Seewölfe - Piraten der Weltmeere 636. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 636 - Fred McMason


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sagte er. „Den Kapitän möchte ich mir gern näher ansehen. Ihr hievt jetzt das Netz hoch, und ich spähe mit dem Kieker durch die Maschen.“

      „Woher weißt du, daß ausgerechnet die Galeone das Flaggschiff ist? Sie befindet sich jetzt fast mitten im Konvoi.“

      „An dem besonderen Stander am Heck. Außerdem wissen wir, daß das Flaggschiff ‚Salvador‘ heißt. Den Namen habe ich bei einem kleinen Schwenk erkennen können.“

      „Was du nicht alles siehst“, brummte Luke. Er und Blacky hievten das Netz hoch und grinsten sich eins, als erneut drei Fische darin zappelten. Sie taten es etwas umständlich, als hätten sie alle Zeit der Welt.

      Dan O’Flynn hatte jetzt genau das im Kieker, was er sehen wollte.

      „Merkt euch die Namen der Galeonen gut“, riet er, „später kann das von größter Wichtigkeit für uns sein.“

      Sie gaben vor, emsig beschäftigt zu sein, während Dan hinter den Maschen des Netzes beobachtete.

      „‚Santos los Reyes Mayos‘“, las er vor. „‚Reputación‘ und ‚Nobleza‘. Damit haben wir schon die ersten vier. Merke du dir die Namen, Blacky, die nächsten drei merkt sich Luke, und den Rest übernehme ich.“

      „Kein Problem“, sagte Blacky. „Die sind bereits fest verankert.“

      „‚Respeto‘, ‚Honestidad‘ und ‚Nuestra Señora de lagrimas‘. Feiner Name, der letzte. Das heißt soviel wie ‚Unsere Frau von den Tränen‘.“

      „Habe ich mir gemerkt“, sagte Luke. „Jetzt sind nur noch vier übrig. Ich kann noch ein paar übernehmen.“

      „Die drei genügen völlig.“

      Die „Salvador“ scherte aus ihrem Kurs und fiel langsam nach achtern ab. Ein paar Segelmanöver wurden ausgeführt. Dan O’Flynn merkte sich jede Einzelheit von der Galeone. Sie hatte vier Kanönchen auf der Steuerbordseite und sechs Drehbassen. Bei den Stücken tippte er auf halbe Colubrine mit einem Geschoßgewicht von zehn Pfund. Vermutlich würden die Dons Steingeschosse verwenden, wie sie es meist taten.

      Die nächsten und letzten vier Namen fand er auch schnell heraus. Es waren die „Patricia“, „Fortuna“, „Santa Helena“ und die „Concordia“.

      Die „Concordia“ sah alt und vergammelt aus. Sie erweckte den Eindruck, als würde sie kräftig suppen und den über den Atlantik nur mit Mühe und Not überstehen.

      Einige andere waren auch nicht gerade neu. Die Spanier boten alles auf, was sie kriegten und noch einigermaßen schwimmfähig war. Wie es an Bord einiger Schiffe selbst aussah, wollte Dan sich gar nicht erst ausmalen. Wahrscheinlich waren die Zustände „unbeschreiblich“.

      Aber trotz mancher vergammelter Schiffe segelte dort ein ungeheurer Reichtum über den Atlantik, der zudem nicht mal von Kriegsschiffen gesichert wurde. Vermutlich hatten die Dons keine mehr abstellen können und sich deshalb für die geheime Route entschieden. Sie schienen das Gold dringend zu brauchen, aber bei der hohen Staatsverschuldung war das auch kein Wunder.

      Luke und Blacky hantierten mit dem Netz. Für die anderen sah es so aus, als habe es sich verheddert.

      Der Kieker von Dan schwenkte zur Seite. Er nahm sich jetzt das Achterdeck vor und betrachtete es genau. Etliche uniformierte Gestalten waren zu erkennen, Offiziere, ein Teniente und ein Läufer, der gerade eine Nachricht nach achtern brachte.

