Seewölfe - Piraten der Weltmeere 401. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 401 - Roy Palmer


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sagte Hasard. „Im übrigen können wir mit Donegal und seiner Crew nicht rechnen, solange sie nicht tatsächlich wieder zurück sind. Wir werden die Angelegenheit anders regeln. Lassen wir das Los entscheiden.“

      Damit erklärten sich alle einverstanden. Kurze Zeit darauf ließ der Seewolf jeden Schiffskapitän ein dünnes Stück Holz aus seiner geschlossenen Hand ziehen, von denen er eins vorher markiert hatte. Das Los fiel auf Renke Eggens, und somit stand es fest: Er würde mit der „Wappen von Kolberg“ in der Bucht der Schlangen-Insel bleiben.

      Eggens hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Es läßt sich nicht ändern. Aber ihr könnt beruhigt sein, ich halte die ‚Wappen‘ gefechtsbereit und versehe meine Pflichten, wie es sich gehört. Wenn die Dons erscheinen, verwandeln wir die Insel in eine feuerspuckende Festung.“

      „Daran zweifelt keiner von uns“, sagte Hasard. „Also, du behältst einen Teil von Arnes Crew, die anderen übernehmen unter dem Kommando von O’Brien die ‚Pommern‘, die mit uns ausläuft.“

      Alle Einzelheiten des bevorstehenden Kampfes wurden noch einmal genau durchgesprochen. Jeder wußte, was er zu tun hatte, aber er mußte auch von den anderen wissen, wie sie eingesetzt werden sollten. Jedes Detail mußte festgelegt und durfte nicht dem Zufall überlassen werden, soweit sich das vermeiden ließ.

      Arkana und ihre Krieger und Kriegerinnen würden die Insel verteidigen und gegebenenfalls bei einem Lande- und Besetzungsmanöver des Feindes versteckt von den Höhlen aus den Kampf fortsetzen, und zwar mit einem harten Kern des Stammes. Alle anderen sollten zunächst zu den Timucuas auf Coral Island evakuiert werden, wo sie sicher waren, solange sich der Angriff der Spanier auf die Schlangen-Insel konzentrierte.

      Karl von Huttens Aufgabe stand ebenfalls fest. Er würde zusammen mit Arkana die Verteidigung der Insel leiten, zumal er sich seit Beginn der Verteidigungsbauten intensiv um alles gekümmert hatte.

      Ihm zur Seite standen Hesekiel Ramsgate als Techniker und Baumeister sowie noch ein paar Männer der Werftbelegschaft. Alle waren ausreichend bewaffnet und verstanden, sowohl mit Musketen und Pistolen als auch mit Blankwaffen umzugehen.

      Der Rat beendete seine Tagung, die Männer und Frauen schritten zur Tat. Da alle Schiffe seit den letzten Tagen auslaufklar waren, gab es jetzt keine Verzögerungen mehr. Kapitäne und Mannschaften begaben sich an Bord, und bald darauf wurden die Anker gelichtet.

      Am frühen Nachmittag – der Mahlstrom war günstig – gingen die Schiffe in See und segelten auf westlichem Kurs davon: die „Isabella IX.“ mit Hasard und den Seewölfen, der Schwarze Segler des Wikingers, die „Caribian Queen“ mit Siri-Tong, die „Le Vengeur III.“ unter dem Kommando von Jean Ribault, die „Tortuga“ mit Jerry Reeves und die „Pommern“ unter dem Kommando von Oliver O’Brien.

      Geeinigt hatte man sich auf folgende Taktik: Der Verband der spanischen Kriegsschiffe sollte gestellt und geschlossen angegriffen werden. Danach aber sollten Einzelkämpfe stattfinden, die darauf abgezielt waren, den Gegner daran zu hindern, zur Schlangen-Insel durchzubrechen.

      Je weiter westlich entfernt man den Feind stellte, desto besser war es, darüber waren sich alle einig. Größere Distanz zur Schlangen-Insel bedeutete mehr Zeit und Raum für die Einzelgefechte.

      An diese bevorstehenden Kämpfe dachten die Männer an Bord der Schiffe, an nichts anderes mehr. Die „Isabella“, „Eiliger Drache“, die „Caribian Queen“, die „Le Vengeur“, die „Tortuga“ und die „Pommern“ segelten unter Vollzeug und mit vollem Preß. Der Wind fiel aus Nordosten ein, also günstig für sie. Sie liefen gute Fahrt, und bald war die Schlangen-Insel an der östlichen Kimm verschwunden.

       2.

      Bei einem Etmal von nahezu einhundertvierzig Seemeilen pro Tag standen die sechs Schiffe am Nachmittag des 21. Juli, nach zwei vollen Tagen also, südlich der Columbus-Bank beim Cay Santo Domingo am östlichen Ausgang des Alten Bahama-Kanals und harkten in auseinandergezogener Dwarslinie nach Westen die See ab.

