Seewölfe - Piraten der Weltmeere 379. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 379 - Roy Palmer


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aber er wußte nicht, daß Catalina tot war.

      Große Piraten wie die Black Queen und Caligula, die schon fast eine Legende waren, hatten Kerlen wie Pilar und Zubiga samt Kumpanen einiges voraus. Sie hatten die besseren Schiffe – die Queen einen Zweidecker namens „Caribian Queen“, vor dem auch die mutigsten Kerle zitterten, wenn sie ihn nur aus der Ferne sahen. Catalina sollte mehr als zwanzig gut ausgerüstete Schaluppen sein eigen nennen. Und auch die Bewaffnung solcher Banden sowie die Armierung ihrer Segler war dem überlegen, was Pilars Horde ihr „Arsenal“ nannte.

      Zehn veraltete Arkebusen mit Luntenschloß – Hakenbüchsen, wie sie auch als Handfeuerwaffen an Bord von Galeonen kaum noch verwendet wurden –, sechs nur zum Teil gut erhaltene Musketen, vier Blunderbüchsen mit trichterförmig erweiterten Mündungen, ein Dutzend Pistolen verschiedenster Herkunft und Fertigung – Stein-, Rad-, Schnapphahn- und Miqueletschloß-Modelle –, Schiffshauer, Entermesser, Säbel, zwei Degenbrecher und eine Handvoll Messer sowie zwei angerostete Drehbassen, die auf drehbaren Gabellafetten an Bord der Schaluppen montiert werden konnten: das war alles, was sie zu bieten hatten. Und wo es an Munition mangelte, versuchten sie, das Manko durch ihr tollkühnes Draufgängertum auszugleichen.

      Auch die beiden einmastigen Schaluppen, über die sie verfügten, waren schon ziemlich alt und zogen hin und wieder Wasser. Mehr schlecht als recht betrieb die Bande also die Küsten-Piraterie, mehr im kleinen als im großen Stil und eher als Hungerleider – und damit standen die Kerle viele Stufen tiefer als ein Catalina, eine Black Queen oder ein Mardengo, von dessen wüsten Beutezügen an Floridas Küsten man auch hier gehört hatte.

      Pilar schritt an den Schutzhütten vorbei, erreichte den Saum des Dschungels und lehnte sich mit dem Rücken gegen den knorrigen Stamm eines Mangrovenbaumes. Er überlegte – wie in der letzten Zeit oft –, ob er die Meute einfach im Stich lassen und zum Teufel schicken sollte. Er fühlte sich zu Größerem berufen, aber mit solchen Kerlen wie diesen vermochte er sich nicht so zu bewegen, wie es ihm in seinen kühnsten Träumen vorschwebte.

      Eine verluderte Gesellschaft, zu faul selbst zum Pönen und Kalfatern der Boote, aber großmäulig und ständig darauf aus, doch einmal den „ganz großen Coup“ zu landen – das war sie, die glorreiche Bande. Sie bestand aus menschlichem Strandgut gemischter Nationalitäten und verschiedener Rassen, darunter auch ein paar Mulatten und Mestizen.

      Da war beispielsweise Cavenago, der Kreole, oder Anibal, der riesige Mulatte. Garaudy, der Franzose, Bollerup, der Holländer, und Franz Josef, der nach seinen eigenen Worten aus einem deutschen Land stammte, in dem es kein Meer, nur ein paar Flüsse gab – Kerle waren das, die Bier, Wein und Rum gallonenweise tranken und wie besessen in den Häfen herumhurten, wenn sich die Gelegenheit dazu einmal ergab.

      In der letzten Zeit mangelte es jedoch erheblich an den Gelegenheiten. Denn für große Saufgelage und für die Huren in den Hafenkneipen von Kuba brauchte man harte Gold- und Silbermünzen. Pilar und seine Horde hatten die letzten Silberlinge fast aufgebraucht. Sie mußten kurztreten und konnten Lobos Cay, das Eiland nördlich der Islas de Camagüey, vorläufig nicht verlassen.

      Aber Pilar hatte sich vorgenommen, daß dies anders werden sollte. Ob mit oder ohne Bande – er würde den großen Schlag unternehmen und reich werden. Dann hatte das Elendsdasein ein Ende.

      Pilar war stolz auf sich selbst, weil er sich für einen Nachfahren des Diego Velasquez hielt, jenes spanischen Eroberers, der 1515 an der Bucht von Matamano auf Kuba den ersten Hafen gegründet hatte. Pilar behauptete allen Ernstes, ein Enkel des Velasquez zu sein. Genau nachprüfen ließ sich das nicht. Nur eins war sicher: War sein „Großvater“ noch Sargento gewesen, so brachte es sein Vater nur bis zum versoffenen Kneipengehilfen in Havanna. Und Pilar selbst war schon in jungen Jahren diesseits der Gesellschaft zwischen Tagedieben, Lumpenpack und schließlich Küstenhaien gelandet, wo ihm ein gewisses Quantum Verschlagenheit, gepaart mit skrupellosem Durchsetzungsvermögen, zur Führerrolle verholfen hatte.