      Dan O’Flynn interessierte sich ganz besonders für den Generalkapitän Don Ricardo de Mauro y Avila. Als er das Gesicht des Spaniers sah, begann es um seine Mundwinkel zu zucken.

      Es war ein hageres Gesicht, so hager wie der Mann selbst. In dem Gesicht gab es keinen Bart, aber dunkle Bartschatten, die es vom Kinn her fast dunkelblau erscheinen ließ. Die Lippen waren verkniffen und zusammengepreßt, die Mundwinkel verächtlich nach unten gebogen.

      Eine Hasenscharte zog sich quer über die Oberlippe nach unten. Es war eine beidseitig angeborene Spaltbildung der Oberlippe, die auch noch die rechte Wange bis fast zur Stirn in Mitleidenschaft zog. Auf den ersten Blick sah es aus, als hätte ihn dort eine Kugel erwischt.

      Diese Mißbildung verlieh dem Mann etwas Zynisches und Boshaftes. Außerdem stand in seinem hageren Gesicht allertiefstes Mißtrauen, das sich offenbar gegen jeden und alles richtete. Dieser Don kannte nicht den Begriff Humor und lachte wahrscheinlich nie.

      Dan O’Flynn schätzte ihn auf etwa vierzig und dazu sehr übellaunig und mürrisch. Don Ricardo war ein Mensch, dessen Bekanntschaft wahrscheinlich niemand suchte. Dan wäre ihm selbst am liebsten weit aus dem Weg gegangen.

      Dementsprechend steif und hölzern standen auch die Kerle auf dem Achterdeck herum. Es wurde kein Wort gesprochen. Die Luft um Don Ricardo herum wirkte eisig. Er verbreitete ein Flair, das ihn wie eine böse Aura umgab.

      „Das ist vielleicht ein Kerl“, sagte Dan. „Der Anblick kann einen fast erschrecken. Ehe ich bei dem fahre, würde ich lieber um Heuer in der Hölle nachfragen. Ich bin sicher, daß der Kerl seinen Untergebenen von morgens bis abends was vorquengelt. Ein typischer Ausbund an Boshaftigkeit und Ignoranz. In seinem Gesicht ist das Mißtrauen geradezu ausgeprägt. Der würde nicht einmal seiner eigenen Mutter trauen und sogar noch abstreiten, daß sie ihn geboren hat.“

      „Sprichst du von dem Kapitän?“

      „Ja, den meine ich, eine bemerkenswerte Person. Dem etwas zu verklaren, dürfte fast unmöglich sein.“

      Dan wollte noch etwas sagen, doch in diesem Augenblick blitzte es auf dem Flaggschiff einmal kurz und grell auf.

      Don Ricardo hatte mit einer herrischen Bewegung ein Spektiv geordert und setzte es jetzt an.

      Er blickte genau auf die Jolle, die als Fischerboot getarnt war. Daraufhin ließ Dan O’Flynn sein Spektiv unauffällig verschwinden und beteiligte sich wieder an der Arbeit.

      „Wahrhaftig ein mißtrauischer Kerl“, sagte Luke Morgan. „Der glaubt nicht einmal, daß wir Fischer sind.“

      „Der glaubt nicht einmal, daß es Salzwasser gibt“, meinte Dan.

      Wieder fiel ein Sonnenstrahl auf das Messinggehäuse des Kiekers und ließ es aufblitzen. Der Kerl, der das personifizierte Mißtrauen war, beäugte sie sehr genau. Nach einem intensiven Blick gab er das Spektiv mürrisch und verbissen zurück.

      „Jetzt ist er bestimmt auch nicht viel schlauer geworden“, vermutete Blacky. „Sollen wir verschwinden?“

      „Nein, wir bleiben noch und fischen weiter. Zumindest solange sie uns noch sehen können. Wir dürfen nicht den Argwohn dieses Dons erregen. Vielleicht sieht er in uns gar keine Fischer.“

      Das Flaggschiff ließ sich noch weiter zurückfallen, bis es mit der Jolle fast auf gleicher Höhe war. Der Konvoi war inzwischen langsam weitergezockelt.

      „Don Ricardo“, sagte Dan seufzend, „der Mißtrauische.“

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