      An Bord der „Isabella“ hatten zu diesem Zeitpunkt Gary Andrews und Sam Roskill die Ausguckposten inne. Gary, der Fockmastgast, war es, der als erster den kleinen Dreimaster sichtete, der sich aus westlicher Richtung näherte.

      „Mastspitzen!“ meldete er, dann richtete er sein Spektiv auf die Erscheinung, die sich wie ein rumpfloses Gerüst aus den sanften Wogen hob. Er drehte am Okular und stellte die Schärfe richtig ein, dann stieß er einen Pfiff aus.

      „Da brat mir doch einer einen Barsch“, sagte er. „Das ist ja – Donegal!“ Er ließ das Rohr sinken, beugte sich über die Segeltuchumrandung des Vormars und schrie: „Der Teufel soll mich holen – es ist die ‚Empress‘!“

      Tatsächlich hatte er sich nicht getäuscht, es war wirklich die „Empress of Sea II.“ die in der breitgefächerten „Harken“-Formation der sechs Schiffe hängenblieb. Sie drehten bei, und die Mannschaften geiten die Segel auf. Kurze Zeit darauf hatte Old O’Flynn mit seiner „Empress“ zur „Isabella“ herangeschlossen, drehte ebenfalls bei und ging auf eine Distanz von knapp zwanzig Yards an sie heran.

      „Holla!“ rief der Alte. „Das ist mal eine Überraschung! Was treibt ihr denn hier?“

      „Dreimal darfst du raten!“ entgegnete Hasard, der ein Stück in den Lee-Besanwanten aufgeentert war und sich mit einer Hand in den Webeleinen festhielt. „Wir sind ganz auf Kampf eingestellt! Was bringst du für Neuigkeiten?“

      Der Alte schien jetzt sehr erregt zu sein. „Du glaubst ja nicht, was wir erlebt haben! In der Nacht des 19. – im westlichen Bereich des Nicolas-Kanals!“

      „Was?“ rief der Seewolf. „Spann mich nicht auf die Folter!“

      „Wir sind auf die Schebecke von Don Juan gestoßen!“

      „Und wer war an Bord?“ fragte Hasard. Seine Männer begannen bereits zu grinsen und sich untereinander mit den Ellenbogen anzustoßen. Die Zwillinge waren die ersten an Bord der „Empress“, die es bemerkten, aber sie hüteten sich, den Alten darauf aufmerksam zu machen.

      „Na, halt dich mal schön fest!“ brüllte Old O’Flynn. „Du kommst nicht drauf, beim Henker nicht!“

      „Laß mich raten!“ rief Hasard. „Don Juan de Alcazar natürlich – und Arne! Richtig?“ Er konnte sich sein Grinsen ebenfalls nicht mehr verkneifen.

      „Stimmt’s oder stimmt’s nicht?“ brüllte Carberry. „Donegal, was ist los? Hat es dir die Sprache verschlagen?“

      „Ihr Stinte!“ schrie der Alte mit hochrotem Kopf. „Ihr wißt ja schon alles! Hölle und Teufel, dann brauche ich ja gar nicht erst Aufklärung zu fahren und mir tage- und nächtelang die Augen aus dem Kopf zu starren! Genausogut kann ich in der Rutsche hängen und mir die Hucke voll saufen!“

      „Beruhige dich!“ rief Hasard. „Es ist nicht unsere Schuld, daß wir bereits Bescheid wissen! Wir haben wieder eine Brieftauben-Botschaft aus Havanna empfangen, von dem guten alten Jussuf!“

      Der Alte war immer noch wütend. „Zur Hölle mit ihm und seinen Nebelkrähen! Was stand in der Nachricht?“

      „Arne hat sie noch selbst abgefaßt, bevor er an Bord der Schebecke in See gegangen ist!“ erklärte der Seewolf. „Er teilt uns darin lediglich mit, daß der Verband von zehn Schiffen ausgelaufen sei und daß die Schebecke ihm folge! Außerdem befindet sich der Gouverneur Don Antonio de Quintanilla an Bord des Flaggschiffes! Das ist alles, was wir wissen!“

      „Das ist auch schon genug!“

      „Wir haben Kriegsrat gehalten und sind mit den Schiffen ausgelaufen!“ fuhr Hasard unbeirrt fort. „Nur die ‚Wappen‘ unter dem Kommando von Renke Eggens liegt noch in der Bucht vor Anker!“

      „Ein Fluchtmittel, wenn’s hart auf hart geht“, sagte der Alte brummig. „Eine gute Idee, obwohl wir alle nicht hoffen, daß es so weit kommt.“


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