Seewölfe - Piraten der Weltmeere 387. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 387 - Roy Palmer


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die Ohren zu. Es war eine instinktive Geste der Abwehr, denn wie die anderen ahnte er, was jetzt passierte.

      „Die Segel müssen geborgen werden!“ brüllte Karl von Hutten mit donnernder Stimme.

      Martin Correa und Sam Roskill sprangen sofort hinzu und lösten die Fallen. Smoky stieß einen ächzenden Laut aus, eilte ebenfalls zu Hilfe und bekreuzigte sich ein ums andere Mal. Hasard und Philip packten mit zu. Old Donegal hielt sich bleich und verstört an der Pinne fest. Mac Pellew trauerte dem Suppenkessel nach, der in der See gelandet war und abtrieb. Er war aber noch nicht untergegangen.

      Der furchtbare Rüssel rückte auf die Galeone zu, und dort flogen jetzt die Segel aus den Lieken. Sie wurden im Sog nach oben gerissen. Was nicht niet- und nagelfest war, folgte – und dann stand der saugende und schlürfende Rüssel unmittelbar über der Galeone.

      Smoky brüllte wie verrückt, und sie sahen es alle: Die „Valencia“ hob sich vom Wasser. Sie schien zu schweben. Rahen und Spieren rasten mit unvorstellbarer Geschwindigkeit und wirbelnd in dem Rüssel hoch, das Schiff stieg immer höher aus dem Wasser auf und befand sich an die siebzig Fuß hoch in der Luft. Gellende Schreie, in grenzenloser Panik ausgestoßen, wehten zur „Empress“. Die sechs Männer und die Zwillinge mußten in ohnmächtigem Entsetzen und unfähig, etwa zu unternehmen, zusehen, wie das Schiff in dem Sog herumtaumelte.

      Jetzt bekreuzigte sich auch Old O’Flynn.

      „O Herr, steh diesen armen Teufeln bei“, sagte er heiser.

      Pater David lag auf dem Achterdeck der „Valencia“ ausgestreckt und klammerte sich an der Nagelbank des Besanmastes fest. Um ihn herum war das Brausen und Gischten der Fluten, die in die Luft gerissen wurden, das Schreien und Klagen der Männer und das Schlürfen des Sogs.

      „Ave Maria!“ stieß der Gottesmann immer wieder hervor. „Gratia plena, rette unsere Seelen! Ave Maria!“

      Wo Don Angelo Val de Montez war, wußte er nicht mehr. Auch die Offiziere hatte er aus den Augen verloren. Sie waren, wie er noch hatte verfolgen können, auf das Hauptdeck hinuntergestürzt, um zu bergen, was noch zu bergen war, um ihren Männern beizustehen. Aber alles war verloren, denn für die „Valencia“ kam jede Hilfe zu spät.

      Sie stand in der Luft und führte einen wackelnden Tanz auf. Es krachte, knirschte und knackte überall, und tief in den Verbänden kündigte sich ein unterschwelliges Bersten an.

      „Ave Maria!“ brüllte Pater David. „Erbarmen!“

      Auch ihn hatte die Verzweiflung gepackt. Er wußte nicht, was er tun sollte. Seine Gebete waren das einzige Mittel, das ihm in einer Lage wie dieser übrigblieb, doch er war sicher, daß auch sie nichts mehr nutzten.

      Zwei Stürme hatten die „Valencia“ bei der Überfahrt von der Alten zur Neuen Welt überstanden. Krankheit und Unmut hatten an Bord geherrscht, doch immer wieder hatte er, der Gottesmann, die richtigen Worte für die Männer gefunden. Er hatte einen Mann vor dem Fieber gerettet, einen anderen hatte er mit seemännischem und christlichem Ritual beisetzen müssen, doch nie war der Hoffnungsschimmer am Horizont verblaßt, der ihm den Weg gewiesen hatte.

      Jetzt aber schien alles aus zu sein. Die Nagelbank barst, Pater David wurde quer über das Achterdeck geschleudert und prallte gegen das Steuerbordschanzkleid. Von dort riß ihn eine unheimliche Kraft hoch in die Luft.

      „Santa Maria, Madre de Dios“, waren seine letzten Worte, dann schwanden ihm die Sinne.

      Todesschreie hallten über die Decks. Die „Valencia“ sackte ab und fiel in rasendem Sturz auf die Wasserfläche zurück.

      Plötzlich war der gigantische Rüssel gerissen, und die „Valencia“ krachte in die See. Sie barst auseinander und ging in zwei Teilen auf Tiefe. Ein einziger furchtbarer Schrei schallte noch über das Wasser, begleitet von einem donnernden Krachen und Rauschen, dann brachen die Fontänen brausend in sich zusammen.

      Sekunden später stürzte aus der Haufenwolke Wasser auf die „Empress of Sea II.“. Es schüttete wie aus gewaltigen Kübeln, und die Sicht war im Nu gleich null. Die Männer und die beiden Jungen gingen in Deckung. Mac Pellew wurde um ein Haar außenbords gerissen, weil er das Gleichgewicht verlor und über das Schanzkleid zu kippen drohte. Im buchstäblich letzten Augenblick ruderte er jedoch mit den Armen und stürzte rücklings auf die Planken. Er fiel hart, war aber trotzdem heilfroh, daß er nicht seinem Suppenkessel gefolgt war.

      Ebenso schlagartig, wie er begonnen hatte, hörte der Regenguß wieder auf. Alles an Bord dampfte, alle waren klitschnaß. Plymmie – das war das Erstaunliche – hatte aufgehört zu jaulen.

      Old O’Flynn richtete sich von den Achterdecksplanken auf und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Sein erster Blick galt wieder der unheimlichen Wolke. Sie zog davon und hatte ihre dunkle Tönung im unteren Bereich verloren.

      Die See war wie immer – bis auf die herumschwimmenden Trümmer, zu denen sich jetzt ein paar auftreibende Fässer gesellten. Old O’Flynn, Smoky, Martin Correa, Sam Roskill, Karl von Hutten, Mac Pellew und die Zwillinge eilten ans Schanzkleid. Sie alle waren von dem soeben Erlebten derartig erschüttert, daß sie zunächst keine Worte fanden.

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