ich hielt sie für tot – im gewissen Sinne sind sie das auch für mich. Ich will mit ihnen nichts mehr zu tun haben.“

      „Das sehe ich anders“, sagte der ruhige, besonnene Ben Brighton, Hasards Erster Offizier, und er wich dem wütenden Blick seines Kapitäns nicht aus. „Mir zum Beispiel ist es verdammt nicht gleichgültig, wenn es zwei Schurken mit einem miesen Trick gelungen sein sollte, sich auf Arwenack einzunisten. ‚Arwenack‘ – das ist unser Kampfruf, und wir nennen uns manchmal Arwenacks, weil du von der Feste über Falmouth stammst und dort deine Kindheit und Jugend verbracht hast. Der Kampfruf ‚Arwenack‘ hat eben seine eigene Bedeutung für uns. Wenn Arwenack jetzt mit zwei Strolchen identisch ist, dann habe ich etwas dagegen. Das hat zum Teil etwas mit Schmutz zu tun, und unser Kampfruf soll sauber bleiben.“

      Beifallsgemurmel klang auf, und die Mannen nickten.

      Du meine Güte, dachte Hasard, jetzt reden die Kerle gleich noch davon, daß es wider ihre Ehre sei, sich ihren Kampfruf beschmutzen zu lassen.

      Genauso war’s.

      Smoky, der Decksälteste, haute auf die Pauke und tönte: „Ehrensache, daß wir diese Sache bereinigen! Ich schlage vor, daß wir nach Falmouth segeln und die Ferkelbrüder ins Gebet nehmen. Hand hoch, wer dafür ist!“

      Alle Hände flogen hoch. Eine Hand blieb unten – die von Philip Hasard Killigrew.

      „Du bist überstimmt, Sir“, erklärte Smoky resolut. „Die überwiegende Mehrheit hat entschieden.“

      Hasard schnappte ein bißchen nach Luft.

      „Es geht auch um dein Erbe, Sir“, sagte Smoky entschieden. „Wenn es meins wäre, würde ich darum kämpfen, natürlich vorausgesetzt, daß an der Sache was faul ist. Aber das, was Doc Freemont berichtet hat, deutet darauf hin, daß die Ferkelbrüder schmutzige Pfoten haben.“

      Hasard verschränkte die Arme vor der Brust und entgegnete ein wenig biestig: „Und was ist, wenn ich auf dieses sogenannte Erbe pfeife, Mister Smoky? Oder wollt ihr mich auf Arwenack absetzen, damit ich dort meine Tage beschließe, he? Und ihr verzieht euch wieder in die Karibik, nicht wahr?“

      „Davon kann überhaupt nicht die Rede sein, Sir“, sagte Smoky empört. „Wenn du auf dein Erbe pfeifst, kannst du’s ja dann verschenken. So einfach ist das. Oder du übergibst Arwenack deinen beiden Söhnen.“

      „Frag sie doch mal“, sagte Hasard prompt.

      Nun ja, da lief der gute Smoky ins offene Messer. Denn die beiden Killigrew-Junioren erklärten energisch, sie hätten die Absicht, beim Bund der Korsaren zu bleiben, und der „Mister Smoky“ möge sich die Feste Arwenack an den Hut stecken.

      Für einen Moment war Smoky perplex, aber dann hatte er eine Idee, und die hing damit zusammen, daß er nie etwas erben würde. Denn seine ihm unbekannte Mutter hatte ihn schlicht als Wickelbaby auf der Eingangsschwelle der St.-Andrews-Kirche in Plymouth abgelegt, darauf vertrauend, daß ihn zumindest der vertrottelte Kirchendiener finden würde. Hatte der auch.

      O Heiland! Smoky schob die Gedanken an seine Vollwaisenzeit schnell beiseite – bis auf die Tatsache, daß er nie ein richtiges Zuhause gehabt hatte.

      „Sir“, sagte er sehr ernst, „wenn du die Festung Arwenack erbst, könntest du sie der Stadt Falmouth als eine Art Lehen anvertrauen – mit der Maßgabe, die Feste als Waisenhaus einzurichten und zu unterhalten. Wie findest du das?“

      Na, das war vielleicht ein Vorschlag! Alle Mannen waren verdutzt, einschließlich ihres Kapitäns, der seinen lieben Smoky anstarrte, als sehe er ihn zum ersten Male.

      Und dann brummte er nur: „Hm!“ Und noch einmal: „Hm-hm!“ Beim zweiten „Hm-hm“ kratzte er sich hinter dem rechten Ohr, was er sonst nie tat. Oder höchst selten, vielleicht einmal alle fünf Jahre.

      Smoky kriegte inzwischen den träumerischen Blick.

      „Da hätten die armen Würmer endlich ein festes Dach über dem Kopf“, schwärmte er, „ein festes Dach auf soliden Mauern. Und im Burghof könnten sie Haschen spielen, in den Ställen Versteck. Im Burggarten müßte Gemüse angepflanzt werden, weil kleine Kinder frisches Gemüse brauchen. Im Keller wird eine Badestube eingerichtet – mit, äh, zehn großen Waschbottichen …“

      „Wieso zehn?“ fragte Carberry fassungslos.

      Die Arwenacks sahen überhaupt alle so aus, als kämen sie nicht ganz mit.

      „Wenn gebadet wird“, belehrte Smoky den Profos, „können immer fünf Würmerchen in einem Bottich planschen, klar?“

      Der Profos zog den Kopf ein. Dieser Mister Smoky wurde ihm unheimlich.

      Paddy Rogers, sonst mit dem Denken so schnell wie eine Schnecke, hatte bereits gerechnet und verkündete: „Fünf Würmerchen mal zehn Bottichen macht fünfzig Würmerchen.“

      „Genau“, sagte Smoky, fixierte seinen Kapitän und erkundigte sich: „Wie viele Zimmer hat Arwenack, Sir?“

      „Wie viele …“ Hasard brach wieder ab, und seine Finger beschäftigten sich ein zweites Mal mit dem rechten Ohr.

      Dafür sprang Big Old Shane ein, der ehemalige Schmied von Arwenack. Und er grinste bis zu den Ohren.

      „Wenn ich mich richtig erinnere“, dröhnte er, „sind in der Burg selbst zwanzig Zimmer, ganz abgesehen von den Zimmern im Gesindehaus, im Haus des Burgvogts und dem linken Flügel mit den Waffenkammern.“

      „Reicht satt“, sagte Smoky zufrieden. „Allein in den zwanzig Zimmern der Burg könnten wir dann schon sechzig Würmerchen unterbringen, drei auf jedem Zimmer, vielleicht auch vier, womit wir bei achtzig Würmerchen wären.“ Und Smoky strahlte.

      „Da würden wir dann für


Скачать книгу