      Pilar wollte das Inselinnere aufsuchen, um seine Schlingen und Fallen zu kontrollieren, mit denen er kleine Tiere fing. Das Essen war knapp auf Lobos Cay. Auch der Fisch, den sie täglich fingen, reichte oft nicht aus, um zweiundzwanzig Mägen zu stopfen. So waren sie oft auf die Kokosnüsse angewiesen, die ihnen allen schon seit einiger Zeit zum Hals heraushingen. Pilar versuchte, durch die Jagd für mehr Reichhaltigkeit im Proviant zu sorgen, aber immer gelang ihm das nicht.

      Gerade wollte er sich abwenden, da registrierte er in der Ferne, an der nordwestlichen Kimm, eine schwache Bewegung. Er glaubte sich zu täuschen, trat aber doch unter das Dach und holte sich einen der drei Messingkieker, die zur „Ausrüstung“ gehörten.

      Er zog ihn auseinander, eilte zum Strand und hob ihn ans Auge. Jetzt vermochte er mehr zu erkennen: Mastspitzen, die sich Lobos Cay zu nähern schienen. Bald entpuppten sie sich als die drei Toppen einer Karavelle.

      Pilar stieß einen leisen Pfiff aus. Er wollte seine Kerle alarmieren, aber etwas irritierte ihn. Um welche Art von Karavelle handelte es sich? Doch wohl um keinen harmlosen Handelsfahrer – nein, ausgeschlossen. Nach und nach konnte Pilar mehr Einzelheiten erkennen und stellte fest, daß es sich um eine Kriegskaravelle mit offenbar guter Armierung handelte.

      Ein harter Brocken, aber es lohnte sich trotzdem, sie anzugreifen. Als Prise stellte sie einen guten Fang dar, denn künftige Raids konnte Pilar mit solch einem Schiff leichter durchführen als mit den beiden Schaluppen. Er würde seine Taktik ändern und spanischen Silbergaleonen richtige Gefechte liefern, statt sie wie bisher in tollkühnen Entermanövern nach der Art aller Karibik-Schnapphähne anzugreifen.

      Dies malte Pilar sich bereits aus, wobei er hoffte, die Karavelle auf eins der Riffe oder auf eine Untiefe von Lobos Cay locken zu können. Anders konnte er sie nicht kapern, und es war immer noch besser, den Dreimaster später wieder reparieren zu müssen, als bei dem ersten Annäherungsversuch von dem Capitán und dessen Mannschaft zusammengeschossen und zu den Haien geschickt zu werden.

      Plötzlich bemerkte Pilar, daß sich von der anderen Seite – von Nordosten also – ein zweiter Segler näherte. Er richtete den Kieker dorthin und stellte fest, daß es sich ebenfalls um einen Dreimaster handelte, allerdings um einen bedeutend größeren. Donnerwetter, dachte er unwillkürlich, was für ein Schiff!

      Über dreihundert Tonnen war dieses Schiff groß, und es konnte nicht sehr alt sein, was sich aus der Bauart leicht schließen ließ: hohe Masten, lange Rahrute, niedrige Aufbauten. Eine Galeone fortschrittlicher Konstruktionsweise, schnell, wendig und gut bestückt, hervorragend in Schuß und mit einem tadellosen Rigg versehen.

      Beide Segler schienen aufeinander zuzuhalten. Erst überhaupt kein Schiff und dann gleich zwei auf einmal, dachte Pilar, kaum zu fassen. Daß es sich bei der Kriegskaravelle um einen Spanier handelte, konnte er inzwischen an der Flagge erkennen. Doch es blieb ungeklärt, welcher Nationalität die große Galeone war. Sie führte keinerlei Beflaggung.

      Pilar lief zu Zubiga und weckte ihn mit einem Tritt in die Seite.

      „Komm hoch und sieh dir das an!“ blaffte er.

      Verwirrt fuhr Zubiga hoch, knotete sich den Strick um den Bauch zusammen, der ihm als Gürtel diente, und eilte zu seinem Anführer, der sich inzwischen vollständig angekleidet hatte. Gemeinsam spähten sie zu den Schiffen. Ihre Spannung wuchs. Nach wie vor hielten die Galeone und die Karavelle aufeinander zu, die Distanz schrumpfte immer mehr zusammen. Doch es schien sich um keine Begegnung freundschaftlicher Art zu handeln.

      Den ersten Kanonenschuß gab die Karavelle ab. Er ließ vor dem Bug der Dreimastgaleone eine rauschende Fontäne aufsteigen. Pilar und Zubiga beobachteten verdutzt, was weiter geschah. Zwischen beiden Schiffen entwickelte sich ein mörderisches Gefecht – und die Galeone war klar überlegen.

      Wütend fuhr Pilar zu den anderen Kerlen herum. Die schliefen immer noch, obwohl der Kanonendonner grollend über die See dröhnte.

      „Verdammtes Pack!“ brüllte er. „Ist das eure Art, auf der Hut zu sein? Die fetteste Beute würde euch durch die Lappen gehen! Verflucht, was seid ihr bloß für müde Säcke!“

      Fluchend und murrend richteten sie sich von ihren Lagern auf. Dann aber änderten sich ihre Mienen,


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